Chef der Elbliberalen wirft “aus persönlichen Gründen“ hin. Parteiinterne Machtkämpfe lassen ein Tauziehen um den Landesvorsitz erwarten.
Hamburg. Es war ein Rücktritt ganz nach Art der Hamburger Freien Demokraten - ansatzlos und ohne tiefere politische Begründung. Rolf Salo , der Chef der Elbliberalen, warf am Montagabend vor den Augen seiner verblüfften Kollegen im Landesvorstand die Brocken hin. "Hiermit trete ich aus persönlichen Gründen mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als Landesvorsitzender zurück", las Salo von einem Zettel ab. Erläuterung: Fehlanzeige. Ein Satz nur, dann ein Abgang ohne Worte.
+++ Hamburgs FDP-Chef tritt überraschend zurück +++
Ähnlich abrupt hat schon einmal ein FDP-Chef alle Ämter aufgegeben. Im Juni 2007 erklärte der heutige Bürgerschaftsabgeordnete Wieland Schinnenburg nach einer kontroversen und turbulenten Sitzung des Landesvorstands seinen Rücktritt als Parteichef. Strafverschärfend für seine Partei kam damals noch hinzu, dass mit Schinnenburg sieben Monate vor der Bürgerschaftswahl auch gleich der Spitzenkandidat abhanden gekommen war.
Wer nach Gründen sucht, warum die FDP in einer liberalen und weltoffenen Stadt wie Hamburg seit zwei Jahrzehnten nur im Ausnahmefall politisch eine Rolle spielt, der hat in dieser Woche eine Antwort erhalten. Das Führungspersonal, das sich zum größten Teil seit Jahren kennt, attackiert sich ausdauernd in Grabenkämpfen. Dabei geht es nicht um politische Inhalte, sondern darum, ob dem einen die Nase des anderen passt oder nicht. Und wer wessen Karriereplänen im Wege steht. Das Problem: Die kleine Partei hat nur wenige Posten und Mandate zu vergeben. Das Gedrängel ist daher groß.
+++ Machtkampf in Hamburgs FDP +++
Dabei hatten sich die Liberalen seit dem überraschenden Wiedereinzug in die Bürgerschaft vor einem Jahr durchaus konsolidiert. Weil die Fraktion mit Katja Suding an der Spitze die Sacharbeit vor die personelle Profilierung stellte, gerieten alte Feindseligkeiten zunehmend in Vergessenheit. Das war durchaus das Verdienst des Parteichefs Salo, der selbst keine Karriere-Ambitionen verfolgte.
Seit 2009 war der 62 Jahre alte Unternehmer Parteichef und bewies damit mehr Durchhaltevermögen als die meisten seiner Vorgänger. "Drei Jahre FDP-Chef sind gefühlte 30 Jahre", sagte Salo später. Aber Salo war nicht nur erschöpft, er war auch isoliert. Die Parteispitze und die Bürgerschaftsfraktion hatten sich klar für die Forderung nach einem sofortigen Rücktritt des Mitte-Bezirksamtsleiters Markus Schreiber (SPD) im Fall der elfjährigen Chantal ausgesprochen.
Nur Salo wollte erst alle Untersuchungen abwarten. In einer Präsidiumssitzung kam es zum Schwur: Fünf zu eins lautete das Votum für die Rücktrittsforderung. Salo stand allein. Nun befürchten manche Parteifreunde, dass der spendable Unternehmer das Interesse an der finanziellen Unterstützung der klammen Partei verlieren könnte.
In der sofort einsetzenden Diskussion um die Nachfolge von Rolf Salo hielt sich einer auffällig zurück: der Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen. Dabei hätte BMS, wie ihn Parteifreunde nennen, allen Grund zum Jubel gehabt. Mit Salo war einer seiner härtesten Widersacher abgetreten. Salo hatte sich 2009 überraschend gegen Müller-Sönksen bei der Wahl zum Landesvorsitzenden durchgesetzt, dessen Griff zur Macht also vereitelt. Später leisteten Salo und seine Getreuen ganze Arbeit: Sie drängten Müller-Sönksen und die zweite Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel, die zum Müller-Sönksen-Lager gehört, aus dem Landesvorstand. Gipfel des kuriosen Spielchens: Salo entzog der Bildungspolitikerin Canel das Amt der bildungspolitischen Sprecherin ihrer Partei. Salo, kein Bildungspolitiker, wollte nun selbst, auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um die Primarschule, die Bildungspolitik kommentieren. Viel hatte er nicht zu sagen.
An Müller-Sönksen, der mit seiner quirligen Art den Liberalen durchaus Aufmerksamkeit beschert, scheiden sich seit Jahren die Geister. Er war es auch, der 2007 am Sturz Schinnenburgs maßgeblich beteiligt war. Der sprach von einem "Kesseltreiben maßgeblicher Funktionäre" gegen ihn. Müller-Sönksen hatte lange ein Wahlkampfkonzept von Schinnenburg für die Bürgerschaftswahl 2008 eingefordert. Als es dann vorlag, präsentierte die Müller-Sönksen-Getreue Canel kurz vor der entscheidenden Vorstandssitzung ein Gegenkonzept. Schinnenburg fühlte sich hintergangen und warf hin.
Mit ihm trat übrigens auch ein gewisser Rolf Salo als Parteivize zurück. Er hatte bei der Listenaufstellung für die Wahl auf Platz zwei den Kürzeren gegen Hinnerk Fock gezogen, der damals noch auf die Unterstützung Müller-Sönksen rechnen konnte. Wer meint, dass es in diesem Durcheinander auch nur einmal ernsthaft um inhaltliche Differenzen geht, der irrt.
Das bevorstehende Tauziehen um den Landesvorsitz ist nur das Vorspiel zu einer noch härteren Auseinandersetzung: Im Dezember nominiert die FDP ihre Kandidaten für die Bundestagswahl. Dabei geht es um die wenigen bezahlten Jobs für Hamburger Liberale, der Parteichef arbeitet ehrenamtlich. Die Entscheidung gewinnt an Dramatik, weil bei realistischer Betrachtung nur Listenplatz 1 eine Chance hat. Das könnte die beiden Weggefährten Canel und Müller-Sönksen schon bald entzweien, weil nur einer gewinnen kann.
+++ Katja Suding in FDP-Bundesvorstand +++
Die spannende Frage ist, ob das Salo-Lager, seines Kopfes beraubt, noch zusammenhält und Mehrheiten gegen Müller-Sönksen und Canel organisiert. Es ist durchaus denkbar, dass ein dritter Bewerber seinen Hut in den Ring wirft, schon um den beiden eins auszuwischen. Bürgerschafts-Fraktionsvize Thomas-Sönke Kluth werden Ambitionen nachgesagt. Der bedächtige Rechtsanwalt ist ein erklärter Müller-Sönksen-Gegner. In der Hamburger FDP kann das schon Motivation genug für eine Kandidatur sein.