Die Anwohner des Viertels mit dem Revoluzzer-Image sind offenbar zunehmend genervt von dem Wandel zu einem allgemeinen Amüsierquartier.
Hamburg. Der Hamburger Verkehrsverbund wirbt im Speckgürtel Hamburgs bereits mit "kulinarischen Ausflügen in das Szeneviertel" Schanze. An Wochenenden sind die Kioske rund um die Susannenstraße zudem Magnet für Jung-Erwachsene geworden, die sich dort mit Alkoholmischgetränken eindecken. Doch die Anwohner des Viertels mit dem Revoluzzer-Image sind offenbar zunehmend genervt von dem Wandel zu einem allgemeinen Amüsierquartier. Sie haben sich nun zu einer Initiative zusammengetan und sich dem Netzwerk "Recht auf Stadt" angeschlossen, das an vielen Fronten in der Stadt gegen Veränderung in Hamburger Stadtteilen kämpft.
Erklärtes Ziel der neuen Schanzen-Initiative: Ein Ende der "Ballermannisierung" fordert sie in Anspielung auf die berüchtigte Sauf- und Partymeile von Mallorca. Auch die geplante Musik-Halle mit 4000 Plätzen an der Feldstraße sieht sie in diesem Zusammenhang und formiert bereits den Widerstand gegen solche Pläne. Am Wochenende trafen sich rund 70 der streitbaren Anwohner nun zu einer Art spontanem Protestrundgang. "Wir wollen hier auf die Veränderungen aufmerksam machen", sagte Initiativensprecher Georg Möller. Der gelernte Jurist wohnt seit mehr als 20 Jahren im Viertel. Bei vielen der Rundgangsteilnehmer sind die Haare mittlerweile grau geworden. "Wir sind eben renitente alte Säcke", so Möller.
Was genau die Schanzen-Bewohner stört, das demonstrierte Möller mit einem Vergleich: Etwa 8000 Menschen wohnen im Schanzenviertel - das Vierfache komme mittlerweile am Wochenende als Besucher hinzu: "Das ist so, als ob vier Leute zu Besuch nach Hause kommen, von denen man zweieinhalb nicht kennt und einen nicht ausstehen kann." Von einer Gewerbefreiheit der Kioske und Gastroläden, die "völlig von der Leine gelassen wurde und außer Kontrolle ist", spricht indes Lothar Taubert. Der hochgewachsene Bauingenieur ist Geschäftsführer eines Wohnprojekts in der Schanze und hat dort Lärmpegel gemessen. "Die zugelassenen Werte werden bis tief in die Nacht überschritten", sagt er.
Tatsächlich vollzieht sich in dem Viertel auch nach Erkenntnis des Vereins "Mieter helfen Mietern" ein Strukturwandel: besonders bei den Gewerbemieten, die schon Beträge bis zu 50 Euro und mehr pro Quadratmeter erreichen könnten. Die Folge: Kleine Läden, Bäckereien, Handwerker geben auf. "Was wir hier haben, sind nur noch Restaurants, teure Klamottenläden und Friseure", sagte Anwohner Frank Hilke (50). Als ersten Schritt will die Initiative nun verhindern, dass der zuständige Bezirk Altona sein Vorhaben umsetzt, die Fläche der Außengastronomie noch zu erweitern. Das, so fürchten die Anwohner, würde die letzten Schleusentore zu einem totalen Amüsierviertel öffnen.