Hochtief hält die Eröffnung der Elbphilharmonie im Mai 2012 für unmöglich. Bauherr, Kultursenatorin und Intendant glauben aber weiter daran.
Hamburg. Im Streit um den Bau der Elbphilharmonie hat Hochtief zurückgeschlagen. Mehr als zwei Stunden lang begründeten Vertreter des Essener Bauimperiums gestern in Hamburg, warum das Unternehmen nicht für mögliche Mehrkosten und Verzögerungen verantwortlich sei. Kernaussage von Niederlassungsleiter Thomas Möller: "Die Elbphilharmonie wird definitiv nicht im November 2011 fertig, aus der geplanten Eröffnung im Mai 2012 wird definitiv auch nichts." Eine Verzögerung von einem Jahr sei realistisch.
Hauptgrund seien nicht oder nicht rechtzeitig vorliegende Pläne sowie immer neue Änderungswünsche der Stadt als Auftraggeber, beziehungsweise der Generalplaner, den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron. Allein seit Ende 2008 seien mehr als 1000 Änderungen eingegangen, davon etwa 100, die auf dem "kritischen Weg" lägen, so Möller, also Einfluss auf den Bauablauf nähmen. Der Rest betreffe Kleinigkeiten wie Türklinken oder Fußbodenbeläge. Probleme mache aber nur der im Gebäude aufgehängte Große Saal, alle anderen Teile des Baus, inklusive des 250-Zimmer-Hotels und der 45 Wohnungen, würden fristgerecht fertig.
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Ende 2008 hatten die Vertragsparteien im "Nachtrag 4" vereinbart, dass die Kosten für die Stadt von 114 auf 323 Millionen Euro steigen und die Fertigstellung des Gebäudes um ein Jahr auf Ende 2011 verschoben wird. Beides scheint nun schon wieder überholt. Wie sich das auf die Kosten auswirken könnte, wollte Möller nicht beziffern. Er bestätigte aber, dass Hochtief bislang Mehrkosten von 22,4 Millionen Euro angemeldet habe. Auch die Architekten fordern bereits 1,5 Millionen Euro mehr. Als Beispiel für kosten- und zeitaufwendige Änderungen nannten die Hochtiefmanager die Lüftung. Statt des geplanten Standardmodells mit gepolsterter Alu-Ummantelung wollten die Planer nun eine stahlummantelte Luxusvariante, die die Akustik weniger störe. "Ist alles möglich", sagte Möller, "kostet aber mehr und dauert länger." Weil diese Lüftung das Vierfache wiege, müsse die Statik neu berechnet werden. Dazu präsentierte der Baukonzern fünf Meter Regalwand mit Ordnern voller Statikberechnungen: Zwei Meter beträfen die Phase vor Ende 2008, die anderen drei Meter nur das vergangene Jahr.
Das dokumentiere, dass ständig Änderungen eingearbeitet werden müssten, so Möller: "Und wir zahlen nicht für Änderungswünsche." Hochtief übernehme nur selbst verschuldete Mehrkosten. Nach Abendblatt-Informationen verlangt der Konzern allein für die Lüftung 6,9 Millionen Euro mehr, für das Stahl-Tragwerk des Großen Saals sollen es 5,9 Millionen sein. Im Gegenzug kann die Stadt 13,9 Millionen Euro einbehalten, weil am 11. Januar nicht das 26. Obergeschoss betoniert war, sondern erst das 20.
Um die Frage, wer welche Kosten und Verzögerungen zu verantworten hat, wird sich die Auseinandersetzung weiterdrehen. Kulturbehörde und die städtische Realisierungsgesellschaft (Rege) weisen die Darstellung von Hochtief zurück und halten am geplanten Eröffnungstermin fest. "Wir lassen uns weder über den Termin noch über Kosten unter Druck setzen", sagte Heribert Leutner, Geschäftsführer der Rege. "Gerade die jüngst benannten Terminverzüge sind als Maximalpositionen zu bewerten. Das zeigt aber die Konfliktbereitschaft von Hochtief." Die Beteiligten bekundeten zwar den Willen, von nun an alle strittigen Punkte offen und sachlich abarbeiten zu wollen.
Gegenüber dem Abendblatt deutete Leutner aber bereits an, dass es am Ende doch vor Gericht gehen könnte: "Wir haben durchaus Konflikte, die wir bisher in Gesprächen thematisiert haben. Es gibt aber auch Themenbereiche, die gutachterlich geklärt werden und im schlimmsten Fall auch richterlich." Generalintendant Christoph Lieben-Seutter hatte kürzlich im Abendblatt zu den Drohungen von Hochtief gesagt: "Ich halte das für reine Verhandlungstaktik." Gestern ließ er mitteilen: "Wir gehen nach wie vor davon aus, dass das für Mai 2012 geplante Eröffnungskonzert stattfindet." In der Baseler Zentrale der Architekten wollte man von Planverzögerungen oder -änderungen nichts wissen: "Wir haben unsere Planungsbeiträge vertragsgemäß geleistet, die Behauptungen von Hochtief sind nicht nachvollziehbar."