CDU-Chef Schira dementiert Rücktrittsgerüchte: “Ich weiß davon nichts“. Insider verrät: “Die Partei ist enttäuscht vom Bürgermeister.“
Hamburg. Derzeit möchte man nicht Christdemokrat in Hamburg sein. Für die Regierungspartei im Rathaus und ihre Mitglieder kommt es knüppeldick: Am Wochenende haben sich gleich mehrere Unions-Kultusminister, Parteifreunde also, scharf gegen die Primarschule ausgesprochen, die die CDU mit dem grünen Koalitionspartner durchsetzen will. Wer das Interview mit Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) und ihrer baden-württembergischen Amtskollegin Marion Schick (CDU) im Nachrichtenmagazin "Focus" sieht, kann beinahe Feindseligkeit herauslesen.
Und dann ist da noch die schwelende Führungsfrage: Tritt Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Sonntag, dem Tag des Volksentscheids über die Primarschule, oder direkt danach zurück? Bleibt er im Amt und startet noch einmal durch? Die Hamburger CDU ist in diesen heißen Julitagen eine Partei, die zwischen Fatalismus und der Hoffnung schwankt, dass sich plötzlich doch noch alles zum Guten wendet.
Beide Fragen - die nach der Zukunft der Schulen und der des Regierungschefs - hängen zusammen. Wie kein zweiter Christdemokrat hat sich von Beust für die in der Stadt umstrittene sechsjährige Primarschule eingesetzt, die auch in seiner Partei, milde formuliert, ungeliebt ist. Der CDU-Parteitag hat das Reformpaket dennoch fast einstimmig beschlossen - viele haben nicht aus Überzeugung, sondern aus Loyalität zu von Beust Ja gesagt.
Der wiederum ließ es zu, dass seit Monaten Gerüchte über seinen baldigen Abschied aus dem Amt - nach fast neun Jahren - die Runde machten und sich längst verselbstständigt haben. In der vergangenen Woche nannte der Bürgermeister alle Rücktrittsgerüchte "Gequatsche und Getratsche". Fast im selben Atemzug sagte er jedoch im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" auf die Frage, ob es in diesem Jahr einen Bürgermeisterwechsel gebe: "Ich will mich jetzt nicht festlegen, wann ich über meine Zukunft entscheide." Klarheit sieht wahrlich anders aus.
Eigentlich dürfte es die Diskussion im Vorfeld des Volksentscheids gar nicht geben. Von Beust hat immer erklärt, dass es sich um eine Abstimmung über eine Sachfrage handelt und nicht über die Zukunft des Bürgermeisters oder des schwarz-grünen Senats. Sollte von Beust dennoch kurz entschlossen gegen seine politische Überzeugung die Brocken hinwerfen, dann wäre das ein sehr einsamer Entschluss. "Ich weiß von einem Rücktritt nichts", sagte Partei- und Fraktionschef Frank Schira gestern dem Abendblatt. "Es ist heiß in der Stadt, und es wird immer spekuliert." Schira ist nach von Beust der zweitwichtigste CDU-Mann. Ohne oder gegen ihn kann auch von Beust nichts ausrichten. So gesehen wäre ein Rücktritt am Sonntag oder Montag ein immenser Vertrauensbruch. Das ist nicht vorstellbar bei von Beust, dem persönliche Integrität sehr viel bedeutet.
Also alles klar? Fast. Insider irritiert eine Einladung. Schira hat ausgerechnet für den kommenden Sonntag, 16 Uhr, zu einer Sitzung des neu gewählten Landesvorstands eingeladen. Kommt es hier zum großen "Paukenschlag", wie ein erfahrenes CDU-Mitglied meint? Erklärt von Beust zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale - also unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids - dem Führungsgremium der Partei, dass er aufhören will? Schira hat eine einfache Erklärung für das Treffen: Die neuen Mitglieder sollen sich vorstellen, außerdem gelte es, eine lange Tagesordnung abzuarbeiten.
In der CDU wächst gleichwohl der Unmut über von Beust. Die quälende Ungewissheit und die schlechten Umfragewerte zermürben viele. "Die Partei ist enttäuscht vom Bürgermeister", sagt einer, der immer ein Ohr an der Basis hat. Manche hätten sich ein kraftvolles "Jetzt erst recht" und ein klares Bekenntnis des Bürgermeisters zum Weitermachen auf dem Parteitag Ende Juni gewünscht. Das Signal blieb aus. "Sein Ansehen bröckelt", sagt einer, der zum Beispiel nicht verstehen kann, warum von Beust in Interviews "Eliten-Schelte" betreibt und damit nicht zuletzt die CDU-Klientel attackiert.
Und wie immer der Volksentscheid auch ausgeht: Ob Senat und Bürgerschaft knapp gewinnen oder knapp verlieren: Der Streit über die Primarschule wird nicht vorbei sein - auch nicht in der CDU. "Mir ist völlig rätselhaft, wie wir die Scherben wieder zusammengekehrt kriegen", sagt ein CDU-Insider.