Weil der Bezirk einen Bebauungsplan vergaß, drohte der Abriss der Reetdachhäuser in der Gartenanlage - bis die Kulturbehörde eingriff.
Hamburg. Verschlungene Pfade zwischen Buchen schlängeln sich den steilen Hang zum Elbufer hinab, hier und dort bieten kleine Aussichtsterrassen einen spektakulären Blick auf den Fluss und seine Inseln. Der Baurs Park in Blankenese gilt als die wohl bedeutendste noch erhaltene Gartenanlage des frühen 19. Jahrhunderts in Hamburg. Erst auf zweiten Blick entdeckt man hier hinter mächtigen Rhododendronbüschen einige Reetdachvillen. Ihnen drohte bis vor Kurzem der Abriss. So wie der Charakter des gesamten Parks bedroht war, wie der Altonaer SPD-Politiker Wolfgang Kaeser sagt.
Die Retttung kommt nun durch die Kulturbehörde, die den gesamten Park unter Denkmalschutz stellen will. Quasi als Notbremsung in letzter Minute. Denn der Bezirk hatte geschlafen. Eigentlich sollten die Art der Gebäude und der Park selbst schon längst durch einen besonderen Bebauungsplan geschützt werden. Doch der Entwurf dazu schlummert offenbar schon so lange unbearbeitet in den Schubladen der Altonaer Bezirksamts, dass die Fristen für Veränderungssperren mittlerweile abgelaufen sind - mit fatalen Folgen. Gleich mehrere Abriss- und Neubauanträge wurden an das Amt gestellt, wie das Bezirksamt Altona bestätigt. Und das Amt hätte keine Handhabe, diese abzulehnen - wenn nicht der Denkmalschutz eingegriffen hätte.
Angesichts der Fülle von Bebauungsplänen, die derzeit in Altona zu bearbeiten sind, ist dieser Plan wohl vergessen worden, sagt Kaeser. "Wir haben so viele Pläne zu bearbeiten", heißt es auch im Bezirksamt zur Erklärung. Schon im August soll nun das Denkmalschutz-Verfahren abgeschlossen sein, sagt die Sprecherin des Denkmalschutzamts, Kristina Sassenscheidt. Schon jetzt müssten daher aber Bauanträge mit dem Denkmalschutzamt abgestimmt werden. Ein Hamburger Kleinod könnte damit dauerhaft gesichert sein. Sassenscheidt: "Wir können daher Entwarnung geben."
Dennoch sind für zumindest zwei der Reetdachhäuser die Abrisspläne nicht vom Tisch. Denn diese umstrittenen Bauvorhaben in dem Park sind schon einen Schritt weiter: Für Baurs Park Nr. 4 soll nach Abendblatt-Information ein Gebäude mit Tiefgarage geplant gewesen sein - die Garage wurde aber von den Behörden abgeschmettert. Aktuell ist auch ein Abrissantrag für das Reetdachhaus Nummer 6. Dort soll ein modernistischer Bau hin, über dessen geplante Dimensionen zwischen Bauherr und Behörden noch heftig verhandelt wird. Für die Villa mit der Straßennummer 3, die sogenannte Pinnau-Villa, gibt es zudem Umbaupläne. Das alles seien Anträge, die "weit über das Maß des dort Üblichen hinausgehen", kritisiert der Altonaner CDU-Stadtentwicklungsexperte Uwe Szczesny.
Hintergrund des "vergessenen" Bebauungsplans Blankenese 42 ist offensichtlich ein Personalmangel in der Altonaer Bezirksverwaltung, in deren Zuständigkeit das hügelige Elbufer im Hamburger Westen fällt. Die reizvolle Lage weckt immer neue Begehrlichkeiten für teuere Neubauten, wie GAL-Bezirksfraktionschefin Gesche Boehlich beklagt. Deshalb gebe es zurzeit etliche Bebauungsplanverfahren, um das Erscheinungsbild des hohen Elbufers zu sichern. Hinzu kämen Anstrengungen für mehr Wohnungsbau im Bezirk. So werden in Altona rund 70 Bebauungspläne bearbeitet - in anderen Bezirken liegt die Zahl deutlich darunter.
Nachdem sich nun für Baurs Park das Denkmalschutzamt als Unterstützung eingeschaltet hat, hofft SPD-Politiker Kaeser, dass es auch mit der geplanten Wiederherstellung des ursprünglichen Park-Charakters weiter gehen kann. Die Gartenanlage, die als solche nur stellenweise zu erkennen ist, wurde von Joseph Rameé (Erbauer der alten Börse) um etwa 1805 angelegt. Viele der damals angelegten Aussichtsplätze sind noch erhalten. Schon immer war die Anlage für Besucher offen, wurde 1922 aber verkauft und dann teilweise parzelliert. Allerdings gab es für die Neubauten strenge Vorschriften, so durften etwa keine Zäune oder Hecken die Grundstücke begrenzen.
Im Laufe der Zeit wurden die Auflagen mehr und mehr verwässert - sie sollten in dem "vergessenen" Bebauungsplan wieder aufgegriffen werden. Vermutlich deshalb gibt es derzeit mehrere Anträge, um noch rechtzeitig neue Fakten schaffen zu können. Denkmalschutzamtssprecherin Sassenscheidt: "Da wird nichts mehr passieren können, was den Charakter des Parks gefährdet." Mit Ausnahme eben der Häuser Nummer 4 und 6.