Der Papst entlässt Hamburgs Erzbischof Werner Thissen in den Ruhestand. Damit endet mit dem heutigen Freitag die Amtszeit des erst zweiten Oberhauptes für 400.000 norddeutsche Katholiken. Nachfolge unklar.
Hamburg/Rom. Die Amtszeit des Hamburger Erzbischofs Werner Thissen ist beendet. Papst Franziskus habe das im vergangenen Jahr aus Altersgründen eingereichte Rücktrittsgesuch Thissens mit Wirkung zum Freitag um 12 Uhr angenommen, teilten der Vatikan und das Erzbistum Hamburg alter Tradition gemäß zeitgleich mit.
Mit dem Rücktritt sei der Hamburger Bischofsstuhl vakant. Nach dem Kirchenrecht wählt das Hamburger Domkapitel in den nächsten Tagen einen Diözesanadministrator. Er leitet das Erzbistum Hamburg, bis der neue Erzbischof in sein Amt eingeführt ist. Bis dahin leitet Norbert Werbs als dienstältester Weihbischof das Erzbistum. Mit der Annahme des Rücktritts ist auch Generalvikar Ansgar Thim nicht mehr im Amt.
Thissen hatte seinen Ruhestand an seinem 75. Geburtstag am 3. Dezember 2013 beantragt. Der Rheinländer hatte das jüngste und zugleich flächenmäßig größte deutsche Erzbistum seit mehr als elf Jahren geleitet.
Thissen nannte die Phase an der Spitze des Erzbistums „eine sehr erfüllte Zeit“. Sein Ziel sei es gewesen, Menschen zum christlichen Glauben zu führen oder sie im Glauben zu bestärken. Seinen Dienst habe die Leitlinie geprägt, dass die lebendige Kommunikation mit Gott und mit den Menschen eine unüberbietbare Lebensqualität schaffe.
Werner Thissen ist der zweite Erzbischof des 1995 errichteten Erzbistums Hamburg. Im Jahr 2003 trat er die Nachfolge von Erzbischof Ludwig Averkamp (1927-2013) an.
Zum Kirchenkreis gehören rund 400.000 Katholiken aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Das Bistum ist das einzige seiner Art über die ehemalige innerdeutsche Grenze hinweg.
Großer Förderer der Ökumene
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz würdigte Thissen in einem Dankesbrief als „verlässlichen Partner und Brückenbauer zwischen katholischer Kirche und unserer Stadt“.
„Sie haben in Ihrer Amtszeit durch Ihr persönliches Engagement nicht nur die Ökumene in Hamburg sehr gefördert, sondern es auch stets verstanden, den gemeinsamen Dialog mit dem Senat zu suchen“, schrieb Scholz.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, würdigte Thissen als nachdenklichen Mahner. „Deinen Weg des Dialogs in unserer Konferenz und Deine freundschaftliche Wegbegleitung habe ich immer geschätzt“, so der Münchner Erzbischof.
Besonders hob er Thissens Engagement für das Entwicklungshilfswerk Misereor hervor. „Deine Reisen in viele Länder, Deine Präsenz in den Notstandsgebieten der Welt und Dein stetes Bemühen, nicht bei den Problemen stehen zu bleiben, sondern eine Lösung zu finden, haben dich in unserer Bischofskonferenz ausgezeichnet.“
In der Missbrauchskrise im Jahr 2010 habe vor allem Thissen den Bischöfen ins Gewissen geredet, dass sie „nicht zur normalen Tagesordnung übergehen dürften, bis wir nicht eine neue Glaubwürdigkeit und neues Vertrauen in der Öffentlichkeit gefunden hätten“, so Marx.
Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel dankte Thissen für seinen 14-jährigen „beeindruckenden Einsatz“ für die Bedürftigen und Unterdrückten. Er habe „den Mächtigen im wahrsten Sinne des Wortes ins Gewissen geredet“ und die unzureichenden Ergebnisse diverser Klimakonferenzen kritisiert. Auch habe er den hohen Fleischkonsum der Deutschen hinterfragt.
Der Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland, Gerhard Ulrich, dankte Thissen „für den guten, verheißungsvollen brüderlichen Weg“. Der Erzbischof habe mit großer Bestimmtheit das ökumenische Gespräch geführt. Die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, Kirsten Fehrs, erklärte, Thissen habe das noch junge katholische Erzbistum Hamburg „in ökumenischem und geschwisterlichem Geist“ gefestigt.
Leidenschaftlicher HSV-Fan
Thissen wurde am 3. Dezember 1938 in Kleve am Niederrhein geboren. Er studierte Theologie und Philosophie in Münster und München. Nach seiner Kaplanszeit arbeitete er unter anderem am Priesterseminar in Münster und ab 1977 im dortigen Generalvikariat. 1974 promovierte er über das Markusevangelium.
Von 1986 bis 1999 war Thissen Generalvikar in Münster, bevor er Weihbischof der westfälischen Diözese wurde. Ende 2002 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Nachfolger von Ludwig Averkamp (1927-2013) als Oberhaupt der 1995 gegründeten Erzdiözese Hamburg. Seit 2000 war er Misereor-Bischof.
Thissen hatte stets auch weltliche Interessen. Vor allem den Fußball begleitet der Kirchenmann bis heute leidenschaftlich. Der scheidende Erzbischof hat schon eine C-Jugend trainiert, ein Buch zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 herausgegeben und ist begeisterter HSV-Fan. „Es zuckt mir manchmal immer noch in den Beinen“, sagte Thissen zu seinem 70. Geburtstag.