In Hessen hat sie sich bewährt, Baden-Württemberg plant ihren Einsatz. Kommt die elektronische Fußfessel nun auch in Hamburg?
Hamburg. SPD-Innenexperte Andreas Dressel hat seine Forderung nach elektronischen Fußfesseln erneuert. Wie berichtet, könnten nach dem letztinstanzlichen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) 16 Schwerverbrecher aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden , obgleich die Gerichte sie weiterhin für gefährlich halten. Mit dem Instrument ließen sich die Sicherungsverwahrten nach ihrer Entlassung überwachen, ohne dass die Polizei übermäßig strapaziert werde, sagte Dressel. Es sei an Justizsenator Till Steffen (GAL), das Thema auf die politische Agenda zu setzen. Steffen reagierte zurückhaltend und sagte: "Wir müssen die Maßnahme der sogenannten Fußfessel erst im Detail ansehen, um eine Position dazu entwickeln zu können."
Im Süden ist man da deutlich weiter. Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll habe Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) aufgefordert, die gesetzlichen Bestimmungen über die Führungsaufsicht anzupassen, sagte Justizsprecher Stefan Wirz. So könnten bestehende Maßnahmen wie die Observation von gefährlichen Straftätern um den Einsatz der elektronischen Fußfessel bei ehemaligen Sicherungsverwahrten ergänzt werden.
Ursprünglich war die Fußfessel als Mittel im Strafvollzug vorgesehen. Nun soll sie auch bei der Überwachung der 16 Sicherungsverwahrten, die von dem EGMR-Urteil profitieren, zum Einsatz kommen. Experten arbeiteten an einer "bedarfsgerechten Umsetzung", die Hardware sei bereits ausgereift. In die Fesseln integrierte GPS-Sender ermöglichten via Satellit eine Standortbestimmung der Straftäter. Verstöße gegen Auflagen - wie etwa das Verbot, sich einer Kindertagesstätte zu nähern - ließen sich so leichter erfassen. Wirz: "Allein durch das Tragen der Fußfessel wird ein Entdeckungsdruck aufgebaut, der den Täter von weiteren Straftaten abhalten könnte."
Uwe Koßel, Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP, hält die Fußfessel für ein "Not-Instrument", dessen Einsatz als "letztes Mittel" zum Schutz der Bevölkerung aber angezeigt sei. Alle Maßnahmen könnten den Schutz jedoch nicht in dem Maße garantieren wie eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung. Der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer schränkte ein, das Tragen einer Fußfessel sei zwar "zur generellen Überwachung untauglich", aufgezeichnete Positionsdaten könnten jedoch in möglichen Verfahren gegen die Entlassenen als Beweismittel von Bedeutung sein. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Kai Voet van Vormizeele bewertete Dressels Vorstoß kritisch. So sehr das Urteil des EGMR auch als "schwerer Schlag gegen die innere Sicherheit" zu qualifizieren sei, so wenig praktikabel sei der Vorschlag - allein weil es an der Rechtsgrundlage fehle.
Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) mahnte zur Besonnenheit, nachdem das Bundesverfassungsgericht am Freitag den Eilantrag eines Sicherungsverwahrten auf sofortige Entlassung abgelehnt hatte. Allerdings steht hier das Hauptsacheverfahren noch aus. In Niedersachsen profitieren 2010 acht Schwerverbrecher von der EGMR-Rechtsprechung. "Es sei wichtig, dass die Gerichte nun keine übereilten Entscheidungen treffen", teilte ein Justizsprecher mit.
Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) begrüßte dagegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. "Trotzdem kann von Entwarnung keine Rede sein. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zeigt den dringenden Reformbedarf bei der Sicherungsverwahrung. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug. Sie muss dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit gegenüber Freiheitsrechten von hoch gefährlichen Kriminellen eindeutig Vorrang geben. Ich erwarte ohne Zeitverzug eine verlässliche Rechtsgrundlage für die Anordnung der Sicherungsverwahrung durch das Bundesjustizministerium."
Die 16 verwahrten Schwerverbrecher könnten bis 2018 auf freien Fuß kommen. Gegenwärtig sind sie auf einer speziellen Station in der JVA Fuhlsbüttel und in der Psychiatrie (Ochsenzoll) untergebracht. Drei von ihnen sollen "zeitnah" von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts gehört werden. Geprüft werde auf "Antrag oder von Amts wegen", sagte Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn. Die Dauer der Verfahren richte sich auch danach, ob und wie schnell die Sicherungsverwahrten eine dauerhafte Bleibe finden.