Im Streit um das Bau-Areal für die Handelskammer spricht der Senat auf Grünen-Anfrage von einem fiktivem Wert von 3,3 Millionen Euro.
Hamburg. Im politischen Streit um das Grundstück am Adolphsplatz, auf dem die Handelskammer ein Bildungszentrum baut, sind jetzt neue Zahlen bekannt geworden: Wie aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des GAL-Wirtschaftsexperten Anjes Tjarks hervorgeht, hat die zuständige Geschäftsstelle des Gutachterausschusses den "Bodenwert des fiktiven Grundstücks" ermittelt und diesen auf "gerundet 3,3 Millionen Euro" beziffert.
In der Senatsdrucksache, in der es um den Abschluss eines 75 Jahre dauernden Nutzungsvertrags mit der Handelskammer geht, ist nur von einem durch den Gutachterausschuss ermittelten Sondernutzungsentgelt von 1,64 Millionen Euro zu lesen. Von dieser Summe wurden zudem 1,55 Millionen Euro abgerechnet - wegen baulicher Mehraufwendungen (das Abendblatt berichtete). Diese werden laut Senatsdrucksache, die dem Abendblatt vorliegt, "insbesondere durch das Vorhandensein und den Betrieb der U-Bahn-Linie (U 3) unterhalb der Baufläche erforderlich". Die Handelskammer muss nun ein Nutzungsentgelt von 93.038 Euro bezahlen.
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Die jetzt genannte Zahl von 3,3 Millionen Euro für das Grundstück sorgt für Kritik des GAL-Politikers Tjarks: "Die Art und Weise der Wertermittlung verwundert mich sehr. Der bauliche Mehraufwand wird gleich doppelt abgezogen." Das sehe nach einer sehr kreativen Art der Wertermittlung aus, die in der Summe zu einem Preisnachlass von mehr als 94 Prozent geführt habe, so Tjarks weiter. Der FDP-Wirtschaftsexperte Thomas-Sönke Kluth fordert Aufklärung: "Das Bildungszentrum ist ein wichtiges und zukunftsweisendes Vorhaben. Wirtschaftssenator und Handelskammer sollten transparent machen, auf welcher Entscheidungsgrundlage sie ihre Vereinbarung getroffen haben, um Schaden von dieser innovativen Einrichtung abzuwenden." Für SPD-Wirtschaftsexperte Jan Balcke sind die "3,3 Millionen Euro neu. Die Behörde wird die Fragen dazu sicherlich beantworten können."
Die Wirtschaftsbehörde antwortete auf Abendblatt-Anfrage sehr ausführlich. Unter anderem heißt es: "Der Gutachterausschuss hat keinen Grundstückswert ermittelt. Es handelt sich nicht um ein einheitliches Grundstück, sondern um die Überbauung unterschiedlicher Teile von Grundstücken im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg", sagte Sprecherin Susanne Meinecke. Der Betrag von 3,3 Millionen Euro stelle somit den Bodenwert eines fiktiven Grundstücks dar.
Zu der weiteren Berechnung für die Handelskammer sagte Meinecke: "Für besondere bauliche Aufwendungen hat die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses 1,26 Millionen Euro brutto von den 3,3 Millionen in Abzug gebracht. Darüber hinaus wurden ein Lageabschlag aufgrund der von der U-Bahn ausgehenden Immissionen in Höhe von 396 000 Euro sowie ein Ausgleichsbetrag für die Ablösung der Stellplätze und Fahrradplätze in Höhe von 150 000 Euro in Abzug gebracht, sodass der Gutachterausschuss im Ergebnis einen Bodenwert von rund 1,5 Millionen Euro ermittelte." Auf die Frage, ob die baulichen Mehraufwendungen gleich zweimal abgezogen wurden, antwortete Meinecke mit Nein. Dazu dann folgende Begründung: "Bei dem Betrag von 1 643 038 Euro handelt es sich um das Entgelt für die vorgesehene Laufzeit des Nutzungsvertrags. (...) Nach dem Nutzungsvertrag ist die Nutzerin berechtigt, von diesem (...) Betrag die nachgewiesenen Kosten für Aufwendungen abzusetzen, die zur Errichtung des Gebäudes aufgrund des Vorhandenseins und zum Schutz des Betriebs der U-Bahn-Linie unterhalb der Baufläche erforderlich werden." Der auf Nachweis durch die Nutzerin vom Entgelt abzugsfähige Höchstbetrag sei vertraglich auf 1,55 Millionen Euro festgelegt, sagte Meinecke weiter.
Für Anjes Tjarks ist die Aussage der Behörde nicht nachvollziehbar: "Dass die Behörde einen doppelten Abzug verneint, ist eine erstaunliche Behauptung. Denn die baulichen Mehraufwendungen sind bereits zu den 3,3 Millionen Euro in Abzug gebracht."
Tjarks sagt: "Es ist auffällig, wie sehr die Behörde bei diesem Vorgang geheimniskrämert, dazu gehört wohl, auch auf Fragen mindestens missverständlich zu antworten. Es ist an der Zeit, dass der ehemalige Handelskammerpräses und heutige Wirtschaftssenator Frank Horch sich erklärt und für Transparenz rund um dieses Immobiliengeschäft sorgt." Aus der Wirtschaftsbehörde heißt es dazu: "Als Präses der Handelskammer war Senator Horch mit diesem Vorgang vertraut, aber nicht der Projektverantwortliche", sagte Sprecherin Susanne Meinecke. Als Senator - Frank Horch ist seit März 2011 im Amt und war zuvor bis Januar 2011 Kammerpräses - habe er von dem Stand der jeweiligen Verhandlungen zwischen der Stadt und der Handelskammer bis zur Senatsbefassung keine Kenntnis gehabt, so Meinecke. Die Verhandlungen seien auf "Senatoren- und Staatsratsebene" durch Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Professor Hans-Jörg Schmidt-Trenz geführt worden, sagte dessen Sprecher Jörn Arfs. Die vom Gutachterausschuss ermittelte Summe von 3,3 Millionen Euro ist der Handelskammer laut Arfs nicht bekannt.