Die SPD setzt Erwerb von 25,1 Prozent der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze durch, die GAL spricht allerdings von einer “Zumutung“.
Hamburg. Gerade sechs Wochen ist es her, dass in der Bürgerschaft beinhart um eine Entscheidung gerungen wurde und mit allen Tricks und Kniffen versucht wurde, sie zu verhindern, bevor die regierende SPD sich - zusammen mit der Linkspartei - doch durchsetzte. Ging es damals um den Kauf von Anteilen an der Reederei Hapag-Lloyd für 420 Millionen Euro, wiederholte sich die Geschichte gestern beim vom SPD-Senat eingefädelten Kauf von 25,1 Prozent der Energienetze für die ähnlich schwindelerregende Summe von 543,5 Millionen Euro.
Es dauerte bis um 22.18 Uhr, als ein Aufatmen durch das Regierungslager ging. Mit exakt den 62 Stimmen, die die SPD im Parlament hat - eine mehr als nötig -, wurde der Netze-Deal in namentlicher Abstimmung beschlossen. 54 Abgeordnete von CDU, Grünen, FDP und Linkspartei stimmten dagegen. Fünf von 121 Abgeordneten waren nicht anwesend.
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Die Entscheidung hatte sich um mehrere Stunden verzögert, weil die Sitzung wegen des Streits um die Wahl des Rechnungshofpräsidenten unterbrochen werden musste. Dabei war schon der gestrige Abstimmungstermin ein "Nachsitzen" um drei Wochen, weil die Opposition Mitte April geschlossen die nötige zweite Abstimmung verweigert hatte.
In der Debatte, die erst gegen 21 Uhr begann, waren die Positionen noch einmal unversöhnlich aufeinandergeprallt. "Der Netze-Rückkauf war von Anfang an ein Befehl des Bürgermeisters", sagte CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze. "Die parlamentarische Beratung ist eine Transparenz-,Show' geblieben." Die Bürgerschaft kenne weder alle Hintergründe der Verträge noch die vom Senat erwogenen Alternativen. Die Teilverstaatlichung der Energienetze helfe weder dem Klima noch den Verbrauchern. Jens Kerstan, Vorsitzender der GAL-Fraktion, kritisierte, dass der Senat die Chance nicht genutzt habe, endlich für die nötige Transparenz zu sorgen, die der Bürgermeister zuvor versprochen habe. "Ein desaströses Detail nach dem anderen kam in den Ausschussberatungen, durch Anfragen der Opposition und durch Presseberichte in den letzten zwei Wochen ans Licht", so Kerstan. "Aber unter Olaf Scholz funktioniert der Hamburger Senat nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam." Dora Heyenn, Vorsitzende der Fraktion Die Linke, warf dem Senat vor, "den Deal ohne Rücksicht auf Verluste durchzuziehen". Auch sie forderte wie Kerstan die SPD-Fraktion auf, die Zustimmung zu verweigern.
Thomas Sönke Kluth, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, nannte den Netze-Rückkauf einen Deal von maximalem Preis für minimalen Nutzen. Die Verträge seien "schlecht und mit heißer Nadel ausgehandelt worden".
Für die SPD verteidigte Haushaltsexperte Jan Quast das Geschäft: "Unser primäres Ziel ist es, die Energiewende voranzutreiben - das ist gelungen." Ein Konfrontationskurs gegen die Energiekonzerne, wie ihn die Befürworter des 100-Prozent-Rückkaufs gefahren hätten, hätte der Stadt geschadet. Im Übrigen habe der Senat alle Fakten vorgelegt, und alles sei sorgfältig im Parlament beraten worden.
Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) lobte die Opposition geradezu dafür, dass sie sich auch für Einzelheiten interessiert habe. "Das lohnt sich fast immer." Es gefalle ihm jedoch nicht, dass die Kritiker des Geschäfts sich hinter diesen Einzelheiten versteckten, um ihre grundsätzliche Ablehnung auszudrücken. "Die Forderungen der Opposition haben nur einen gemeinsame Nenner: das Handeln des Senats zu blockieren." Dessen Ziel formulierte Tschentscher so: "Mit der 25-Prozent-Beteiligung erhalten wir entscheidenden Einfluss, sichern 1,6 Milliarden Euro Investitionen in Hamburg und vermeiden Milliarden-Risiken." Um 22.18 Uhr stand dann fest, dass es für diese Haltung eine hauchdünne Mehrheit gibt.