Noch nie haben sich so viele Hamburger Schüler für die Ganztagsbetreuung angemeldet wie im bald beginnenden neuen Schuljahr. Auch einige Neuerungen im Unterricht treten nun in Kraft.

Hamburg. Mittags Schulschluss, und dann nach Hause zum Mittagessen und Hausaufgaben machen – in Hamburg gehört das für die meisten Schüler endgültig der Vergangenheit an. Zum Beginn des neuen Schuljahrs am Donnerstag meldet die Schulbehörde einen neuen Anmelderekord für die Ganztagsangebote.

Danach bleiben künftig drei von vier Grundschülern auch nachmittags in der Schule. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung von 20 Prozent. Dahinter steht der massive Ausbau des Angebots der Grundschulen mit Ganztagsbetreuung von 49 auf 202 in den vergangenen drei Jahren.

Insgesamt wurde die Zahl der Plätze in der Nachmittagsbetreuung in der Hansestadt von 20.000 auf jetzt 44.000 mehr als verdoppelt. „Der kraftvolle Ausbau war genau richtig, Hamburgs Eltern und Kinder finden Ganztagsangebote gut“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag. Nach seinen Angaben gibt Hamburg im Jahr bis zu 200 Millionen Euro für die Ganztagsbetreuung aus.

Von den 202 staatlichen Grundschulen bieten 124 eine ganztägige Betreuung gemeinsam mit einem Kooperationspartner an (GBS-Modell), 78 Schulen sind klassische Ganztagsschulen in eigener Verantwortung. Auch an den Stadtteilschulen ist Ganztagsbetreuung inzwischen die Regel: 56 der insgesamt 59 staatlichen Stadtteilschulen haben ein Ganztagsangebot. Im vergangenen Jahr waren es noch 28.

Die 60 staatlichen Gymnasien gelten bereits seit 2010 als Ganztagsschulen besonderer Prägung. Zu der Kritik, die es in der Vergangenheit immer wieder an dem schnellen Ausbau des Ganztagsangebotes gegeben hatte, sagte Rabe. „Sicher gibt es bei einem so gewaltigen Programm immer auch Kinderkrankheiten und Anlaufschwierigkeiten. Jetzt geht es darum Schritt für Schritt die Qualität weiter zu steigern.“

Der Schulsenator konnte noch mit einer weiteren Überraschung aufwarten: Während in anderen Bundesländern die Schülerzahlen sinken, verzeichnet Hamburg erneut einen Anstieg. Danach besuchen im Schuljahr 2014/15 etwa 3000 Jungen und Mädchen mehr die staatlichen allgemeinen Schulen. Insgesamt gibt es 243.000 Schüler. Davon sind 14.100 Erstklässer, 800 mehr als 2013. Zuwächse gibt es vor allem in den innerstädtischen Regionen Altona und Eimsbüttel sowie in Sasel und Wellingsbüttel.

Die durchschnittliche Klassenfrequenz an den Grundschulen ist leicht gestiegen und liegt jetzt bei 21,1 Schüler (2013: 20,9), an den Stadtteilschulen sind es 21,1 Schüler (21,9). Rechnerisch zwei Schüler weniger sind in Gymnasialklassen, die Frequenz sank von 26,8 im Vorjahr auf 24, 3.

Rechtschreiboffensive an Grundschulen soll starten

Weitere Neuerungen: Im neuen Schuljahr soll an den Grundschulen eine Rechtschreiboffensive starten, in dessen Rahmen für alle 204 Grundschulen schrittweise ein Basiswortschatz mit 785 Wörtern eingeführt werden soll. Ein neues Konzept gibt es auch für das Schulschwimmen, das künftig in der Grundschulzeit konzentriert wird.

An den Stadtteilschulen werden die Lernbereiche „Naturwissenschaften“ und „Geisteswissenschaften“ wieder aufgelöst. Stattdessen werden wieder die klassischen Fächer wie Biologie, Chemie, Informatik oder Geschichte und PGW (Politik, Gesellschaft, Wirtschaft) unterrichtet.

Umgesetzt werden sollen zudem Verbesserungen bei der Umsetzung des Turbo-Abis an Gymnasien, unter anderem gilt eine künftig die Obergrenzen in Klasse 5/6 von 30/31 Wochenstunden, in den Jahrgängen 7 bis 10 dürfen nicht mehr als 34 Wochenstunden Unterricht erteilt werden. Auch für die Verteilung der Klassenarbeiten gibt es klare Festlegungen. Danach sollen pro Woche nicht mehr als zwei, pro Monat nicht mehr als sieben Klausuren geschrieben werden.

Die Maßnahmen sind eine Reaktion auf den Volksentscheid zur Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums, für den ab 18. September die Unterschriftensammlung beginnt. Die Initiative hatte in den vergangenen Monaten für viel Unruhe im Senat gesorgt. Jetzt gab sich Schulsenator Rabe betont gelassen. Rückenwind bekommt er durch einer neuen bundesweiten Vergleichsstudie der Bildungssysteme. Der Bildungsmonitor 2014 vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass das G8 im Vergleich zum G9 deutschlandweit keine relevanten Auswirkungen auf die bildungsbezogenen Freizeitaktivitäten und Lebenszufriedenheit der Schüler hat.

Auch die Leistungen der Schulabsolventen unterscheiden sich zwischen G8- und G9-Schülern kaum. Die INSM fordert daher, dass die Schülerinnen und Schüler nicht länger als Versuchskaninchen der Bildungspolitik behandelt werden dürfen. Pellengahr: „Sowohl ein Blick in die Bundesländer, in denen das Abitur nach acht Jahren nie zur Disposition stand, als auch ins europäische Ausland zeigen uns: die allgemeine Hochschulreife nach zwölf Schuljahren zu erreichen, stellt kein Problem für Schülerinnen und Schüler dar und sollte daher nicht aufgegeben werden.“

Hamburg hat sich nach der Untersuchung im Ländervergleich zum Vorjahr um einen Platz auf Rang fünf verbessert. Ganz vorn liegen Sachsen, Thüringen, Bayern, und Baden-Württemberg. Schlusslicht ist Berlin.

Als erste Reaktion auf die alljährige Vorstellung zum Schulbeginn, warf die CDU dem Senat Etikettenschwindel in Sachen Ganztagsbetreuung vor. „Die Zahlen zu den Ganztagsschulen beschreiben den quantitativen Ausbau der Nachmittagsbetreuung und haben mit guten Ganztagsschulen nichts zu tun“, sagte die schulpolitische Sprecher, Karin Prien. Nur bei 37 Prozent der Grundschulen handele es sich um echte Ganztagsschulen, im Übrigen lediglich um Angebote der ganztägigen Bildung und Betreuung, bei denen eine Verzahnung von Vormittag und Nachmittag kaum stattfinden könne. „Gleichzeitig herrschen insbesondere an vielen Hamburger Grundschulen sehr unbefriedigende Zustände in der Nachmittagsbetreuung“, so die Schulexpertin.