Was kosten die Wahlgeschenke von Olaf Scholz? Die SPD spricht von 200 Millionen Euro, Ahlhaus (CDU) von bis zu 700 Millionen.
Hamburg. Dass der Spitzenkandidat einer Oppositionspartei vor einer Wahl einen Vertrag mit Betroffenen darüber abschließt, was er ihnen im Falle seines Wahlsieges Gutes tun wird, ist äußert ungewöhnlich. Diese Vereinbarung zwischen Olaf Scholz (SPD) und dem Landeselternausschuss (LEA) über die weitgehende Abschaffung der Kita-Gebühren wirft daher die Frage nach den scholzschen Segnungen und ihrer Finanzierbarkeit auf.
SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher geht von Mehrausgaben in Höhe von insgesamt 200 Millionen Euro pro Jahr aus: 110 Millionen für Kitas, knapp 40 Millionen für Studiengebühren und weitere 50 Millionen für diverse Einzelmaßnahmen. Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) kalkuliert anders. Nach Berechnungen seiner Senatskanzlei müssten die SPD-Versprechen, von denen viele aber noch nicht finanziell beziffert sind, 600 bis 700 Millionen Euro pro Jahr kosten. Das passe nicht zu Scholz' Ankündigung, gleichzeitig den Haushalt sanieren und spätestens 2019 ohne neue Schulden auskommen zu wollen. Ahlhaus: "Wer solche Wahlversprechen macht, muss auch sagen, wo er den Menschen etwas wegnimmt. Alles andere ist unseriös." Aber was hat Scholz eigentlich alles versprochen? Und wie viel kostet das?
Kindergärten: Die SPD verspricht, die unter Schwarz-Grün beschlossene Gebührenerhöhung zurückzunehmen, das Essengeld wieder abzuschaffen und auch "Kann-Kindern", die also schon mit fünf Jahren eingeschult werden, ein beitragsfreies letztes Kita-Jahr zu gewähren. Dickster Brocken ist die schrittweise Abschaffung jeglicher Gebühren für den Fünf-Stunden-Platz in der Kita. Sind alle Maßnahmen umgesetzt, rechnet die SPD mit Mehrkosten von 110 Millionen Euro pro Jahr.
Studiengebühren: Die SPD will sie abschaffen und kalkuliert mit Kosten von 39 Millionen Euro pro Jahr - denn die Hochschulen wollen das Geld dann aus dem Haushalt der Wissenschaftsbehörde erhalten. "Sonst fallen wir in der Lehre wieder zurück in die Steinzeit", sagt Uni-Vizepräsident Dirk Fischer.
Weihnachtsgeld: Die Kürzung des Weihnachtsgeldes für Beamte um 100 Millionen Euro pro Jahr war die größte Einzel-Sparmaßnahme des CDU/GAL-Senats. Scholz nennt sie "unfair" und suggeriert, sie kassieren zu wollen, sagt aber: "Wir haben ein Haushaltsdefizit, deshalb muss man das genau prüfen."
Straßen: "Wir müssen die Straßenmittel erhöhen", sagt Scholz nur allgemein. Auch das SPD-Programm ist unscharf: "Ausreichend finanzielle Ressourcen" brauche man für "ein intaktes Straßennetz". Mögliche Mehrausgaben: bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr.
Sicherheit in Bussen und Bahnen: Das SPD-Konzept "Bahnsteigkante" sieht eine ständige Präsenz von Sicherheitspersonal auf den Bahnsteigen vor. Etwa 250 neue "Servicekräfte" soll die Hochbahn einstellen. Kosten laut SPD: rund 4,5 Millionen Euro pro Jahr. Würde jede Fahrkarte 2,3 Cent mehr kosten, ließe sich die Maßnahme haushaltsneutral finanzieren. Zweifel kommen von der Hochbahn selbst. Sie rechnet damit, dass für die Besetzung aller Bahnsteige mit Personal im Schichtdienst sogar 360 zusätzliche Angestellte erforderlich sind, die gut 8,5 Millionen Euro pro Jahr kosten. Die Senatskanzlei hat Scholz so verstanden, dass er sogar alle 150 Schnellbahnhaltestellen bewachen lassen will, und rechnet dafür mit Kosten von bis zu 57 Millionen Euro.
Energie-Netze: Die SPD will 25,1 Prozent der Gas- und Stromnetze zurück in den Besitz der Stadt bringen, das aber nicht aus dem Haushalt finanzieren. Der Ahlhaus-Stab kalkuliert mit Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro, gegebenenfalls verteilt auf mehrere Jahre.
Ob 200 oder 700 Millionen Euro pro Jahr - es bleibt die Frage nach der Finanzierung. Während Scholz stets nur darauf verweist, man werde das Geld durch viele Maßnahmen im Haushalt "einsammeln", wird sein Finanzexperte Peter Tschentscher konkreter. Alle die in der Vergangenheit von der SPD abgelehnten Maßnahmen kommen auch künftig als Sparmaßnahme in Betracht: die neue Reiterstaffel sowie unterirdische Schießstände der Polizei, die Sonderbehörde Schulbau sowie der Neubau der HafenCity-Universität und der Behörde für Stadtentwicklung in Wilhelmsburg. Zweistellige Millionenbeträge ließen sich zudem sparen, wenn die Stadt 100 000 Quadratmeter unnötig angemietete Büroflächen zurückgäbe, die mehr als 1000 Rückkehrer des ehemaligen Landesbetriebs Krankenhäuser nicht zusätzlich, sondern auf frei werdenden Stellen beschäftigte und nicht mehr als 100 Millionen Euro in "Rückstellungen für Mehraufwendungen" parken würde. Fraglich bleibt aber, welche Maßnahme die SPD tatsächlich umsetzen würde - und was ein möglicher Koalitionspartner dazu sagt.