Noch eineinhalb Wochen bis zum Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze. Entsprechend groß war die Aufregung in der Bürgerschaft. In der letzten Aktuellen Stunde vor dem Entscheid werfen sich beide Seiten Unanständigkeit, ja sogar strafbare Behauptungen vor.

Hamburg. Eineinhalb Wochen vor dem Volksentscheid liegen in der Hamburger Bürgerschaft bei Gegnern und Befürwortern einer Rekommunalisierung der Energienetze die Nerven blank. In der letzten Aktuellen Stunde zum Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze vor dem Abstimmungstag am 22. September wollten die Abgeordneten am Mittwoch eigentlich noch einmal Argumente austauschen. Tatsächlich warfen sie sich in weiten Teilen jedoch vor, Propaganda zu betreiben, Unwahrheiten zu verbreiten oder sogar strafrechtlich relevante Behauptungen aufzustellen. Vor allem Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan geriet ins Visier der Rückkaufgegner. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) – Architekt des umstrittenen 25,1-Deals mit den Energiekonzernen Vattenfall und Eon - trat nicht ans Rednerpult. Er schickte seinen Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD).

Tschentscher sprach von einer vernünftigen Lösung des SPD-Senats. Vorwürfe, dass seine Behörde die Verträge mit Vattenfall und Eon vor Unterzeichnung nicht ausreichend geprüft und somit möglicherweise viel zu viel für die 25,1 Prozent bezahlt habe, wies er zurück. Das 544-Millionen-Geschäft sei von Wirtschaftsprüfern genau untersucht worden. „Das Ergebnis lautet: Der Kaufpreis ist angemessen.“ Die Gegner wollten so vielmehr von den Risiken einer vollständigen Übernahme der Energienetze ablenken, sagte Tschentscher und verwies auf zwei Milliarden Euro Kosten, eine unklare Zinsentwicklung und das bei einer Übernahme an die Stadt übergehende unternehmerische Risiko. „Die Erträge im Netzgeschäft sind nicht sicher, die Garantiedividende ist sicher. Alles andere sind Risiken und Spekulationen auf Kosten der Steuerzahler“, sagte der Senator.

Sowohl Grüne als auch Linke kämpften dagegen für eine Rekommunalisierung der Netze. Grünen-Fraktionschef Kerstan unterstellte dem SPD-Senat etwa, einen Gutachter nach dem Parteibuch ausgesucht zu haben oder dass der Senat im Sinne Vattenfalls den vom städtischen Wohnungsbauunternehmen SAGA/GWG geplanten Bau eines Blockheizkraftwerks behindere. Besonders kritisch sei jedoch, dass ein hoher Beamter mit SPD-Parteibuch kurz vor Beginn der Verhandlungen zwischen dem Senat und Vattenfall als Berater zu dem schwedischen Energiekonzern gewechselt sei. Es sei beunruhigend, „dass dieser Senat anscheinend nicht mehr zwischen SPD, der Stadt Hamburg und einem Energiekonzern (...) unterscheiden kann“.

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel warf Kerstan umgehend vor, mit solchen Reden die politische Kultur zu beschädigen. „Dreck auf ehemalige Mitarbeiter zu werfen, das ist unanständig.“ Außerdem missachteten die Grünen die Interessen der Arbeitnehmer, die bei Vattenfall und Eon eine sicherere Zukunft als bei der Stadt sähen.

Die CDU-Energieexpertin Birgit Stöver erklärte alle Argumente der Rückkaufbefürworter für widerlegt. „Was bleibt, ist Propaganda, Diffamierung und nach wie vor Suggestion und Unwahrheiten.“ Die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding unterstellte den Grünen gar eine Kampagne, „die inzwischen groteske Züge des Verfolgswahns annimmt“. Denn eigentlich wollten die Grünen nur „ein ihnen verhasstes Unternehmen aus der Stadt vertreiben“.

Am härtesten ging jedoch der für die CDU in der Bürgerschaft sitzende parteilose Abgeordnete Walter Scheuerl mit Kerstan ins Gericht. Er sprach ihn im Parlament direkt an, sagte: „Wenn Sie vor ein paar Jahren mit solchen Argumenten auf dem freien Mark versucht hätten, Schiffsanlagen zu verkaufen, (wären Sie) heute wegen Kapitalanlagebetrugs (...) mindestens zu einer hohen Geldstrafe (...) verurteilt worden.“

Am Donnerstag trifft die Bürgerschaft abermals zusammen. Die Probleme der Stadtteilschulen sind dann Thema. CDU und FDP wollen sie zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde machen. Sie kritisieren die alleinregierende SPD und Schulsenator Ties Rabe (SPD). Hintergrund sind die Studie „Kess 13“ und Zahlen zum kostenlosen Nachhilfeunterricht, die Rabe in der vergangenen Woche vorgelegt hatte. Demnach ist die Zahl der Abiturienten an Stadtteilschulen deutlich gestiegen, deren Leistungen sind aber nicht immer befriedigend. Zudem nehmen Schüler an Stadtteilschulen häufiger den kostenlosen Nachhilfeunterricht in Anspruch.