Der SPD-Nachwuchs verlangt eine Markierung, um Beamte leichter zu identifizieren. Der Senator befürchtet unberechtigte Anzeigen.
Hamburg. Berlin hat sie und Brandenburg auch: Jetzt fordern die Jusos, die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte in geschlossenen Verbänden auch in Hamburg einzuführen.
Geht es nach dem Willen des SPD-Nachwuchses, dann tragen die Beamten der Bereitschaftspolizei, die beispielsweise morgen Nachmittag auch die An- und Abreise der Fans beim Bundesligaspiel HSV gegen den 1. FC Nürnberg überwachen, in Zukunft individuelle Zahlen auf ihrem Helm. Bislang gibt die Zahl auf der harten Kopfbedeckung eines Bereitschaftspolizisten nur einen Hinweis darauf, welchem Zug welcher Hundertschaft er angehört.
Die Jusos wollen erreichen, dass jeder Beamte bei Demonstrationen oder Fußballspielen eine von Einsatz zu Einsatz wechselnde Ziffer am Helm trägt, damit er im Fall eines Übergriffs identifiziert werden kann. "Wir stellen die Polizisten nicht unter Generalverdacht. Wir sind davon überzeugt, dass die Beamten im Sinne des Rechtsstaats handeln und gute Arbeit leisten", heißt es in dem Juso-Antrag, der auf dem nächsten SPD-Parteitag behandelt werden soll. "Dennoch kommt es vor, dass einzelne Beamte ihre Befugnisse überschreiten und in einem unverhältnismäßigen Ausmaß Gewalt gegen Bürger anwenden", schreiben die Jusos.
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Bislang trägt nur der verantwortliche Einsatzführer bei geschlossenen Einheiten ein Namensschild, um für Bürger als Ansprechpartner erkennbar zu sein. Wenn ein Demo-Teilnehmer oder ein Fußballfan nach einem aus seiner Sicht ungerechtfertigten gewaltsamen Polizeieinsatz Anzeige erstatten will, "bleiben die Handelnden in der Regel unidentifiziert unter dem Deckmantel der Anonymität", heißt es in dem Juso-Antrag.
Bewusst will der SPD-Nachwuchs auf Namensschilder verzichten. "Dadurch wird eine mögliche Verfolgung der Polizisten im Privatleben ausgeschlossen." Aus demselben Grund sollen die Nummern auch von Einsatz zu Einsatz wechseln.
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Dennoch werden diese Vorsichtsmaßnahmen Innensenator Michael Neumann (SPD) wohl nicht überzeugen können. Er befürchtet, dass im Falle individueller Kennzeichnungen viel häufiger zu Unrecht Anzeigen gegen Polizeibeamte gestellt werden. "Alle Fachleute sind sich einig, dass es kein Übergriffsproblem bei der Hamburger Polizei in den zurückliegenden zehn Jahren gibt", sagt Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde.
Neumann will es bei den jetzigen Regelungen belassen, die auf einer Dienstvereinbarung aus dem Jahr 1995 basieren. Danach müssen Beamte des höheren Dienstes, die Leiter von Polizeikommissariaten und Polizisten in vergleichbaren Vorgesetzten-Positionen ein Namensschild tragen. Das Gleiche gilt für Bürgernahe Beamte.
Für alle anderen Polizisten gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Nach Angaben der Innenbehörde ist das Tragen eines Namensschildes für die meisten Beamten zur Selbstverständlichkeit geworden. Nach Informationen des Abendblatts will Neumann in Sachen Kennzeichnungspflicht nichts gegen den Willen der Polizei und der Personalvertretung unternehmen.
Offensichtlich will die Innenbehörde die Erfahrungen der Polizei in Berlin und Brandenburg mit der Kennzeichnungspflicht abwarten und auswerten. Es gilt jedoch als ausgeschlossen, dass es zu einer Meinungsänderung noch in dieser Legislaturperiode kommt.
In Berlin wurde die Kennzeichnungspflicht aufgrund eines Vorfalls bei der Demonstration "Freiheit statt Angst" am 12. September 2009 eingeführt. Auf einem Video war festgehalten worden, wie mehrere Polizeibeamte auf einen Radfahrer und weitere Passanten einschlagen. Auch in anderen europäischen Staaten müssen Polizeibeamte individuelle Kennzeichnungen tragen. "Die Befürchtungen einiger Kritiker, durch eine Kennzeichnungspflicht würde es vermehrt zu unberechtigten Anschuldigungen gegen Polizeibeamte kommen, hat sich in anderen Staaten nicht bewahrheitet", heißt es in dem Juso-Antrag. Der SPD-Nachwuchs beruft sich dabei auf Recherchen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundesrats.
Die Jusos bekommen Unterstützung von unerwarteter Seite. Die FDP-Bürgerschaftsfraktion hatte im Juni 2011 einen Antrag vorgelegt, der "eine chiffrierte Kennzeichnung" der Beamten bei geschlossenen Einsätzen vorsah. Im Zuge der Novellierung des Polizeigesetzes war der Vorstoß vor allem von SPD und CDU abgelehnt worden. Auch ein weiterreichender GAL-Antrag, der alle "Uniform oder Einsatzanzüge tragenden Polizisten" zum Tragen eines Namensschildes verpflichten wollte, fand keine Mehrheit. Jusos, GAL und FDP argumentieren auch damit, dass wegen des staatlichen Gewaltmonopols der Rechtsschutz der Bürger gewährleistet sein muss.