Schauspieler als Patienten, Geschicklichkeitstest und 80 wissenschaftliche Fragen. Ob Sie die Prüfung geschafft hätten, können Sie hier testen.

Hamburg. Wieviele Chromosomen enthält die normale menschliche Zelle? In welcher Phase des Zellzyklus' findet die Replikation der DNA in Körperzellen statt?

Rund 900 Studienbewerber brüteten am Freitagvormittag im Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf über solchen und auch noch weitaus komplizierteren Fragen. Als um 12 Uhr die Papiere eingesammelt wurden, hatten sie sich zwei Stunden lang durch einen Prüfungskatalog mit insgesamt 80 Multiple-Choice-Fragen gekämpft. Ihr gemeinsames Ziel: Einen der begehrten Medizinstudienplätze zu ergattern. Und das ist gar nicht so einfach.

Das UKE vergibt 60 Prozent der verfügbaren Studienplätze nach einer Rangliste, in der die Abiturdurchschnittsnote und das Testergebnis zusammengezählt werden. Man will die künftigen Studenten ganz genau unter die Lupe nehmen. Zu viele sind in den vergangenen Jahren nämlich daran gescheitert, dass sie versäumtes Wissen aus den naturwissenschaftlichen Fächern der Oberstufe nicht aufholen konnten. Zwar beträgt die Abbrecherquote in medizinischen Studiengängen am UKE nur 10 Prozent, dennoch: "Mit insgesamt rund 200.000 Euro ist ein solches Studium mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Durch den Naturwissenschafts-Test gleich zu Beginn stehen die Chancen gut, die Zahl der Abbrecher noch zu verringern", so Wolfgang Hampe, Professor für Biochemie und Koordinator des Auswahlverfahrens.

Die 100 Testabsolventen mit den meisten Punkten können voraussichtlich schon am Montag aufatmen: Sie haben sich den Studienplatz gesichert. 200 weitere können sich dann eine Woche später in einem zweiten Auswahlverfahren profilieren. Dabei geht es allerdings nicht in erster Linie um vorhandenes Schulwissen, soziale Kompetenzen stehen hier im Vordergrund. In Mini-Interviews werden sich die angehenden Mediziner mit Schauspielern auseinandersetzen, die sie vor überraschende Aufgaben stellen.

Insgesamt neun Stationen müssen sie durchlaufen und in Rollenspielen improvisieren. "Bitte erklären Sie dem Patienten den Unterschied zwischen einer analogen und einer digitalen Uhr", lautete beispielsweise eine Aufgabe im vergangenen Jahr . Von je zwei geschulten Juroren werden die Bewerber im Anschluss nach vorgegebenen Kriterien bewertet. Die Teilnehmer haben eine 50:50-Chance: nur die 100 Besten bekommen die übrigen Plätze. Aspiranten auf einen Zahnmedizinstudienplatz werden zudem in einem neu entwickelten Drahtbiegetest auf ihre manuelle Geschicklichkeit hin geprüft.

Während die Bewerber im vergangenen Jahr jeweils entweder zum Naturwissenschafts-Test oder zum Interview gebeten wurden, nehmen 200 von ihnen nun also an beiden Verfahren teil. "Wir finden es wichtig, die künftigen Studenten sowohl auf ihre wissenschaftlichen als auch auf ihre sozialen Kompetenzen hin zu testen.", so Hampe. Dieses Verfahren eröffne so auch Bewerbern mit weniger gutem Abi-Durchschnitt die Möglichkeit, Medizin zu studieren: "Früher war nach einem NC von 1,5 Schluss, durch die neuen Tests haben nun auch Abiturienten mit einem Durchschnitt von 2,0 die Chance auf einen Studienplatz."

„Ärzte und Zahnärzte brauchen mehr als ein sehr gutes Abitur. Die Medizinische Fakultät möchte unter den vielen sehr guten Bewerbern diejenigen auswählen, die sowohl die naturwissenschaftlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium als auch psychosoziale Fähigkeiten oder, bei Zahnärzten, manuelles Geschick für den guten Umgang mit Patienten mitbringen“, erklärt auch Professor Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät des UKE, das Ziel des Verfahrens.

Deutschlandweit ist Hamburg die einzige Universität, die die Bewerber einem solch aufwändigen zweistufigen Auswahlverfahren unterzieht, das zudem noch selbst entwickelt wurde. "Insgesamt beteiligen sich mehr als 100 Dozenten, 35 Schauspieler und 50 weitere Helfer an der Auswahl, so dass die neuen Studierenden meist bereits Anfang September eingeschrieben sind und sich in Ruhe vorbereiten können“, sagt Professor Wolfgang Hampe. Diese Anstrengung leiste die Medizinische Fakultät gerne, um gute und zu ihr passende Bewerber zu finden.

An der Medizinischen Fakultät des UKE studieren derzeit 2.654 Menschen Humanmedizin, weitere 523 Studierende haben das Ziel, Zahnarzt zu werden. Zum Semesterbeginn im Oktober 2010 werden insgesamt 436 Erstsemester aufgenommen (369 Humanmedizin, 67 Zahnmedizin).

Übrigens: Die menschliche Zelle verfügt in der Regel über 23 Chromosomenpaare, also 46 Chromosomen, und die Replikation (Vervielfältigung) der DNA in Körperzellen findet in der Interphase statt. Hätten Sie's gewusst?