Neuer Plan für Landwirtschaft in der Kritik. BUND sieht Naturschutz in Gefahr, der Bezirk Altona den Wohnungsbau. Das Papier soll voraussichtlich noch im Frühjahr vom Senat beschlossen werden.
Hamburg. Etwa ein Fünftel der Hamburger Fläche von 755 Quadratkilometern wird für die Landwirtschaft genutzt. Der Senat will der Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges nun mit einem „Agrarpolitischen Konzept 2020“ Rechnung tragen. In dem knapp 60 Seiten umfassenden Entwurf, der dem Abendblatt vorliegt, setzt er auf eine Förderung der Agrarwirtschaft durch bessere Beratung, intensivere Anwendung neuer Forschungsergebnisse, Stärkung des regionalen Absatzes und des ökologischen Landbaus – und auf eine Absicherung der benötigten Flächen durch die Einrichtung einer „Clearingstelle“. Diese soll bei Interessenkonflikten etwa mit Industrie, Gewerbe oder Wohnungsbau vermitteln und der Agrarwirtschaft „Planungs- und Zukunftssicherheit“ geben. Das Papier, das federführend von der Wirtschaftsbehörde erarbeitet wird, soll voraussichtlich noch im Frühjahr vom Senat beschlossen werden.
Bereits im Vorwege allerdings gibt es Kritik. So warnt der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) vor einer Schwächung des Naturschutzes. Der BUND stört sich vor allem an der im Entwurf beschriebenen Handhabung eines „Ökokontos“. Darauf können „Maßnahmen mit positiver Wirkung auf Natur und Landschaft“ gebucht und als Ausgleich für spätere Eingriffe in die Natur geltend gemacht werden. Das System ist zwar nicht neu, allerdings können nach dem aktuellen Entwurf auch solche Maßnahmen im Ökokonto gutgeschrieben werden, die von europäischen Richtlinien sowieso verlangt werden. Das hieße: Wenn die EU die Pflanzung eines Baumes verlangt, könnte diese auf das Ökokonto geschrieben und im Gegenzug wieder ein Baum gefällt werden. Damit würden EU-Vorgaben faktisch umgangen, moniert BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Das sei „bundesgesetzwidrig“. Dies habe auch eine Expertise der Anwaltskanzlei Mohr ergeben.
Ähnlich kritisch äußert sich auch das Bezirksamt Altona, das mit einem deutlich formulierten Schreiben vom 17. Februar „erhebliche Bedenken“ gegen das Senatskonzept angemeldet hat. „Neben sachlichen Fehlern in der Drucksache wie der Einbeziehung von Flächen des Vertragsnaturschutzes in ein sogenanntes Ökokonto, die nach §16 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz nicht zulässig ist, wird insbesondere die Einrichtung einer ‚Clearingstelle Agrarflächenmanagement‘ für entbehrlich gehalten“, heißt es darin.
Denn, so die Begründung: „Die Einrichtung dieser Stelle würde die bezirkliche Bauleitplanung erheblich behindern.“ Mit anderen Worten: Man fürchtet in Altona offenbar vor allem Konflikte mit dem dringend erforderlichen Wohnungsbau. Sollte das Konzept so beschlossen werden, heißt es im Brandbrief aus dem Bezirk „könnten möglicherweise mit dem Senat geschlossene Vereinbarungen zum Wohnungsbau nicht mehr eingehalten werden“.
Die Wirtschaftsbehörde weist die Kritik zurück. Zum einen sei das Konzept noch nicht abschließend ausgearbeitet, sondern befinde sich noch in der internen Abstimmung, so Behördensprecherin Susanne Meinecke. Im Übrigen seien ausschließlich „mit dem Bundesrecht kompatible Maßnahmen vorgesehen“. So existiere das Ökokonto bereits heute und basiere auf dem Bundesnaturschutzgesetz. „Naturschutzmaßnahmen, für die eine rechtliche Verpflichtung besteht, können dort auch nicht eingebucht werden“, so die Behördensprecherin. „Es gab keine Doppelbuchungen, und es wird auch zukünftig keine geben.“
Die vom Bezirk Altona kritisierte „Clearingstelle“ solle nur in Konfliktfällen befasst werden und „nicht bei allen denkbaren Aktivitäten im Zusammenhang mit Agrarflächen". Somit könnten allenfalls Maßnahmen erschwert werden, die „erhebliche Belastungen der betroffenen Agrarbetriebe befürchten lassen“ und für die die Clearingstelle nach besseren Lösungen suchen solle.
„Manche Kritiker hätten wohl am liebsten gar keine Landwirtschaft mehr in Hamburg“, so Meineckes Vermutung. „Aber das kann ja auch nicht die Lösung sein – schon gar nicht im Sinne einer ökologischen Versorgung mit Produkten aus der Region.“