In Hamburg beginnt eine bundesweite Ausstellung zum Islamismus. Hamburgs Verfassungsschutz-Chef Manfred Murck beobachtet eine Ausbreitung salafistischer Gruppen in der Stadt.
Hamburg. In der Ecke steht eine Kofferbombe im Glaskasten. Der Sprengstoff ist mit einer Menge Klebeband verpackt, Kabel gucken an den Seiten heraus. Die Kofferbombe ist nicht echt, ein Nachbau der Bombe, die Sicherheitsbeamten 2006 in Regionalzügen in Richtung Koblenz gefunden hatten. 2008 wurde ein Islamist wegen versuchten Mordes verurteilt. Die nachgebaute Kofferbombe ist für den Verfassungsschutz das plakative Beispiel, wozu Dschihadisten am Ende einer Radikalisierungsbiografie fähig sind, auch in Deutschland.
Am Mittwoch eröffnete Innensenator Michael Neumann (SPD) die Ausstellung „Die missbrauchte Religion – Islamisten in Deutschland“ in der Hamburger Finanzbehörde. „Der Islam ist eine friedliche Religion, eine Weltreligion, die Anerkennung verdient“, hob Neumann hervor. „Aber Religionen können sich gegen Missbrauch nicht immer wehren.“ Der Innensenator zeigte sich besorgt über das Werben von sogenannten salafistischen Gruppen in der Innenstadt, aber zuletzt auch vermehrt an Schulen. „Diese Islamisten haben mit Freiheit und Rechtsstaat nichts zu tun.“ Hamburgs Verfassungsschutz-Chef Manfred Murck machte eine Zunahme von islamistischen Aktivitäten in Hamburg aus. Seit 2012 habe die Behörde 60 Info-Stände registriert, an denen junge Muslime den Koran verteilen. Die Aktivitäten der Salafisten würden sich auch in den Stadtteilen außerhalb des Zentrums ausbreiten, in Steilshoop, Harburg, Wilhelmsburg. Aber in fast allen Stadtteilen Hamburgs seien Salafisten auszumachen, wenn auch manchmal nur ein bis zwei Personen.
Catrin Rieband vom Bundesamt für Verfassungsschutz hob hervor, dass von den deutschlandweit derzeit 5000 Salafisten viele über Koran-Stände oder Aktionen an Schulen für die Bewegung geworben würden. Die Gefahr sei nicht der Koran, sondern die „rückwärtsgewandte und anti-demokratische Ideologie“ der Salafisten und die Bestrebung einzelner, in den gewaltbereiten Kampf zu ziehen. 300 Personen hätten sich bisher auf den Weg nach Syrien gemacht, um sich Kampfeinheiten von dschihadistischen Gruppen anzuschließen. Sowohl Murck als auch Rieband hoben hervor, dass sich von den mehr als vier Millionen Muslimen in Deutschland nur ein verschwindend geringer Anteil radikalisiere. Die Ausstellung des Bundesamtes, die nun in Hamburg ihre erste Station hat, hat die Islamisten und die verschiedenen Dschihadgruppen im Fokus, die Wege der Radikalisierung durch Propaganda im Internet bis hin zu Terroranschlägen. Nur ein kleiner Teil beschreibt die Ursprünge und die verschiedenen Strömungen des Islam.
Sicherheitsleute und Islamismus-Experten des Bundesamtes konzipierten die Ausstellung, mit der Hamburg und der Bund nun auch Aufklärung und Präventionsarbeit für Schüler leisten wollen. „Die Ausstellung kann ein behördenübergreifendes Beratungsnetzwerk in der Stadt nicht ersetzen“, sagte Murck. Ein von der Sozialbehörde geleitetes Projekt zur Prävention gegen Rechtsextremismus arbeitet bereits seit Jahren. Nach Informationen des Abendblatts laufen derzeit Gespräche über ein Informationsverbund, doch bisher ohne Ergebnis. Auch Rieband vom Bundesamt macht Druck und fordert stärkere Prävention im Bereich Islamismus. „Allein in Nordrhein-Westfalen haben die Sicherheitsbehörden seit Beginn des Jahres einen Zuwachs von 300 Salafisten registriert“, sagte Rieband. Nach Informationen des Abendblatts nehmen auch in Hamburg die Aktionen der radikalisierten, meist jugendlichen Muslime zu. Freitags treffen sich Gruppen bis zu 20 Personen am Hauptbahnhof und verteilen Korane.
Auch die Werbe-Aktionen sind Thema der Ausstellung, die nach Hamburg auch in anderen Bundesländern gezeigt wird. Nur bei der Bildauswahl im kleinen Teil zu den Grundlagen des Islam wurde ein türkischer Muslimverband zu Rat gezogen. Sonst verzichtete der Verfassungsschutz auf externe Beratung, eigene Islamismusexperten konzipierten und schrieben die Beiträge. Auch die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden wird erklärt. Experten für Islamismus unterscheiden in politischen und nicht-politischen Salafismus. Der Verfassungsschutz macht das nicht mehr. „Es gibt keinen unpolitischen Salafismus“, sagt Rieband. Islamwissenschaftler sagen dagegen, dass viele Salafisten fundamentalistisch in ihrem Glauben seien, aber nicht politisch.
Salafisten nennen sich selbst „Salafiyya“, das so etwas wie die Altvorderen bedeutet. Im Weltbild der Salafisten gibt es nur einen Maßstab: den „Willen Allahs“. Ihrem Fundamentalismus ordnen sie alles andere unter. Auch die westliche Demokratie lehnen Teile der Bewegung ab, da sie menschengemacht ist und nicht nach den Geboten Gottes. Salafisten teilen in ihrer Rhetorik die Welt in „gut“ und „böse“, es ist kein Platz für Graustufen. Sie hören auf den Koran, in seiner Originalfassung. Eine moderne Auslegung traditioneller religiöser Gebote lehnen sie strikt ab. Viele Muslime sind in Sorge über die Bewegung, in vielen Moscheen haben Salafisten Gebetsverbot.