Gemeinnützige Vereine in Hamburg sprechen von einer “Katastrophe“. 2400 bis 2600 Stellen sollen wegfallen. Sind die Einsparungen unnötig?
Hamburg. Viele gemeinnützige Einrichtungen in Hamburg sind alarmiert: Sie beklagen einen massiven Kahlschlag bei der Förderung von Arbeitslosen. Auslöser ist eine Ankündigung des sozialdemokratisch geführten Senats, die Anzahl der sogenannten Ein-Euro-Jobs - offiziell Arbeitsgelegenheiten (AGH) genannt - noch in diesem Jahr weiter zu kürzen. Nach Angaben der Trägervereine für Ein-Euro-Jobber will Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) ab dem Sommer 2400 bis 2600 der 6000 derzeit besetzten Stellen wegfallen lassen. Für das kommende Jahr rechnen die Träger sogar nur noch mit 1000 Ein-Euro-Jobs in Hamburg.
"Das ist eine Katastrophe für die betroffenen Menschen und sozialpolitisch eine unglaubliche Sauerei", sagte Petra Lafferentz, Sprecherin der 55 Hamburger Beschäftigungsträger. Zudem werde es ein "Trägersterben" geben, wie es die Hansestadt noch nie erlebt habe. Die Sozialbehörde wollte auf die Kritik gestern nicht eingehen. Über die genaue Zahl der Streichungen werde derzeit noch diskutiert, sagte Sprecherin Julia Seifert.
Schon zum Januar waren die Ein-Euro-Jobs unter Schwarz-Grün von 9800 auf 6600 reduziert worden. Ursache waren Kürzungen der Bundesmittel für die Förderung von Hamburger Hartz-IV-Empfängern von 187 auf 134 Millionen Euro. Für 2012 stehen weitere Kürzungen auf dann rund 100 Millionen Euro an.
+++ Auslaufmodell Ein-Euro-Jobber +++
Die Ein-Euro-Jobs noch in diesem Jahr zusätzlich zu reduzieren sei absolut nicht notwendig, sagte Petra Lafferentz. Schließlich sei das Geld für 6600 Stellen vorhanden, dieses werde nicht einmal ausgeschöpft. Und auch der massive Kürzungsplan für das kommende Jahr liege weit über dem, was an Einsparungen notwendig wäre. Besonders scharf kritisierten die Trägervereine, dass der Senat "überfallartig" kürze, ohne ein Alternativkonzept zu haben. Den Ein-Euro-Jobbern, die etwa in Schulkantinen arbeiten oder für Senioren einkaufen, nehme man die letzte verbleibende Perspektive.
"Für die Betroffenen geht es um einen letzten Rest an Selbstwert, bevor ihnen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt", sagte Manfred Gans von der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V. in Hamburg. Durch die Kürzungen werde eine Bevölkerungsgruppe endgültig von der sozialen Teilhabe abgekoppelt. Die Träger gehen davon aus, dass für etwa zwei Drittel der 50 000 Hartz-IV-Empfänger in Hamburg ausschließlich Ein-Euro-Jobs infrage kommen, weil sie kurzfristig nicht in eine andere Arbeit vermittelbar sind.
Auch die Opposition übt Kritik. "Sozialsenator Scheele muss jetzt ein Konzept vorlegen und Alternativen für Beschäftigte und Träger anbieten", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, Filiz Demirel. Ebenso wie ihr Kollege von der CDU, Hjalmar Stemmann, fordert sie einen Dialog zwischen der Sozialbehörde, den Trägern und der Hartz-IV-Vermittlungsstelle team.arbeit.hamburg. So habe es auch der Kompromissvorschlag unter Schwarz-Grün vorgesehen, der wegen der Neuwahlen nicht mehr umgesetzt werden konnte. "Wenn die vereinbarte Dialogkultur jetzt abgebrochen wird, wäre das ein ganz großer Fehler", sagte Stemmann. Joachim Bischoff von den Linken bemängelte, dass Hamburg vor dem Hintergrund der Kürzungen nicht genug gegensteuere. Allein die FDP begrüßt die Streichungen: Ein-Euro-Jobs funktionierten nur selten als Brücke in ein festes Arbeitsverhältnis und verfehlten so ihr Ziel, so Sprecher Thomas-Sönke Kluth.