Mit 94,8 Prozent wurde Bürgermeister Olaf Scholz als SPD-Landesvorsitzender im Amt bestätigt. In seiner Rede warb er für seine Politik und forderte eine Änderung des komplizierten Wahlrechts.

Hamburg. Die Reihen schließen, die Parteiführung um den Bürgermeister mit einem guten Ergebnis in den Wahlkampf schicken, und die eigenen Erfolge betonen – das war die selbst gesteckte Vorgabe, und so gesehen hat die Hamburger SPD einen gelungenen Parteitag absolviert.

Mit stolzen 94,8 Prozent der Stimmen wurde Bürgermeister Olaf Scholz als SPD-Landesvorsitzender im Amt bestätigt. Nur 13 der 305 Delegierten im CCH stimmten am Sonnabend gegen ihn, drei enthielten sich. Bei seiner letzten Wahl vor zwei Jahren hatte Scholz, der die Partei seit 2009 führt, ebenfalls gut 94 Prozent der Stimmen erhalten. Sorge um Rückhalt aus den eigenen Reihen muss sich „König Olaf“, wie der 56-Jährige mitunter mit Blick auf seine unangefochtene Doppelrolle als Bürgermeister und Parteichef ehrfürchtig tituliert wird, also weiterhin nicht machen.

Auch die Wahl seiner Stellvertreter lief reibungslos ab. Inka Damerau (76 Prozent), Nils Weiland (84 Prozent) und Melanie Leonhard (86 Prozent) wurden mit guten bis sehr guten Ergebnissen gewählt. Die 36 Jahre alte Leonhard gilt seit ihrem erstmaligen Einzug in die Bürgerschaft als eine der größten Aufsteigerinnen der SPD. Die Historikerin und Sozialexpertin hat sich in kurzer Zeit einen glänzenden Ruf erworben. Da die Parteispitze ohnehin „weiblicher“ werden sollte, übernimmt die Harburgerin im Vorstand den Platz von Frank Richter, der als Harburger SPD-Kreisvorsitzender dem Gremium aber noch qua Amt angehört. Richter und die anderen Kreisfürsten Johannes Kahrs (Mitte), Milan Pein (Eimsbüttel), Mathias Petersen (Altona), Ties Rabe (Bergedorf), Karl Schwinke (Wandsbek), Peter Tschentscher (Nord) wurden ebenfalls bestätigt, wobei Finanzsenator Tschentscher mit 89 Prozent das beste Ergebnis erzielte, Kahrs mit 65 Prozent das schwächste.

Acht Monate vor der Bürgerschaftswahl warben sowohl Scholz in einer gut einstündigen Rede als auch Andreas Dressel, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft, in einer kurzen Ansprache vor allem für die SPD-Politik der vergangenen dreieinhalb Jahre. „Wir haben gute Arbeit geleistet“, sagte Scholz und rief dazu auf, Ehrgeiz zu zeigen. „Wir sollten alles dafür tun, dass wir ein Wahlergebnis bekommen, das diese gute Arbeit der sozialdemokratischen Partei widerspiegeln wird“, sagte der Vorsitzende, dessen Partei im Februar 2011 satte 48,5 Prozent und damit die absolute Mehrheit der Stimmen bekam.

Viel Raum widmete Scholz dem „Anschwellen der Flüchtlingsströme“. Scharf wies er Vorwürfe zurück, der SPD-Senat tue nicht genug für diese Menschen. „Wir geben etwa 250 Millionen Euro im Jahr für Flüchtlinge aus“, sagte Scholz. „Das ist eine Menge Geld. Und es ist eine große Herausforderung für diese Stadt.“ Hamburg müsse etwa 14.000 Plätze für Flüchtlinge bereitstellen, 4000 fehlten noch, wobei man für 1600 noch keine Vorstellung habe, wo die entstehen könnten. Wie berichtet, lässt der Senat auch prüfen, ob man erneut Wohnschiffe im Hafen für Flüchtlinge einrichten kann – das hatte es um die Jahrtausendwende bereits gegeben.

Scholz erwähnte diese Möglichkeit zwar nicht, verwies aber eindringlich darauf, wie schwer es sei, Plätze zu schaffen, gleichmäßig über die Stadt zu verteilen, dabei das Baurecht einzuhalten und die Bürger nicht zu verärgern.

Gelingen könne das nur, wenn es in der Bevölkerung eine gewisse Akzeptanz gebe, und dafür sei es wichtig, dass alle Flüchtlinge gleich behandelt würden – eine Anspielung auf die Lampedusa-Gruppe, die für sich eine Sonderregelung fordert. In dem Zusammenhang beklagte sich Scholz, dass die linken Unterstützer der afrikanischen Flüchtlinge, die über die italienische Insel Lampedusa nach Hamburg gekommen, waren, stets nur deren Schicksal beklagten, dabei aber nie erwähnten, was Hamburg alles für Flüchtlinge tue.

Gleiches gelte für das Thema Wohnungsbau, das aus seiner Sicht zu stark vom Abriss eines „Gebäudes mit Tankstelle“ – gemeint waren die Esso-Häuser auf St. Pauli – geprägt werde statt von den 30.000 Wohnungsbaugenehmigungen seit seinem Amtsantritt.

Auch angesichts der jüngsten Debatte über den Wissenschaftsstandort Hamburg beschwerte sich Scholz, manche kritische Rede habe „mit der Wirklichkeit nichts zu tun“. Ausführlich betonte er die Leistungen wie die jüngst eingeweihte HafenCity-Universität, den geplanten Neubau des Campus Bundesstraße sowie den Ausbau des exzellenten Physikbereichs rund um das Desy in Bahrenfeld.

Fraktionschef Dressel präsentierte in dem Zusammenhang einen neuen „politischen Einkaufszettel“ im Postkartenformat, auf dem Punkte wie die Abschaffung von Studien- und Kita-Gebühren, die Sanierung der Straßen, der Ausbau der Ganztagsschulen und die neuen Jugendberufsagenturen als Erfolge der SPD aufgelistet sind. Mit dieser Argumentationshilfe sollen die Parteimitglieder nun in den Wahlkampf ziehen und den Menschen erklären, „das waren wir“, sagt Dressel.

Unabhängig von der Wahl 2015 plädierte Scholz für eine Vereinfachung des Hamburger Wahlrechts, das „viel zu kompliziert“ sei. Das maßgeblich von der Bürgerinitiative „Mehr Demokratie“ entwickelte Wahlrecht gibt jedem Bürger bei Bezirks- und Bürgerschaftswahlen jeweils zehn Stimmen, die auf verschiedene Listen und Personen verteilt werden können. Am 25. Mai, als die Bezirke gewählt wurden, hätten ihm viele durchaus gebildete Bekannte eine SMS geschickt, so Scholz: „Stehe im Wahllokal, was soll ich wählen, Olaf?“