Baden-Württembergs Spitzenkandidat der SPD, Nils Schmid, hat Hamburgs Uni-Kanzlerin für das Ressort Forschung auf der Wunschliste.
Hamburg/Stuttgart. Die parteilose Wissenschaftsexpertin Katrin Vernau soll im Fall einer Regierungsübernahme durch die SPD in Baden-Württemberg neue Forschungsministerin werden. SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid stellte die Kanzlerin der Universität Hamburg in Stuttgart als Mitglied seines Schattenkabinetts vor. Vernau stammt aus Villingen-Schwenningen und war von 2002 bis 2005 bereits Kanzlerin der Universität Ulm. Schmid sagte: „Dieses Land verdient eine bessere Regierung.“ Zu seinem Team gehören unter anderem auch der frühere Bundestagsabgeordnete und Umweltexperte Ernst Ulrich von Weizsäcker und Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel.
Lesen Sie dazu auch den Abendblatt-Bericht vom 19. März 2010:
Müssen alle Wissenschaftler erst Buchhaltung studieren?
Wer 240 Millionen Euro aus der Steuerkasse überwiesen bekommt, muss seine Buchhaltung im Griff haben, sollte man denken. Doch die Uni Hamburg ist erneut durch unbezahlte Rechnungen ins Gerede gekommen. Dabei übersieht man jedoch, dass Hamburgs größte Hochschule nun erstmals seit 2001 ohne größere Verzögerungen finanzielle Rechenschaft vorlegen will. "Nach mühsamer Aufräumarbeit sehen wir Licht am Ende des Tunnels und werden den Jahresabschluss zeitgerecht im April vorlegen", sagte Kanzlerin Katrin Vernau dem Abendblatt.
Was selbstverständlich klingt, ist das neue Kapitel einer Serie von Reibereien und Pannen, in der es um nicht weniger geht als die Autonomie der Hochschule sowie einen Paradigmenwechsel der Verwaltung. Und Kosten von mehr als 13 Millionen Euro, die weiter steigen.
Hochschule und Wissenschaftsbehörde streiten noch immer um Gestaltung des Rechnungswesens. Laut Uni müsse diese nicht nur den Anforderungen der Behörde, sondern auch denen der Wissenschaftler genügen. Kanzlerin Vernau: "Wir erwarten, dass unsere Mitarbeiter ihre verfügbaren Mittel verständlich abrufen können - ohne dass sie vorher noch Buchhaltung studieren müssen." Die Behörde sagt hingegen, das neue System erfordere ein Umdenken: "Wissenschaftler sind heute gefordert, eine realistische Finanzplanung zu entwickeln und ein laufendes Controlling sicherzustellen." Nach Abendblatt-Informationen üben auch einige Fachbereiche internen Widerstand. Vielleicht auch, weil die Umstellung so viel Kraft kostet: In eineinhalb Jahren seien dafür "9900 Personentage" von Uni-Mitarbeitern zusätzlich zum Tagesgeschäft geleistet worden.
2003 bereits wurde für sieben Millionen Euro ein "kaufmännisch-kamerales" System an der Uni eingeführt, in Eigenregie. Begründung: In Zeiten knapper Ressourcen müssten auch Universitäten wirtschaftlicher arbeiten. 2007 beschloss der Senat den nächsten Systemwechsel: "Rein kaufmännisch" sollte es nun sein, eine Buchführung nach "Soll und Haben", die in der Wirtschaft üblich ist und auch der Buchhaltung der Stadt Hamburg entspricht. Solche Umstellungen heißen "Migration" im Fachjargon.
Bei allen Umstellungen gab es Probleme, weshalb sich Behörde und Uni gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben: Die Uni setze "längst bekannte Anforderungen" mangelhaft um, heißt es auf der einen Seite. Die Anforderungen würden die Ausgangssituation an der Universität und Bedarfe der Wissenschaft nicht richtig berücksichtigen, heißt es auf der anderen Seite. Der Rechnungshof, der das Uni-Rechnungswesen seit Jahren moniert, schlug sich kürzlich auf die Seite der Uni: Einige Anschuldigungen der Behörde gingen "fehl", heißt es in einem internen Schreiben der Finanzprüfer. Und während die Behörde sagt, die Uni müsse eben für ausreichend qualifiziertes Personal sorgen, beschwert sich die Hochschule, dass jeder Mitarbeiter erst vom Personalamt der Stadt abgesegnet werden müsse. Auch über einige von der Behörde bestimmte Führungskräfte herrscht, gelinde gesagt, Unmut: Ein Teilprojektleiter sei "bar jeglicher Hochschulerfahrung" gewesen, heißt es exemplarisch in einem Schreiben der Uni an den Rechnungshof.
Diese Woche erst legte der "Aktionsrat Bildung", dessen Vorsitzender der neue Uni-Präsident Dieter Lenzen ist, ein Ranking vor, dass auch die Autonomie der Hochschulen in den jeweiligen Bundesländern zeigt. Hamburg liegt nur im gelben Bereich mit grünen Streifen. Dazu passt, dass Lenzen von der Stadt fordert, Personalentscheidungen komplett der Uni zu überlassen. Die Behörde reagiert aber zurückhaltend: Der Wunsch nach mehr Eigenständigkeit sei eine generelle Frage, die sich nicht nur der Uni stelle: "Es gibt Gespräche mit der Zielsetzung, Erleichterungen in Verfahrensfragen zu erzielen", sagte ein Sprecher.
Mit Material von dpa