Wenn Eltern ihre Kinder jeden Morgen in die Schule oder Kita bringen, hat das Vorteile – aber nicht lange.
Nein, früher war nicht alles besser. Aber vieles war anders, und manchmal stutzt man, wenn man sich an bestimmte Dinge erinnert. Zum Beispiel daran, wie das eigentlich damals war, mit den Kindern und den Eltern und der Frage, wie die einen zur Schule oder in den Kindergarten kommen, und was das mit den anderen zu tun hat.
Meine Eltern zum Beispiel haben mich morgens nie irgendwohin mit dem Auto gebracht, was vor allem wohl daran lag, dass es auf meinen Wegen zum Kindergarten oder zur Grundschule nicht eine einzige Straße zu überqueren galt. Aber auch die anderen waren in der Regel allein unterwegs. Lediglich ein paar Kinder, deren Eltern etwas außerhalb wohnten, wurden morgens mit dem Auto abgeliefert, meistens in einer Fahrgemeinschaft. Es waren so wenige, dass es auf der Straße vor der Schule nie Verkehrsprobleme gab, die durch Eltern in ihren Pkw ausgelöst wurden.
Irgendwie ist das heute anders. Es soll Schulen geben, die sogenannte autofreie Tage ausrufen, damit Eltern wie Kinder einmal wieder erfahren können, dass man auch zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Unterricht kommen kann.
Das kleine Verkehrschaos vor diversen Schulen und Kitas ist längst Alltag geworden, manchmal fragt man sich – ja, auch als Mitverursacher! –, ob es überhaupt noch Kinder gibt, die unmotorisiert zur Schule/Kita kommen, so wie man es selbst und selbstverständlich gemacht hat. Zumindest ist es ein bemerkenswertes Bild, wenn früh am Morgen vor der Kita nichts mehr geht, weil alle gefahren werden.
Warum ging das früher anders? Weil Familien damals noch nicht annähernd so viele Autos besaßen wie heute? Weil die Straßen weniger befahren und damit sicherer waren (die Zahlen belegen diese These nicht unbedingt)?
Weil viel mehr Elternteile als heute zu Hause blieben und deshalb gar kein Interesse hatten, das Kind auf dem Weg zur Arbeit im Kindergarten oder in der Schule schnell mal herauszulassen? Weil ohne Fahrservice das Pensum, das einige Kinder heute erledigen (müssen), überhaupt nicht zu schaffen wäre? Oder schlicht, weil viele Kinder gar nicht mehr in eine Kita oder eine Schule gehen, die in der Nähe ihres Wohnortes liegt?
Etwas von jedem ist richtig, und über allem dürfte der Zwang unseres bis ins Detail durchorganisierten Alltags liegen, gemischt mit dem Bedürfnis nach möglichst weitgehender Kontrolle. Und es soll keiner sagen, dass es die Kinder heute schlechter hätten als früher, denn natürlich ist es bequemer, gebracht zu werden, als sich selbst auf den Weg zu machen.
Doch genau das müssen Heranwachsende genauso lernen wie Schreiben, Lesen und Rechnen, nicht zu früh natürlich, aber eben auch nicht zu spät. Allein das Einnehmen von verschiedenen Rollen im Straßenverkehr (Fußgänger, Rad-, Auto- oder Bahnfahrer) ist eine elementare Erfahrung. Irgendwann müssen Eltern ihre Kinder dabei sich selbst überlassen, übrigens im eigenen Interesse: Denn sonst werden sie so lange als Chauffeure benutzt, bis der Sohn oder die Tochter endlich einen Führerschein hat (und dann ist das Auto weg...).
Auf den ersten Blick mag es in einer Großstadt wie Hamburg schwerfallen, die Kinder ihre eigenen Wege (zur Kita und zur Schule) gehen zu lassen, und oft sind die Alternativen vielleicht sogar unkomfortabler. Aber tatsächlich bietet gerade eine Großstadt wie Hamburg auch viele Chancen, dass Kinder extrem sicher, schnell und umweltfreundlich an ihre Ziele kommen. Vielleicht müssen die Eltern dabei einfach noch stärker Vorbild sein. Wer sieht, dass Mama oder Papa jeden Morgen mit dem Bus oder der Bahn oder dem Rad zur Arbeit fährt, der wird gar nicht auf die Idee kommen, es anders zu versuchen...