Am Tag zwei der Bürgerschafts-Marathonsitzung geht es immer ums Geld – und manchmal auch um Frikadellen. Selten waren Hamburger Haushaltsberatungen derart blutleer wie in diesen Tagen.

Hamburg. Es kommt nicht oft vor, dass eine Haushaltsdebatte mit einer richtigen Neuigkeit aufwartet. Viele Anträge sind häufig schon im Vorfeld öffentlich besprochen worden. Am zweiten Tag der dreitägigen Beratungen überraschte Innensenator Michael Neumann (SPD) am Ende seiner Rede zu seinem Haushalt mit einer Personalie: „Erlauben Sie mir noch eine persönliche Anmerkung: Der Haushalt ist eine gute Grundlage, meine Arbeit als Innensenator in den kommenden Jahren fortzusetzen.“

Dies war aus zweierlei Gründen bemerkenswert. Zum Ersten kam dieses klare Bekenntnis unerwartet. Seit Monaten wabert das Gerücht, Neumann wolle nach der Wahl, bei der nach den bisherigen Meinungsumfragen die SPD wohl wieder die Regierung stellen wird, nicht mehr als Innensenator zur Verfügung stehen. Von Amtsmüdigkeit war die Rede. Wer es wissen wollte, hätte Neumanns wahre Meinung auch erfahren können. Doch da die Gerüchte mittlerweile öffentlich geworden sind, wollte Neumann die Diskussion auf diese Weise beenden.

Zum Zweiten ist es bemerkenswert, weil die klare Aussage Neumanns als das Highlight dieses Tages in der Bürgerschaft bezeichnet werden kann. Was sich schon tags zuvor bei der Generaldebatte angekündigt hatte, führte sich leider am Dienstag fort. Es ging genauso zahm und unspektakulär weiter.

Selten waren Haushaltsberatungen derart blutleer wie in diesen Tagen – da waren sich viele Beobachter einig. Und das zwei Monate vor der Bürgerschaftswahl. Wann, wenn nicht jetzt, ergibt sich die Möglichkeit, das Parlament als große Bühne für die Abrechnung mit der Regierung zu nutzen? Stattdessen präsentierten sich viele Abgeordnete der Opposition ausgebrannt und ideenlos. Da fiel schon eher der SPD-Wirtschaftsexperte Jan Balcke auf. Der lobte die Politik von Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) mit derart viel Verve, dass man glauben konnte, er wolle ihn überhaupt erst für das Amt vorschlagen. Es war einer der letzten Auftritte Balckes. Er kandidiert nicht mehr für die Bürgerschaft.

Auch nicht mehr in der Bürgerschaft, allerdings nicht auf eigenen Wunsch vertreten sein wird Kai Voet van Vormizeele. Der CDU-Innenexperte hat kaum Chancen auf einen Wiedereinzug. Gut möglich, dass er deshalb nicht voll auf Attacke-Kurs war, sondern eine in Teilen präsidiale Rede hielt. Zwar behauptete er, die Stimmung in der Polizei sei so schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Ansonsten stellte er sich schützend vor den Verfassungsschutz. Dieser sei wichtig für eine „wehrhafte Demokratie“. Und wer ihn abschaffen wolle, der verfolge Ziele, die er, Vormizeele, nicht teilen wolle. Nur will die SPD den Verfassungsschutz gar nicht abschaffen – von der erhielt der innenpolitische Sprecher der CDU sogar Applaus.

Anders ging die Grüne-Innenpolitikerin Antje Möller das Thema Inneres an. Sie sprach von „fehlendem Mitgefühl“ in Sachen Ausländerrecht. „Es gibt wieder Abschiebungen im Morgengrauen.“ Und Christiane Schneider, die sich eine Abschaffung des Verfassungsschutzes gut vorstellen kann, provozierte den Innensenator immerhin mal richtig. „Sie hätten nach Schill und Ahlhaus die Chance gehabt, die Polizei zu einer modernen Großstadtpolizei zu machen.“

Als Schulsenator Ties Rabe (SPD) in die Haushaltsdebatte zu seinem Ressort einstieg, machte er das, was ihm die Opposition durch die Bank vorwarf – er präsentierte Zahlen: 140 neue Schulkantinen in den vergangenen vier Jahren, 75 Prozent der Grundschulkinder nehmen an den Ganztagsangeboten teil, zusammen sind das 40.000 Kinder, doppelt so viel wie vor der laufenden Legislaturperiode, 1,2 Milliarden Euro Investitionen in den Schulbau.

Dabei hatte die Grüne-Bildungspolitikerin Stefanie von Berg ihm vorgehalten, sich „mit einer Mauer aus Zahlen“ zu umgeben. „Ständig präsentiert er Tabellen, Kurven und Diagramme. Diese Mauer aus Statistikdaten versperrt ihm aber leider den Blick auf das, was dahinter ist: die Probleme und Baustellen des Schulsystems.“ Rabe bemesse die Qualität des Ganztages „an der Kerntemperatur von Frikadellen und an wenig aussagekräftigen Teilnahmequoten“. Die Unterrichtsqualität solle an der Zahl neuer Lehrkräfte ablesbar sein und die Qualität der Stadtteilschulen und Gymnasien im Schüler-Lehrkräfte-Quotienten. Das reiche nicht.

Karin Prien (CDU) meinte, dass „gemessen an dem eigenen Wahlversprechen, die Qualität der Schulen zu verbessern, der SPD-Senat auf voller Linie versagt“ habe. Die Defizite des Hamburger Abiturs hätten sich verschärft und die Leistungen der Hamburger Schüler in den Basisfächern Deutsch und Mathe seien ebenfalls schlechter geworden. „Probleme des Hamburger Schulsystems hat die SPD nicht gelöst. Änderungen erfolgen immer mit dem gleichen Schema: Masse um jeden Preis, aber ohne Klasse. Ohne eine grundlegende Analyse des Effizienz- und Steuerungsdefizits im Hamburger Schulsystem ist aus unserer Sicht eine Qualitätsverbesserung nicht zu erreichen.“

Auch Anna von Treuenfels (FDP) hatte sich zuvor an Rabes Vorliebe für Zahlen gestoßen. „Seit Amtsantritt lässt Rabe ununterbrochen neue Statistiken über Schüler, Lehrer oder Schulressourcen zusammenrechnen. Politische Schlüsse für mehr Qualität im Unterricht hat er in den letzten vier Jahren aus diesem Zahlenwust aber nicht gezogen.“ Das müsse sich dringend ändern. „Die mangelnde Qualität etwa des Rechtschreibunterrichts in den Grundschulen, von Mathe und Naturwissenschaften in den weiterführenden Schulen oder das steigerungsfähige Niveau des Hamburger Abiturs verlangen Verbesserungen.“ Deshalb beantragte die FDP die Einführung klarer Kennzahlen im Haushalt: Qualität im Unterricht müsse messbarer und erreichbarer werden. Vergebens. Sämtliche Anträge der Oppositionsfraktionen wurden mit der SPD-Mehrheit abgelehnt.