Nach einem Auftritt bei türkischen Rechtsnationalisten soll Nebahat Güclü die Partei verlassen. Die Politikerin lässt es auf eine Konfrontation ankommen - und will zur Bürgerschaftswahl antreten.
Hamburg. Einen Tag nach dem Beschluss des Grünen-Landesvorstandes, ein Parteiausschlussverfahren gegen sie einzuleiten, hat sich die frühere Bürgerschaftsvizepräsidentin Nebahat Güçlü am Dienstag in einer schriftlichen Erklärung zur Wehr gesetzt. Wie berichtet, war Güçlü, die seit zwei Jahren Vorsitzende der türkischen Gemeinde Hamburg ist, als Rednerin bei einer Veranstaltung der als extrem nationalistisch geltenden Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland aufgetreten, zu der die Ülkücü-Bewegung zählt, deren Mitglieder sich „Graue Wölfe“ nennen.
Laut Verfassungsschutzbericht liegt der Bewegung „ein übersteigerter türkischer Nationalismus zugrunde, der mit einer Überhöhung der eigenen Ethnie und einer Abwertung anderer Ethnien gepaart ist“. Die „Grauen Wölfe“ werden für viele Morde in der Türkei verantwortlich gemacht. Die Parteiführung hatte Güçlü aufgefordert, auf ihre Kandidatur auf Platz 25 der Landesliste zu verzichten. Da die 49-jährige Germanistin und Politologin das ablehnte, entschied der Vorstand, sie auszuschließen. Sie habe mit dem Auftritt gegen grüne Grundwerte verstoßen.
„Ich habe bereits bei der Bürgerschaftswahl 2008 gemeinsam mit Kandidatinnen und Kandidaten aller anderen größeren Parteien an einer Wahlveranstaltung dieses Vereins in dessen Räumlichkeiten teilgenommen. Damals war die Einladung über meine Partei an mich herangetragen worden“, konterte Güçlü nun in einer persönlichen Erklärung. „Damals wie heute war mir klar, dass diese Organisation eine rechtsnationale Orientierung verfolgt. Jedoch war mir damals wie heute die Nähe zu den ,Grauen Wölfen‘ nicht bekannt.“
Lesen Sie hier die Erklärung von Nebahat Güclü im Wortlaut:
Hinzu komme, dass sich seit dem damaligen Auftritt der Verein und die ihm nahestehende Partei MHP nicht weiter radikalisiert, sondern eher in Richtung einer Mäßigung entwickelt habe. „Der Verein bekennt sich ausdrücklich zum deutschen Grundgesetz. Im Jahr 2014 hat die MHP mit der sozialdemokratischen CHP einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Es war für mich somit nicht vorhersehbar, dass der Landesvorstand der Grünen den Dialog anders als noch 2008 mit diesem Verein nunmehr offenbar grundsätzlich ablehnt.“ Sie selbst lehne das rechtsnationale Gedankengut der MHP strikt ab, so Güçlü. „Ich stehe jedoch seit Jahrzehnten mit meiner Person für den Dialog zwischen Kulturen und Weltanschauungen. Es wäre ein Fehler, allen 1500 Besuchern dieser Veranstaltung eine extremistische Haltung zu unterstellen. Alle Parteien haben die Aufgabe, Migranten für unsere Demokratie und für Toleranz zu gewinnen – wir dürfen gerade die jungen Muslime nicht den Radikalen überlassen, sondern müssen um sie mit unseren Werten werben.“
Parteivorstand formuliert Antrag noch in dieser Woche
Auch wenn sie die „nun offenbar vertretene Meinung des grünen Landesvorstands“ nicht teile, akzeptiere und respektiere sie dessen Auffassung für die Zukunft. „Ich lasse es jedoch nicht zu, meine Integrität als überzeugte Antirassistin und Demokratin infrage zu stellen“, so Güçlü. „Ich leiste nunmehr drei Jahrzehnte Integrationsarbeit in Hamburg – seit vielen Jahren auch bei den Grünen. Trotz dieser für mich persönlich sehr schmerzlichen, mich menschlich tief enttäuschenden und rechtlich unverhältnismäßigen Maßnahme des Landesvorstands bin ich weiterhin mit Leib und Seele Grüne.“ Sie sei überzeugt, „dass der Ausschlussantrag vor dem Landesschiedsgericht keinen Erfolg haben wird“. Ihre Mitgliedschaft bei den Grünen und ihre Kandidatur für die Bürgerschaftswahl erhalte sie aufrecht. Am Dienstagabend wollte der Vorstand der Türkischen Gemeinde Hamburg beraten, wie man sich zu den Vorwürfen gegen die Vorsitzende verhalte. Vorher wollte niemand dazu eine Erklärung abgeben.
Der stellvertretende Grünen-Landesvorsitzende Manuel Sarrazin bekräftige am Dienstag, dass man Güçlü ausschließen wolle. Wohl noch in dieser Woche werde der Landesvorstand den Antrag beim Landesschiedsgericht einreichen. Dessen Mitglieder Ernst Medecke, Heike Opitz und Bettina Kähler müssen darüber entscheiden, ob die Vorwürfe für einen Ausschluss reichen. „Für uns hat sie mit dem Auftritt der Partei Schaden zugefügt und gegen unsere Grundwerte verstoßen“, bekräftige Sarrazin. Als nächste Instanz kann das Bundesschiedsgericht und schließlich ein Zivilgericht angerufen werden. Wie lange sich das Verfahren hinziehen werde, sei derzeit nicht absehbar, hieß es.
Zu der Aussage Güçlüs, sie habe 2008 auf Bitten der Partei eine Veranstaltung derselben Organisation besucht, gab es keine erhellende Auskunft. „Wir können das im Augenblick nicht nachvollziehen“, sagte Parteisprecherin Silke Lipphardt. „Klar ist aber, dass wir uns vor der Teilnahme an Veranstaltungen üblicherweise über den Veranstalter informieren und bei Zweifelsfällen unsere Fachleute um Einschätzung bitten. Fachsprecherin für Migrationspolitik war damals Nebahat Güçlü.“