Eine Hamburger Putzfrau unterliegt vor dem Europäischem Gerichtshof. Gericht entscheidet: Kein Verstoß gegen Verbot der Altersdiskriminierung.
Lurup. Bei der Bekanntgabe des Urteils sitzt Gisela Rosenbladt im Wohnzimmer ihrer Wohnung in Lurup. Enttäuscht sei sie, traurig und wütend, so wie die Sache vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) ausgegangen ist. Gestern hat das Gericht in Luxemburg entschieden, dass die Zwangspensionierung mit 65 Jahren nicht gegen EU-Recht verstoße - und damit bescherte es auch ihr eine schwere juristische Schlappe. Schließlich war sie es, die Putzfrau aus Lurup, die mit einer Klage gegen ihre Entlassung mit 65 Jahren dafür gesorgt hatte, dass sich der EUGH mit der Frage befassen musste. "Ich fühle mich hilflos und wie vor den Kopf gestoßen", sagt die 67-Jährige jetzt.
Die leicht angegrauten Haare trägt sie mit Stolz, den Ausdruck "Alte Menschen" verabscheut sie. "Ältere" ist ihr lieber. Gisela Rosenbladt hat ein offenes Gesicht - und einen starken Willen. Eine Ja-Sagerin sei sie jedenfalls nicht. Das bekam Mitte 2008 auch ihr Arbeitgeber zu spüren, eine große Reinigungsfirma, für die sie 39 Jahre Offiziers-Unterkünfte in der Führungsakademie der Bundeswehr (Blankenese) putzte, zwei Stunden täglich, am Ende 16 Zimmer und eine Teeküche. Gisela Rosenbladt verdiente 8,40 Euro pro Stunde, 306 Euro im Monat. 14 Tage vor ihrem 65. Geburtstag hieß es, sie müsse gehen. Als ihr die Firma auch noch schriftlich vorhielt, sie könne "wegen ihres Alters" nicht mehr anständig arbeiten, reichte sie Kündigungsschutzklage ein. Gisela Rosenbladt fühlte sich diskriminiert. Wegen ihres Alters.
Mit Ehemann Peter, 67, lebt Gisela Rosenbladt auf 73 Quadratmetern in einem Saga-Hochhaus. Ein bescheidenes Leben. Die 1900-Euro-Rente ihres Mannes und ihre 236 Euro müssen reichen. Allein 300 Euro zahlen sie pro Monat für ihren schwer behinderten Sohn Frank, 46. Auch deshalb habe sie weiter arbeiten wollen, sagt sie, und dann sei da noch die Angst vor Altersarmut gewesen, die sie seit einer schweren Erkrankung ihres Mannes verfolgt.
Anfang Januar 2009 legte das Hamburger Arbeitsgericht dem EUGH die Sache vor. Das Gericht möge prüfen, ob eine Altersgrenze bei tariflichen Beschäftigungsverhältnissen gegen das im EU-Recht verankerte Verbot der Altersdiskriminierung verstoße. Die europäischen Richter befanden nun: Zwar stellten Klauseln über die automatische Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eine "auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung" dar. Gleichzeitig seien diese jedoch gerechtfertigt, wenn politische Ziele sie als "objektiv und angemessen" erscheinen ließen.
Ungewöhnlich deutlich habe der EUGH zur Frage der Altersgrenze Stellung genommen, sagt der Bonner Arbeitsrechtler Professor Gregor Thüsing. "Die Frage der automatischen Entlassung bei Erreichen einer Altersgrenze ist nun rechtssicher geklärt." Auch für ähnlich gelagerte, am EUGH anhängige Verfahren sieht Thüsing schwarz. "Der EUGH hat eine klare Richtung auch für die Beurteilung anderer Fälle erkennen lassen." Das gilt offenbar auch für den Fall von Carlos A.R., 65. Wie Gisela Rosenbladt hatte der Haltestellenwärter wegen Altersdiskriminierung gegen seinen Arbeitgeber, die Hamburger Hochbahn, geklagt - und in erster Instanz recht erhalten. "Dieser Entscheidung ist nun wohl die Grundlage entzogen", sagt Arbeitsrechtler Thüsing.
Der Streit zwischen Rosenbladt und ihrem Ex-Arbeitgeber geht nun zurück ans Hamburger Arbeitsgericht und dann in die nächste Runde - "aber hoffentlich erst, wenn ich die Schlappe verdaut habe", sagt die 67-Jährige.