Hamburg ist das erste Bundesland, in dem Lärm von Kitas als normal gelten soll - auch wenn es zu Streitigkeiten vor Gericht kommt.
Hamburg. Was haben der Lärm eines Kraftwerks, eines Schreinereibetriebs oder eines Presslufthammers mit Kindergeschrei in einer Kita gemeinsam? Sie wurden bislang mit demselben Maßstab beurteilt. Geschuldet ist das dem Bundesimmissionsschutzgesetz, das in den vergangenen neun Jahren in Hamburg nicht weiter ergänzt worden war. Mit dem neuen Lärmschutzgesetz, das gestern der Bürgerschaft überreicht wurde, wird das Thema Kinderlärm nun explizit gesetzlich geregelt. Damit ist Hamburg das erste Bundesland, in dem Lärm von Kitas als normal und selbstverständlich gelten soll - auch wenn es zu Streitigkeiten vor Gericht kommt.
"Mit dem neuen Gesetz soll es den Richtern möglich sein, in Zukunft im Sinne der Kinder zu entscheiden", sagt Volker Dumann, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Ein ähnliches Gesetz auf Landesebene gibt es bislang nur in Berlin. Das Hamburger Gesetz gehe allerdings noch weiter, so Dumann, da es sich speziell auf Kitas beziehe. "Hamburg setzt damit ein Zeichen", sagt Stephan Müller, familienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Sicherlich könne Toleranz gegenüber Kinderlärm nicht per Gesetz verordnet werden. Es zeige aber, dass die freie Entfaltung von Kindern in Hamburg hohe Priorität genießt.
Um den hohen Bedarf an Kitas in der Stadt zu decken, sind die Hamburger Bauplaner per Gesetz dazu aufgefordert, Kitas in neuen oder sich veränderten Bebauungsplänen zu berücksichtigen. Wird ein reines Wohngebiet festgesetzt, müssen Ämter und Bezirke sofort prüfen, ob Kitas generell zulässig sein sollen. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass es später zu weniger Problemen führen wird. So sorge der Senat für mehr Sicherheit bei der Planung und den Betrieb von Kitas, sagt Christiane Blömeke, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion. Dieser Ansicht ist auch die Geschäftsführerin der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten, Franziska Larrá. Sie zeigte sich erleichtert, sei es doch in Hamburg schwierig, neue Kitas zu bauen. "Es ist toll, dass Kinder jetzt ganz selbstverständlich auch mal laut sein dürfen - gerade in Kitas", sagt sie.
Doch nicht nur rund um Kindertagesstätten, in ganz Hamburg haben sich Nachbarn in der Vergangenheit über Lärm in die Haare gekriegt. Denn mit dem Auslaufen des Hamburger Lärmschutzgesetzes 2001 hatte es keine klaren Vorschriften, sondern nur die sehr allgemeinen Richtlinien des bundesweit gültigen Ordnungswidrigkeitsgesetzes sowie des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben. Angaben zu Ruhezeiten? Fehlanzeige. "Jetzt gibt es endlich klare Richtlinien, was Orte, Lärmarten und Zeiten angeht", so Behördensprecher Dumann. Bei Vergehen sind jetzt Bußgelder von bis zu 5000 Euro möglich. Das freut auch die Mieter. Seit Jahren habe der Mieterverein darauf gedrungen, mit einer neuen Regelung Klarheit zu schaffen. "Betroffene waren bislang ratlos", sagt der Vize-Vorsitzende Siegmund Chyla. "Jetzt kann man sich endlich auf etwas berufen."
Die Kita-Expertin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Carola Veit, zeigte sich enttäuscht: "Der Senat bleibt leider hinter seinen Handlungsmöglichkeiten zurück, das Lärmschutzgesetz wird den Kitas kaum helfen." Vielmehr würde eine konkrete Kita-Bedarfsplanung helfen, die den Bezirken klare Ansagen machen. Zudem wundere sie sich darüber, dass sich das Gesetz auf Kitas beschränke und andere Jugendeinrichtungen außen vorlasse. Gar nicht enthalten in dem Gesetz ist übrigens eine Regelung, die die Lautstärke in Discos beschränkt. Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU) hatte vergangenes Jahr ein entsprechendes Gesetz gefordert. Laut Umweltstaatsrat Christian Maaß (GAL) ist dieser Plan jedoch derzeit vom Tisch.