Eine 500 000-Euro-Toilette für Obdachlose wird es wohl nicht geben. Politiker und die Sozialbehörde wollen eine günstigere Lösung.
Hamburg. Als Hans-Peter Strenge vor einer Woche vor die Mikrofone trat, schien es, als hätte der runde Tisch zum Zaun gegen Obdachlose unter der Kersten-Miles-Brücke einen akzeptablen Konsens gefunden. Immerhin verkündete der sozialdemokratische Schlichter, das Bollwerk, das Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) zuvor zur Abwehr von Obdachlosen aufstellen und nach heftigen Protesten wieder abbauen ließ, werde definitiv nicht wieder errichtet. Stattdessen hätten sich die Teilnehmer des runden Tisches auf ein verbindliches Regelwerk für Obdachlose, mehr Sozialarbeiter unter der Brücke und mehr Unterkunftsplätze beim Winternotprogramm geeinigt - und auf einen 500 000 Euro teuren Toilettenbau an der Helgoländer Allee.
Eine Woche später steht nur noch der teure Lokus im Fokus. 80 Quadratmeter groß soll er sein, über sieben Damen- und zwei Herrentoiletten, fünf Pissoirs und einen Aufenthaltsraum verfügen. Obdachlose und Touristen sollen sich hier gleichermaßen erleichtern können.
Massive Kritik, unter anderem vom Steuerzahlerbund, prasselte auf die beteiligten Vertreter von Polizei, Kirche, Diakonie, Bürgerverein, Bezirksversammlung und Sozialbehörde ein.
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Politisch ist das Luxusklo schon im Abort, ehe es gebaut ist. "Ich würde mir eine kostengünstigere Lösung wünschen. Das wäre sehr gut im Sinne der Obdachlosen, der Anwohner, der Touristen und der Steuerzahler", sagt selbst SPD-Bürgerschafts-Fraktionschef Andreas Dressel. Er war es, der den runden Tisch maßgeblich mit initiiert hatte, um das Problem mit den Obdachlosen unter der Brücke dauerhaft zu lösen. "Alle tun gut daran, die überparteilichen Vorschläge des runden Tisches ernst zu nehmen", sagt der SPD-Politiker weiterhin. Das heißt: Toilette ja, doch die Frage ist, wie groß und - vor allem - wie teuer sie werden soll.
Denn tatsächlich sind es die hohen Kosten, die die meisten auf die Barrikaden rufen. "Die Debatte hat sich verselbstständigt", wiegelt Strenge ab. "Die Kosten sind nur das Ergebnis einer ersten Kalkulation. Ich gehe davon aus, dass Bau und Unterhaltung der Toilette günstiger werden können." Privatunternehmen hätten bereits für einen fünfstelligen Betrag Interesse an ihrem Unterhalt bekundet.
Die Idee, dass sich Obdachlose und Touristen das Klo unter der Kersten-Miles-Brücke teilen sollen, stellt sich für CDU-Oppositionschef Dietrich Wersich als eine "krude Mischung" dar. Er zweifle daran, dass Touristen Bedarf danach hätten und lehne das Angebot für Obdachlose in dieser Form ab, weil dadurch "von Staats wegen der öffentliche Raum für Obdachlose attraktiver gemacht" werde. "Da ist die CDU nicht mit im Boot", so Wersich. Es reiche auch ein Dixi-Klo. Die CDU verfolge eine "ausstiegsorientierte Sozialpolitik", die Obdachlose langfristig von der Straße holen wolle. Kurz- und mittelfristig müssten Sozialarbeiter Obdachlose bewegen, feste Einrichtungen aufzusuchen, wenn sich Anwohner beschwerten oder Straftaten begangen würden. Falls das nicht gelinge, müssten der Bezirkliche Ordnungsdienst und die Polizei zur Räumung eingesetzt werden.
Doch wie kam es eigentlich zum Plan des 500 000-Euro-Klos? Laut Lars Schmidt-von Koss, Sprecher des Bezirks Mitte, bekam der Bezirk den Auftrag vom runden Tisch, 40 Prozent der Fläche unter der Kersten-Miles-Brücke als Toilette überplanen zu lassen - auch eine Nutzung für Touristen sollte ermöglicht werden. "Mit der Bitte um einen Kostenvoranschlag haben wir uns an die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt gewandt. Jetzt ist der Bezirk erst wieder am Zug, wenn wir eine Baugenehmigung erteilen sollen." In der Stadtentwicklungsbehörde heißt es, die Kosten resultierten aus den Vorgaben des Bezirks.
Inzwischen hat die Sozialbehörde die Federführung für das Toilettenprojekt übernommen. Dort werden die Ideen des runden Tisches gebündelt und geprüft. "Bei den Diskussionen wurde viel zusammengetragen, wir müssen jetzt sehen, was davon realisierbar ist", sagt Sprecherin Nicole Serocka. Es werde ein völlig neues Konzept erarbeitet, bei dem es jedoch nicht nur um die Toilettenanlage, sondern um die Gesamtsituation der Obdachlosen gehe - das Ergebnis werde auf der Landespressekonferenz am 1. November vorgestellt.
Die Sichtung der zusammengetragenen Vorschläge übernimmt ein Team rund um Amtsleiterin Maria Maderyc, das sich aus Mitarbeitern des Bezirks und Teilnehmern des runden Tisches zusammensetzt. Sie suchen nach Angaben Serockas nach einer kostengünstigen Alternative zum 500 000-Euro-Bau und prüfen auch die Fragen, welcher Bedarf nach einer WC-Anlage tatsächlich unter der Kersten-Miles-Brücke besteht und was baulich unterhalb des Denkmals gestattet sei.
"Was hier zulässig ist, ist nicht definiert", sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, der das Denkmalschutzamt angegliedert ist. Da die Kersten-Miles-Brücke kein geschütztes Denkmal sei, müsse das Amt lediglich vier Wochen vor Baubeginn in Kenntnis gesetzt werden. Helmuth Barth vom Denkmalverein Hamburg hat dagegen konkrete Vorstellungen. "Wenn unter der Brücke eine Toilette gebaut wird, dann bitte eine moderne, gern puristische", sagt er. "Das ist wichtig, damit das Denkmal als solches erkennbar bleibt."