Der Innensenator und designierte Bürgermeister eröffnet das Stuttgarter Weindorf. Der Heidelberger ist den Hamburgern allerdings noch fremd.
Hamburg. Mehr Heimspiel geht eigentlich nicht. Der Heidelberger Christoph Ahlhaus , aufgewachsen im Schatten des größten Weinfasses der Welt, lagernd im dortigen Schloss, eröffnet das Stuttgarter Weindorf auf dem Rathausmarkt.
Trollinger Roséwein trinken, der 23-jährigen württembergischen Weinkönigin zuprosten, sich vom dortigen Tourismusverband viel Erfolg wünschen lassen. Und dann ist noch der Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, ein Kollege aus der Heimatregion, zum Anstoßen vorbeigekommen. Na, da möchte man doch meinen, das seien beste Voraussetzungen für den Innensenator, um sich der Stadt zum ersten Mal als Bürgermeister in spe zu präsentieren.
"Wer kommt da? Ole?" "Nein, Ole kommt nicht mehr." "Das ist der Neue." "Ach, der Neue? Wie heißt der noch?" "Althaus." "Althaus?" "Nee, Ahlhaus." "Wer?" "Ach, ich kann mir das nicht merken." "Wie, der Ahlhaus kommt? Na, dann kann ich ja gehen."
Sich den Hamburgern mal richtig vorzustellen, da braucht es keinen PR-Strategen, scheint angesichts der Kommentare von Weindorf-Besuchern durchaus ratsam. Viele Hamburger kennen i hren zukünftigen Mann im Rathaus noch gar nicht, ob sie ihn mögen, ist noch eine ganz andere Frage. Doch der gelernte Banker und Jurist ist vor neun Jahren nicht der frischen Seeluft wegen nach Hamburg gekommen, sondern um Karriere zu machen. Dazu gehört ab sofort nicht mehr das Image des resoluten Polizei-Senators, sondern das Stimmensammeln.
Oder anders gesagt, er ist gekommen, um zu bleiben. Mehr als drei Stunden bleibt Christoph Ahlhaus im Weindorf. Seine Mitarbeiter werden schon nervös, der Oberbürgermeister aus Stuttgart bietet bereits freiwillig Fernsehinterviews an. Doch der Innensenator fühlt sich unter Süddeutschen anscheinend pudelwohl. Ahlhaus plaudert mit den Wirten über Vorbehalte gegenüber Schraubverschlüssen, über erhoffte Umsätze und das Wetter, seine Frau Simone weicht, stets strahlend, lachend, plaudernd, nicht von seiner Seite, und überall gibt's ein Gläschen dazu, jetzt bevorzugt Riesling. Dass Ahlhaus selbst lieber Grauburgunder trinkt, Nebensache. Ja, hier auf dem Weindorf unter Maultaschenverkäufern und Wengertern, den schwäbischen Weingärtnern, wandelt er auf vertrautem Terrain.
Einziger Haken: Viele, die ihn da kennenlernen, sind keine Hamburger. An den langen Biertischen sitzen größtenteils Touristen. Klar, neugierig sind die schon ("Guck'mal, da ist irgend so'n hohes Tier"), doch in eineinhalb Jahren, wenn Wahlen sind, nützt Ahlhaus das wenig. Die Hamburger - die ihn erkennen - sind nach dessen Vorbeischlendern auch nicht schlauer. "Sympathisch? Das kann ich noch nicht sagen", sagt Manfred Voßhenrich, 63. "Das muss sich erst entwickeln", sagt seine Frau Mareike, 61. Michael Wunder, 64, fand Ole von Beust gut, aber nicht sympathisch. Olaf Scholz findet er nicht schlecht, zumindest das, was der so sagt. Bei Christoph Ahlhaus schüttelt er nur den Kopf.
Zum Glück, an vereinzelten Tischen wird geklatscht, eine Seniorengruppe winkt, und ein paar Hände darf Ahlhaus dann auch schütteln. Da lacht er herzlich, dass die Augen fast verschwinden. Ein Politiker zum Anfassen ist er noch nicht. Die einzige Einladung zum Wein eines älteren Herrn mit hoher Stirn und beige-grauer Weste nimmt er nicht an. - "Danke, ich hatte schon so viel."
Da unten mag man sich streiten, ob Christoph Ahlhaus nun Nordbadener ist oder Kurpfälzer, hier oben ist er schlicht Süddeutscher. Und ab 25. August wäre er der erste süddeutsche Hamburger Bürgermeister. Zumindest ist Ahlhaus mit seinen 40 Jahren nicht der jüngste, Hans-Ulrich Klose (übrigens gebürtiger Breslauer) war seinerzeit erst 37. Doch ob die beiden Urhamburger Damen, die ihr ergrautes Haar kräftig rot gefärbt tragen, dafür schon reif sind? "Das ist jetzt also mein Bürgermeister?", fragt die eine. "Sieht so aus", sagt die andere.
Dass Christoph Ahlhaus in der Lage ist, viele Dinge mit Humor zu nehmen, beweist er nach der kaum enden wollenden Ansprache des Stuttgarter Tourismuschefs Fritz Mutter: "Die Schwaben gelten ja als geizig", sagt er. "Geizig an Worten seid ihr aber nicht." Da lachen auch die Hamburger.
Doch ob es reicht, im Hamburger Rathaus zu heiraten, das norddeutsche Wort "klönen" fest in seinen Wortschatz zu integrieren und sein Obst gern auf dem Fischmarkt zu kaufen, um die Hamburger für sich zu gewinnen? Nächste Woche eröffnet Christoph Ahlhaus den Sommerdom. In seiner Heimat heißt so was Kirmes. Aber Volksfest bleibt zum Glück ja Volksfest.