Scharfe Kritik aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Hamburg galt bisher als Hochburg der Forschung in diesem Bereich. Handelskammer warnt vor einer Schließung.
Hamburg. Die Universität Hamburg stellt zum Wintersemester überraschend den bundesweit angesehenen fächerübergreifenden Studiengang Lateinamerika-Studien (LASt) ein. Es werden keine Studierenden mehr zugelassen. Grund sind interner Streit und Finanzierungsprobleme.
„Die Universität schafft einen der wenigen Bereiche ab, in dem sie wirklich exzellent ist“, kritisiert Ulrich Mücke, Professor für die Geschichte Lateinamerikas. Die Bewerberzahl habe die der Studienplätze zuletzt um das Fünffache überstiegen. „Der seit 2012 bestehende Master LASt ist wohl der einzige Studiengang, der neu eingeführt wurde, ohne dass eine einzige Person für Lehre oder Verwaltung eingestellt werden musste“, so Mücke. Die Einstellung sei ein Schildbürgerstreich.
Die Lateinamerika-Studien sind ein bereits seit 1988 angebotener interdisziplinärer Studiengang der Fachbereiche Geowissenschaften, Geschichte, Kulturgeschichte und Kulturkunde, Sozialwissenschaften sowie Sprache, Literatur und Medien. Neben Köln und Berlin ist Hamburg die deutsche Hochburg der interdisziplinären Forschung zu Lateinamerika. Während der Studiengang lange vom Uni-Präsidium finanziert wurde, sollen mittlerweile die Fachbereiche Geschichte und Sprache, Literatur, Medien allein die Kosten tragen – und fühlen sich damit alleingelassen. Es geht um rund 40.000 Euro pro Jahr. Klammheimlich ist nun vom zuständigen Dekan entschieden worden, den derzeit von 120 Studenten belegten Studiengang, in dem bereits 1500 junge Menschen ausgebildet wurden, zum Winter nicht mehr anzubieten.
Kritik daran kommt auch vom renommierten German Institute of Global and Area Studies (GIGA). „Mit der EU-Lateinamerika-Stiftung, dem Lateinamerika Verein, dem Völkerkundemuseum und den Wissenschaftlern am GIGA und der Uni ist Hamburg das dritte große Zentrum für Lateinamerikaforschung“, sagt der kommissarische GIGA-Präsident Detlef Nolte. „Insofern ist es außerordentlich bedauerlich, dass der Studiengang eingestellt werden soll.“ Gerade für eine Handelsmetropole seien derartige Studiengänge wichtig.
Auch die Handelskammer warnt vor einer Schließung. „Der Aufstieg des Hafens und damit der wirtschaftliche Aufstieg der Stadt wurden wesentlich durch die Öffnung des Handels nach der Unabhängigkeit Lateinamerikas befördert“, sagt Geschäftsführer und Kommunikationschef Jörn Arfs. „Seitdem unterhält Hamburg sehr enge Beziehungen zum Kontinent, was die vielen iberoamerikanischen Konsulate belegen. Der Studiengang war ein wichtiger Eckpfeiler, um das dafür notwendige Know-how zu sichern. Ihn abzuschaffen wäre eine falsche Entscheidung.“
Die Schließung sei „eine Folge der verfehlten Hochschulpolitik des Senats“, sagt Grünen-Hochschulpolitikerin Eva Gümbel. „Wir appellieren an Uni und Senat, alle Möglichkeiten zur Rettung der Lateinamerika-Studien auszuloten.“ Gerade habe Hapag-Lloyd mit Südamerikas größter Reederei CSAV fusioniert, „und der Bürgermeister hat bei seiner Reise in die Region die Bedeutung der Beziehungen betont“, so Gümbel. Die Grünen haben dazu eine Kleine Anfrage eingereicht.
Im Uni-Präsidium versucht man zu beschwichtigen. Der Studiengang werde lediglich „reformiert“, hieß es. Eine faktische Schließung als Reform zu verkaufen sei ein schlechter Witz, hieß es dazu von den Betroffenen. Tatsächlich scheinen Präsidium und Politik vom Alleingang des Dekans überrascht worden zu sein. 2015/16 werde der Studiengang wieder angeboten, versichert die Uni-Sprecherin nun plötzlich. Mittlerweile ist man auch im Rathaus alarmiert. Nach Abendblatt-Informationen ist der Senat zu dem Thema bereits mit Uni-Präsident Dieter Lenzen im Gespräch.
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