Eigentlich soll Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau sich ja um die Stadtentwicklung und die Umwelt kümmern. Die frühere Gewerkschafterin hat aber vor allem einen Auftrag: Jedes Jahr 6000 Wohnungen bauen zu lassen.

Wilhelmsburg An bösen Zungen mangelt es nicht. Wer in Hamburg einen Senatorenposten übernimmt, hat eine Menge Freunde - und mindestens doppelt so viele Nichtfreunde. Bei Jutta Blankau, die seit 2011 die Stadtentwicklungs- und Umweltbehörde führt, dürften noch einige Kontrahenten hinzukommen. Schließlich gilt die Behörde als einflussreich und ihre Chefin als schwierig.

Wer die Senatorin besucht, trifft sie fast immer aufgeräumt an. Wenn die 59-Jährige spricht, ist ihr Hamburger Dialekt nicht zu überhören. „Plietsch“ beispielsweise ist ein Wort, das sie gern in den Mund nimmt. Jemand, der Jutta Blankau den Erfolg neidet, würde davon sprechen, sie habe „Haare auf den Zähnen“. Wer es hingegen gut mit ihr meint, sagt, sie lasse sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Sie sei eben plietsch.

Auf alle Fälle wäre es falsch, die gebürtige Hamburgerin zu unterschätzen. Gerade weil sie so zierlich ist, dürfte der eine oder männliche Gegenspieler glauben, leichteres Spiel mit Jutta Blankau zu haben. Dagegen spricht die Tatsache, dass die Sozialdemokratin zwischen 2005 und 2011 als erste Frau überhaupt Bezirksleiterin eines Bezirks der Industriegewerkschaft Metall - der IG Metall Küste - war.

Es mag zu den Anomalitäten in der Politik gehören, dass Jutta Blankau zwar - wie von langjährigen Beobachtern der Hamburger Rathauspolitik eingeschätzt - nicht zu den engsten Vertrauten von Bürgermeister Olaf Scholz gehört, sie aber dennoch die vielleicht wichtigste Aufgabe im SPD-Senat zu erfüllen hat: den Bau von jährlich 6000 Wohnungen.

In dieser Hinsicht konnte die Senatorin für das ablaufende Jahr Erfolge vermelden. Bis Anfang Dezember wurde der Bau von 9740 Wohnungen genehmigt. Das sind 1000 Wohnungen mehr als im Jahr 2012 und knapp 3000 mehr als 2011. Besonders wichtig: die Schallmauer von 10.000 Genehmigungen für den Bau einer Wohnung dürfte in diesem Jahr durchbrochen werden.

Nun sind Baugenehmigungen zwar noch keine neuen Wohnungen, da der eigentliche Bau gut zwei Jahre dauert und nicht jeder, der eine Genehmigung in den Händen hält, am Ende auch baut. Allerdings ist Blankaus Sprecherin Kerstin Graupner sich sicher: „Erfahrungsgemäß werden 90 Prozent aller Baugenehmigungen umgesetzt.“ Mit solchen Erfolgszahlen nimmt die Senatorin ihren zahlreichen Kritikern den Wind aus den Segeln.

Was nicht heißt, dass die Gewässer, in denen sie segelt, in den kommenden Monaten ruhiger werden. Das dürfte auch an ihrer Angewohnheit liegen, hier und da offen auszusprechen, was ihr durch den Kopf geht. Für Politiker, die jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legen, war es ein Graus, als Blankau vor ein paar Monaten meinte, ihr sei es „scheißegal“, wer in den Neubau für die Stadtentwicklungsbehörde in Wilhelmsburg zieht.

Dass die Senatorin inzwischen ihren Frieden mit dem neuen Domizil gemacht hat, dürfte auch an der tollen Aussicht aus ihrem Büro und dem reibungslosen Umzug im Sommer des abgelaufenen Jahres liegen. Vor allem aber ist Blankau Pragmatikerin. Sie erbte den Bau vom schwarz-grünen Vorgängersenat und hätte es dem Steuerzahler wohl nicht erklären können, weshalb der 192 Millionen Euro teure Neubau für ihre Beamten nicht geeignet sein soll.

