Opposition kritisiert Verzögerung der Volksbefragung: Regierende SPD finde Ausflüchte und spiele auf Zeit. Die rechtliche Möglichkeit zu einem solchen Referendum gibt es zudem bislang in Hamburg nicht.

Hamburg. Das könnte für Hamburg sehr peinlich werden: Bislang fehlen die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 in einem sehr entscheidenden Punkt. Wenn sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) für Hamburg als Kandidatenstadt für die Olympischen Spiele 2014 oder 2028 aussprechen sollte, dann müssen die Hamburger nach ihrer Meinung befragt werden. Und: Nur wenn es ein klares Votum für die Spiele in einer solchen Abstimmung gibt, stellt sich Hamburg als deutscher Bewerber der internationalen Konkurrenz um die Ausrichtung der Spiele.

Das Problem: Die rechtliche Möglichkeit zu einem solchen Referendum, bei dem Bürgerschaft und Senat die Wahlberechtigten zu einer Einzelfrage an die Urnen bitten, gibt es bislang in Hamburg nicht. Die Verhandlungen im Verfassungsausschuss der Bürgerschaft stocken seit Monaten, besser gesagt: Sie finden gar nicht statt. Mittlerweile gilt es sogar als unwahrscheinlich, dass eine Einigung noch vor der Bürgerschaftswahl am 15. Februar zustande kommt.

„Seit Monaten haben wir versucht, einen konkreten Fahrplan zu verabreden. Die SPD findet aber immer neue Ausflüchte für Terminverschiebungen. Hier wird auf Zeit gespielt“, sagt Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. „Das Zeitfenster bis zur Wahl ist äußerst knapp. Die SPD muss jetzt sagen, was sie will“, sagt auch der CDU-Verfassungspolitiker André Trepoll. Die Union hatte bereits im Mai einen eigenen Vorschlag für ein Volksbefragungsgesetz vorgelegt.

Die SPD hat den vier anderen Fraktionen erst jetzt einen Entwurf für eine Verfassungsänderung zur Schaffung eines Referendums vorgelegt. „Wir sind auf der Basis unseres Vorschlags zu Gesprächen bereit“, sagt SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Ob es aber zu einer Verständigung noch vor der Wahl kommt, weiß auch Dressel nicht. „Das ist offen“, so der SPD-Politiker.

Die Einführung eines Referendums als eine Art „Volksbefragung von oben“ ist in der SPD umstritten. Die Skepsis mancher Parteifreunde gegenüber einem weiteren Ausbau plebiszitärer Elemente dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass sich die Sozialdemokraten so lange Zeit gelassen haben. Immerhin: Der jetzige Vorschlag, der auf eine Änderung der Verfassung zielt, ist laut Dressel Konsens in der SPD.

Allerdings legt die SPD die Hürden sehr hoch: Ein Referendum soll nur dann abgehalten werden, wenn zwei Drittel der Bürgerschaftsabgeordneten einen entsprechenden Antrag stellen. Der Senat muss dem Vorhaben zustimmen, das dann wiederum mit Zweidrittelmehrheit von der Bürgerschaft beschlossen werden muss. „Wir wollen keine Inflation von Referenden“, sagt Dressel. Die hohen Hürden setzten voraus, dass sich Regierung und Opposition auf Thema und Fragestellung verständigten und dadurch sichergestellt sei, dass das Referendum dem tagespolitischen Streit enthoben sei. „Wir wollen nur Themen vom Kaliber Olympia“, sagt der SPD-Fraktionschef.

Hartnäckig hält sich allerdings das Gerücht, dass die SPD eine Entscheidung über die Einführung von Referenden am liebsten in die nächste Legislaturperiode verschieben würde. Ende März wird der DOSB sich nach jetzigem Stand für Hamburg oder Berlin als nationaler Bewerberstadt entscheiden. Sollte Hamburg das Nachsehen haben, so das Kalkül bei manchen Sozialdemokraten, gäbe es gar keinen Grund mehr, das ungeliebte Instrument Referendum in Hamburg einzuführen.

Im Entwurf für das SPD-Wahlprogramm, das am Wochenende beschlossen werden soll, steht nur, dass sich die SPD „die Schaffung eines von Senat und Bürgerschaft gemeinsam initiierten Referendums als Ergänzung vorstellen“ könne. Das verpflichtet zu nichts.

„Bislang schien es Konsens in der Politik, dass am Ende die Bevölkerung in einem Referendum über Olympia abstimmen soll. Jetzt haben wir Zweifel, ob die SPD zu dieser Zusage stehen will“, sagt der Grüne Kerstan. Zudem habe der Senat die für Herbst angekündigte Antwort auf ein bürgerschaftliches Ersuchen zu möglichen Kosten der Spiele noch immer nicht geliefert. Die Folge: Eine Meinungsumfrage, die der DOSB im Februar in Hamburg und Berlin durchführen will, wird wohl ohne Klärung der finanziellen Fragen stattfinden. Das Ergebnis der Umfrage wird entscheidend für die Wahl des DOSB zwischen beiden Städten sein. „Eine Abstimmung über die Ausrichtung der Spiele muss in Kenntnis der Kosten und Risiken stattfinden“, fordert auch der Landesvorstand der Grünen.

Nach der Bürgerschaftswahl kann die Politik in Sachen Olympia-Referendum schnell unter Zeitdruck kommen. Noch sind die Positionen der Fraktionen weit voneinander entfernt, sodass fraglich ist, ob eine Einigung bis zur Sommerpause gelingen kann. Die Olympia-Abstimmung soll im September stattfinden. Anders als die SPD halten die Grünen die einfache Mehrheit der Bürgerschaft für ausreichend, damit ein Referendum initiiert werden kann. Die CDU will die Verfassung nicht ändern, sondern nur ein Volksabstimmungsgesetz, das Befragungen des Volkes ermöglicht, deren Ergebnis die Bürgerschaft rechtlich aber nicht bindet.