Begründung des Hamburger Jobcenters: Die Reise an Himmelfahrt könnte die berufliche Eingliederung der Hartz-IV-Empfängerin behindern.
Hamburg. Das Hamburger Jobcenter lässt eine Hartz-IV-Empfängerin nicht als Dauerteilnehmerin zum Deutschen Evangelischen Kirchentag nach Dresden fahren. Weil eine Reise am Himmelfahrts-Wochenende ihre berufliche Eingliederung behindern könnte, werde über ihren Antrag erst zwei Wochen vor Beginn des Kirchentags entschieden, so die Behörde. Dann ist die Anmeldefrist für den Kirchentag aber abgelaufen. Kritik übt Hamburgs Bischofsvertreter Jürgen Bollmann: „Wenn eine Arbeitslose am Kirchentag teilnehmen möchte, dann sollte es ihr auch ermöglicht werden.“
Bärbel Schirrmacher hat schon viele Kirchentage besucht. Noch im vorigen Jahr sei ihr die Fahrt zum Ökumenischen Kirchentag nach München problemlos genehmigt worden, sagt sie. Die Reise nach Dresden und den verbilligten Eintritt von 19 Euro würde sie aus eigener Tasche zahlen. Übernachten könnte die 59-Jährige in einer Sporthalle. Anschließend möchte sie noch eine Woche in Dresden bleiben und hat dafür ein günstiges Acht-Bett-Zimmer gefunden.
Anfang des Jahres beantragte Schirrmacher Bildungsurlaub für den Dresdner Kirchentag. Doch ihr persönlicher Betreuer lehnte ab. Bildungsurlaub diene der beruflichen Weiterbildung, heißt es in dem Schreiben des Jobcenters. Da sie keine Arbeitnehmerin sei, bekomme sie auch keinen Bildungsurlaub. Zwar könne sie für die Reise nach Dresden ihren dreiwöchigen Urlaub nutzen, über die Genehmigung werde allerdings frühestens zwei Wochen vor Reisebeginn entschieden. Anmeldeschluss für Dauerteilnehmer ist aber der 20. März.
Von der Hartz-IV-Empfängerin werde erwartet, so heißt es weiter, dass sie „täglich und ohne unzumutbaren Aufwand“ das Jobcenter in der Hamburger City erreichen kann. Sollte Schirrmacher trotzdem fahren und dabei erwischt werden, droht ihr nicht nur ein Abzug vom Hartz-IV-Satz für die fehlenden Tage, sondern auch ein Abzug als Strafmaßnahme.
Das Diakonische Werk Hamburg, wo sich Schirrmacher Rat geholt hat, kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. „Warum unterstützt das Jobcenter nicht, wenn Arbeitslose aktiv werden und zu einem Glaubensfest reisen?“ fragt Diakonie-Referent Wolfgang Völker. Schließlich koste es den Steuerzahler kein zusätzliches Geld.
Beim Evangelischen Kirchentag stößt die Verfahrensweise des Jobcenters auf Unverständnis. Die Entscheidung sei „schwer verständlich und wirklichkeitsfremd“, sagte Generalsekretärin Ellen Ueberschär. Eine frühe Anmeldung sei notwendig, weil auch Übernachtungen organisiert werden müssten. Der Kirchentag bemühe sich, Hartz-IV-Empfängern durch Sonderkonditionen die Teilnahme zu ermöglichen. Auch wenn die Hamburger Entscheidung rechtlich korrekt sei, so Ueberschär, führe sie in der Praxis zum Ausschluss bestimmter Personengruppen.
Zwar müsse das Jobcenter nach gesetzlichen Vorgaben entscheiden, so Hamburgs Bischofsvertreter Bollmann. Der Handlungsspielraum sollte jedoch die Lebensbedingungen des Einzelnen stärker berücksichtigen. Schwer nachvollziehbar sei es für ihn, warum Arbeitssuchende keinen Anspruch auf Bildungsurlaub hätten. Bärbel Schirrmacher will nicht aufgeben. Gegen die Entscheidung des Jobcenters hat sie Widerspruch eingelegt.