Zur Blankau-Bilanz 2013 gehört auch der Ärger um die Internationale Gartenausstellung igs. Statt der erhofften zwei Millionen Besucher kamen am Ende rund 1,05 Millionen. Das Defizit summierte sich - vorerst - auf 37 Millionen Euro. Nun ist angesichts der HSH-Nordbank-Verluste und der Elbphilharmonie-Baukosten so ein Defizit eigentlich kaum der Rede wert, zumal die ursprüngliche Finanzplanung und Besucherkalkulation ebenfalls von Blankaus Vorgängern stammte.

Das die IGS in den vergangenen Monaten trotzdem so hohe Wellen schlug, dürfte an dem ungeschickten Agieren von Jutta Blankau gelegen haben, als der IGS-Sumpf zu stinken anfing. Erst bügelte sie aufkommende Kritik ab, dann reagierte sie auf die Forderung, den Eintrittspreis zu senken, einem Interview eher patzig: „Eltern gehen mit ihren Kindern in den Hansapark oder zum HSV - das ist deutlich teurer.“

Auch als klar wurde, dass die Gartenschau 37 Millionen Euro Verluste gemacht hatte, übte Blankau sich nicht in Demut, sondern forderte, alle Behörden müssten ihren Beitrag zum Ausgleich des Defizits leisten. Das kam bei den Senatskollegen nicht gut an. Sie lehnten ab. „Den Wechsel von der bei Verhandlungen kompromisslosen Gewerkschafterin zur Senatorin hat sie immer noch nicht geschafft“, hieß es seinerzeit süffisant.

So mancher Kritiker bezeichnet Jutta Blankau als stur und beratungsresistent. Wer hingegen mit Vertretern der Wohnungswirtschaft spricht, hört viele gute Worte über die Senatorin. Im „Bündnis für das Wohnen“, in dem der Bau der jährlich 6000 Wohnungen verabredet und organisiert werden soll, gelten sie und ihr Staatsrat Michael Sachs als Macher. Beide nähmen die Sorgen der Wohnungswirtschaft ernst, heißt es.

Wer in die Behörde hineinhört, bekommt rasch mit, dass der Senatorin an einem guten Verhältnis zur Bauwirtschaft gelegen ist. Sie weiß, dass die Stadt zwar jedes Jahr den sozialen Wohnungsbau mit rund 100 Millionen Euro fördern kann, der Bau von 6000 Wohnungen aber ohne genossenschaftliche und private Investoren nicht zu schultern ist. Blankau war deshalb nicht glücklich, als der linke Flügel der SPD-Bürgerschaftsfraktion radikal das Einfrieren der Mieten forderte. Ihre Devise lautet stattdessen: Wohnungsneubau ist das beste Mittel gegen hohe Mieten.

Dass Jutta Blankau den Drahtseilakt einer Bausenatorin bislang schadlos gemeistert hat, mag auch daran liegen, dass sie kaum Ambitionen hat, in der Bundespolitik Karriere zu machen. So hielt sich, wie es heißt, ihr Interesse, in Berlin an den Koalitionsverhandlungen mit der Union teilzunehmen, anfangs in Grenzen.

Am Ende dürfte über das Wohl und Wehe von Jutta Blankaus Zukunft aber der Erfolg der Wohnungsbauoffensive entscheiden. Wenn Olaf Scholz vor der Bürgerschaftswahl in 14 Monaten verkünden kann, dass im Jahr 2014 in Hamburg 6000 Wohnungen übergeben wurden, dann wird niemand mehr nach dem Defizit der Gartenschau fragen.

Schließlich hieß es schon in diesem Herbst in der SPD: „Wir sind nicht mit dem Ziel angetreten, die Gartenschau durchzuführen, sondern für Familie, Kita und Wohnungsbau.“