GAL-Spitzenkandidatin übernimmt Verantwortung und verzichtet auf den Fraktionsvorsitz. Aber Applaus kriegt sie nur an einer Stelle.

Wilhelmsburg. Ihren Humor haben die GALier nicht verloren: "Hier geht es zur Kreuzigung", grüßt ein Parteigänger am Eingang des Bürgerhauses in Wilhelmsburg. "Jeder nur ein Kreuz", ruft er hinterher. Hatten die grünen Funktionäre das Ergebnis am Wahlabend noch als "ordentlich" bezeichnet, fordern auf der Mitgliederversammlung viele ein deutlicheres Eingeständnis. "Das Wort Niederlage muss definitiv fallen", sagt nicht nur Mitglied Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach.

Es reicht also nicht zur Beruhigung, als Spitzenkandidatin Anja Hajduk sagt: "Es hätte schlimmer kommen können." Sie argumentiert mit Umfragen und Statistiken, spricht von "hoher Prognoseunsicherheit" am frühen Wahlabend, von einem "Korridor zwischen 10 und 13 Prozent". Dass jemals "19 Prozent" drin gewesen wären, so wie in Bundesumfragen, das sei eine "politische Fehleinschätzung" gewesen, sagte Hajduk zu ihren Kritikern. Sie verkündet, die Spitze freizugeben und "am liebsten als Stellvertreterin" im Fraktionsvorstand zu bleiben. Aber Applaus kriegt sie nur an einer Stelle: als sie sagt, es gehe nicht nur um Fehler im Wahlkampf, "sondern auch in der Regierungszeit".

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Man spürt, dass den Mitgliedern ihre Rede zu technisch ist: Wie die GAL-Spitze das Ergebnis präsentierte, ist zum Chiffre für Misstrauen geworden. "Mit der Arroganz einer Regierungspartei" sei man aufgetreten, sagen Redner. "Mit der CDU sind wir gescheitert, weil wir zu viel versprochen haben", sagt einer. "Im Wahlkampf, weil wir zu wenig versprochen haben."

Wohin entwickelt sich die einstige Ökopartei, die zuletzt Bildungspartei wurde und der nun die großen Ziele fehlen? "Ihr seid die Denkfabrik", sagt Landeschefin Katharina Fegebank, aber es verhallt. "Pläne werden alleine geschmiedet, aber Misserfolge dann sozialisiert", sagt ein Mitglied. Nach dem Scheitern heiße es immer: "Wir haben alle zusammen gekämpft." Der ehemalige Justizsenator Till Steffen reagiert und bewirbt sich zugleich ein bisschen als künftiger Fraktionschef. "Unser Markenkern ist unkaputtbar", man müsse sich nicht ganz neu erfinden. Aber es werde nicht reichen, Inhalte "ganz doll" zu vertreten. Seine Idee: Konzepte sollen nicht erarbeitet und dann der Pressestelle zur Vermarktung "rübergelegt" werden, wie das in der Regierung geschehen sei. Man müsse zunächst eine Frage aufwerfen, dann Werte kommunizieren, dann das Konzept vorlegen. Und Steffen zeigt sich fürsorglich: "Christiane, wir haben dich in deinem Fachgebiet oft alleine gelassen", sagt Steffen. Gemeint ist Christiane Blömeke, die im Publikum sitzt. Sie musste als Kita-Expertin zur Gebührenerhöhung stehen.

Ein verlorenes Mandat löst die Zunge: Die ehemalige Abgeordnete Jenny Weggen sagte, sogar als Mitglied der Fraktion habe sie nichts vom geplanten Ausstieg aus der Koalition mitbekommen. Sie habe sich überzeugen lassen, weil die Fraktionsspitze eine klare Strategie im Auge gehabt habe. Weggen: "Aber das ist nicht aufgegangen."