Die Transparenz kommt an: Mehr als 190.000 Seitenaufrufe, obwohl das Portal offiziell erst im Oktober startet. Die Hamburger suchen nach Gehältern, Hochbahn und Elbphilharmonie.

Hamburg. Es ist ein in Deutschland einmaliges Projekt – und scheint vom Start weg zu einem Erfolg zu werden. Seit vergangenem Donnerstag können die Bürger alle wesentlichen Akten der Hamburger Verwaltung im Internet abrufen. Im neuen Transparenzregister unter transparenz.hamburg.de lassen sich seither alle staatlichen Gutachten, Vermessungs- oder Luftmessdaten, Senatsentscheidungen oder die Empfänger von Subventionen einsehen, ebenso wie ein Baumkataster, das sämtliche Straßenbäume ver- und bezeichnet und dazu fast alle Verträge, die Hamburg mit Unternehmen schließt.

Vieles davon wurde früher lieber unter Verschluss gehalten. Jetzt aber hat der Senat gemäß dem seit 2012 geltenden bundesweit einmaligen Hamburger Transparenzgesetz Schriftstücke im Umfang von rund 33 Millionen DIN-A4-Seiten digital aufbereitet, um sie den Bürgern jederzeit unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Das ist nicht nur eine technische Herausforderung gewesen – es ist auch ein Bruch mit den spätestens seit dem 19. Jahrhundert gültigen Prinzipien von Staatsverwaltung und Beamtentum, in der Verschwiegenheit zu einem der wichtigsten Gebote gehörte.

Offiziell geht das Transparenzportal am 1. Oktober online. Aber schon jetzt kann eine Beta-Version genutzt werden. Firmen können alle Daten kostenfrei verwenden – etwa zur Erstellung von Smartphone-Anwendungen, die zum Beispiel Geodaten nutzen. Seit der Freischaltung und den ersten Berichten im Hamburger Abendblatt setzte ein Ansturm interessierter Bürger auf das Portal ein.

„Wir sind sehr zufrieden mit dem Start“, sagte der für das Projekt zuständige Justiz-Staatsrat Nikolas Hill der „Welt am Sonntag“. „Das Transparenzportal wird gut angenommen. Bereits in den ersten 24 Stunden haben die Bürgerinnen und Bürger mehr als 50.000-mal unsere Seiten angeklickt, bis Freitagnachmittag waren es schon 190.000 Seitenaufrufe.“

Das verdienen die Chef städtischer Hamburger Unternehmen

Am stärksten interessieren sich die Besucher laut Justizbehörde dabei bisher für das Baumkataster, die Elbphilharmonie-Verträge und für die Themen Gehälter, Hochbahn und Polizei.

Hamburg hat sich bei der Erstellung des Transparenzportals von ungewöhnlicher Seite helfen lassen: Sowohl die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International als auch die Hacker vom Chaos Computer Club haben die Behörden beim Aufbau des Registers unterstützt. Die Zusammenarbeit hat einen simplen Grund: Es waren diese beide Gruppen, die mit dem Verein Mehr Demokratie 2011 die Volksinitiative „Transparenz schafft Vertrauen“ ins Leben riefen.

Nachdem diese die erste Hürde der Volksgesetzgebung genommen hatte, übernahm die Bürgerschaft das Anliegen weitgehend. Bereits seit Oktober 2012 mussten staatliche Institutionen auf Antrag Dokumente der Verwaltung herausgeben. Zwei Jahre später ist die Stadt nun zur automatischen Veröffentlichung verpflichtet.

Auch bei den ursprünglichen Initiatoren kommt das nun deutlich vor der vom Gesetz eingeräumten Frist gestartete Portal gut weg. „Wir im Bündnis ‚Transparenz schafft Vertrauen’ wurden vor der vorzeitigen Freischaltung des Portals positiv überrascht“, sagt Gregor Hackmack vom Verein „Mehr Demokratie“. „Gesetzlich vorgeschrieben wäre ja eigentlich erst der 6. Oktober 2014. Wir sind sehr angetan von der hochprofessionellen Umsetzung und der einfachen Bedienbarkeit des Transparenzportals.“

Zum Inhalt können man zwar noch nicht viel sagen, man habe aber einen „sehr guten ersten Eindruck“, sagte Hackmack. So seien etwa die Verträge zur Elbphilharmonie leicht auffindbar. „Wir gehen davon aus, dass ab 6. Oktober alle gesetzlich vorgeschrieben Informationen im Portal auffindbar sein werden. Jetzt gratulieren wir erst einmal unserer Hamburgischen Verwaltung zum erfolgreichen Start und sagen Danke!“

Ähnlich positiv fällt die Bewertung des Chaos Computer Club aus. „Die Stadt hat gute Arbeit geleistet und das Portal sehr gut umgesetzt“, sagte deren Vertrauensperson im Transparenzbündnis, Michael Hirdes.

Dieser weist aber zugleich auf einen nach wie vor schwelenden Streit bei dem Projekt hin. So ist nach wie vor umstritten, ob nach dem Transparenzgesetz auch die sogenannte „mittelbare Staatsverwaltung“ verpflichtet ist, ihre Dokumente und Akten in das öffentliche Register einzustellen. In dieses Kategorien fallen etwa Handelskammer, Hochschulen oder der NDR.

Vor allem die Handelskammer weigert sich weiterhin, Akten in das Transparenzregister zu geben. „Bisher hat sich die Kammer noch nicht dazu entschließen können, ihre Dokumente ebenfalls in das städtische Register aufnehmen zu lassen“, sagt Justiz-Staatsrat Hill. „Die Einladung an die Handelskammer zur Aufnahme ihrer Dokumente in das städtische Register steht aber selbstverständlich weiterhin.“

Gut möglich, dass am Ende Gerichte werden klären müssen, ob die mittelbare Staatsverwaltung verpflichtet ist, ihre Daten ins Portal einzustellen.

Besonders stolz ist man im Senat darauf, dass man nicht nur im vorgegebenen Zeitrahmen geblieben ist – sondern auch nicht mehr Geld ausgegeben hat als die veranschlagten 5,2 Millionen Euro. Nun hofft man, dass andere Bundesländer nachziehen.

„Das, was wir hier in Hamburg machen, ist bundesweit einmalig“, sagt Staatsrat Hill. „Und ich bin überzeugt, dass es für viele andere Bundesländer ein Vorbild sein wird.“