Ein Erzbischof, der Fußball liebt und Gedichte schreibt: Seit knapp elf Jahren leitet Werner Thissen das nördlichste der katholischen Bistümer. Im Frühjahr verabschiedet er sich in den Ruhestand.

Hamburg. Mit Papst Franziskus hat er viel gemeinsam, unter anderem die Begeisterung für Fußball: „Gerne würde ich mit dem Papst einmal Tipp-Kick-Fußball spielen“, sagt Hamburgs Erzbischof Werner Thissen im dpa-Interview. Kürzlich ist er von einer Pilgerreise nach Rom zurückgekehrt. „Wir haben miteinander gesprochen, als ob wir uns seit Jahrzehnten kennen“, sagt Thissen, der seit fast elf Jahren das jüngste und zugleich flächenmäßig größte deutsche Erzbistum leitet, das sich von Hamburg bis nach Flensburg, von der Nordsee bis zur Ostsee in Mecklenburg erstreckt. Am 3. Dezember wird der gebürtige Niederrheiner 75 Jahre alt. Und er hat, wie es das Kirchenrecht vorschreibt, Papst Franziskus um seinen Rücktritt gebeten, den dieser Anfang 2014 annehmen will.

Papst Franziskus werde die katholische Kirche verändern, da ist sich Thissen sicher: „Der Papst hat einmal gesagt: „Die Menschen sind das Autoritäre leid“, das heißt also, sein Weg ist der Weg des Gesprächs.“ Der Papst werde nicht hingehen und sagen: „Jetzt verändere ich die Kirche!“ Sondern er werde mit vielen Menschen sprechen – und das tue er ja bereits. Ein Beispiel sei der Fragebogen zur Situation der Familien, der in allen Gemeinden verteilt werde. „Solche Fragebögen gab es auch bei anderen Synoden. Aber die sollten die Bischöfe beantworten. Das Neue ist, dass es die beantworten, die es betrifft: die Familien.“ Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, zum Beispiel für wieder verheiratete Geschiedene.

Die Signale vom Papst in Bezug auf Transparenz und Bescheidenheit seien im Erzbistum deutlich angekommen. „Aber wir sind auch ein sehr junges Bistum und hatten damit noch nicht allzu viele Probleme“, sagt Thissen. Hamburg hat vor zehn Jahren als erste Diözese einen Geschäftsbericht vorgelegt, die Renovierung des Mariendoms wurde ausschließlich durch Spenden finanziert. Rund 400 000 Katholiken leben im Erzbistum Hamburg, das im Januar 1995 im Zuge der Wiedervereinigung errichtet wurde. Im Januar 2003 übernahm Thissen das Amt von Ludwig Averkamp, der in diesem Jahr im Alter von 86 Jahren gestorben ist.

Nach seinem Studium der Philosophie und Theologie in Münster und München empfing Thissen 1966 in Münster die Priesterweihe. Danach war er in verschiedenen Positionen in der Katholiken-Hochburg tätig. Ein starker Kontrast zum Erzbistum Hamburg. „In der Stadt und auf dem Land stellen die Katholiken eine kleine Minderheit dar. Aber dadurch ist auch der Zusammenhalt und das Engagement der Gemeindemitglieder besonders groß. Es gibt ein starkes Wir-Gefühl“, versichert der Erzbischof. In manchen Orten sind selbst die Christen in der Minderheit. Im Hamburger Stadtteil St. Georg, wo der Mariendom, die Hauptkirche des Erzbistums steht, gibt es mehr Moscheen als christliche Gotteshäuser.

In den vergangenen Jahren musste Thissen, der privat gerne am Elbstrand wandert und Gedichte schreibt, seinem Bistum wegen sinkender Kirchensteuereinnahmen einen strengen Sparkurs verordnen. Die Zahl der selbstständigen Pfarrgemeinden wurde verringert, oft muss ein Pfarrer mehrere Gemeinden betreuen. „Wir sehen nicht mehr so sehr auf die einzelne Pfarrei, sondern mehr auf sogenannte pastorale Räume“, sagt der Erzbischof. Eine Folge ist, dass das Ehrenamt aufgewertet wurde und Laien Wortgottesdienste halten.

Als leitender Bischof für das Hilfswerk Misereor ist es Thissen ein großes Anliegen, die Kluft zwischen den reichen Ländern im Norden und den armen Ländern im Süden zu verringern. In Deutschland findet er es wichtig, Räume für Menschen zu schaffen, die auf der Suche sind – so ein Ort sei zum Beispiel das Kloster der Karmelitinnen in Hamburg- Finkenwerder. „Christliches Leben hat eine ganz eigene Lebensqualität. Und wer die erfährt, der ist gerne Christ“, meint der Bischof. Wenn er im Frühjahr in den Ruhestand geht, freut er sich schon, endlich wieder mehr Zeit mit Freunden und Verwandten zu verbringen – und auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien.