Eine Konferenz in Chemnitz beschließt die Entwicklung von Aussteigerprogrammen für Mitglieder der islamistischen Szene.
Berlin/Chemnitz. Wer sich in einem Terrorcamp ausbilden lässt, kann künftig mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Das hat der Bundestag Ende Mai mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen. Den CDU/CSU-Innenministern und -senatoren reicht das noch nicht. Sie wollen bereits die Ausreise in solche Terrorcamps gezielt unterbinden und ziehen dafür sogar die Überwachung mit Hilfe von GPS-Systemen und Fußfesseln in Erwägung.
Die Aussagen der Angeklagten im Düsseldorfer Sauerland-Prozess hätten erschreckend deutlich gezeigt, dass die Ausbildung in den Camps in Afghanistan und Pakistan dringend verhindert werden müsse, sagte Hessens Innenminister Volker Bouffier am Freitag zum Abschluss einer zweitägigen Konferenz der Unions-Ressortchefs in Chemnitz. In den Terrorcamps fänden "Radikalisierungen ihren Abschluss. Diese Menschen verlassen die Ausbildungslager als tickende Zeitbombe", sagte Bouffier.
In ihrer "Chemnitzer Erklärung für eine moderne Sicherheitspolitik" fordern die Innenminister der unionsgeführten Länder deshalb einerseits ein vereinfachtes Ausweisungsrecht, das für Terrorismusverdächtige und für ausländische Straftäter gelten soll, die zu einer Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurden. Andererseits heißt es in dem Papier, es müssten Aussteigerprogramme entwickelt werden. Die, die sich vom Islamismus distanzieren wollten, müssten bei ihrer "Rückkehr aus der Szene aktiv unterstützt werden". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekräftigte, Deutschland liege "eindeutig im Fadenkreuz weltweit vernetzter islamistischer Terroristen und Extremisten". Die Bürger hätten das Recht, von den Sicherheitsbehörden über diese Lage informiert zu werden.
Tatsächlich kursieren in den einschlägigen Internetforen immer mehr sogenannte Hass-Videos, in denen zum Heiligen Krieg gegen Deutschland aufgerufen und der Bundesrepublik mit Terror gedroht wird. Unter anderem wird die Propaganda zweier marokkanisch-stämmiger Brüder aus Bonn-Kessenich verbreitet, die sich im Herbst 2008 in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet absetzten. Beide sind am Hindukusch untergetaucht und tun sich von dort aus durch ihre Propaganda für die Terrororganisation Islamische Dschihad Union hervor. Laut Bericht der Tageszeitung "Die Welt" predigen Mounir Chouka (27) und sein Bruder Yassin (24) als Abu Adam und Abu Ibrahim - vermummt, in militärischer Montur oder in weißer Imam-Robe - gegen die Ungläubigen im Allgemeinen und gegen die westlichen "Besatzer" der muslimischen Länder im Besonderen. In den neu aufgetauchten Filmen seien nun erstmals die Gesichter der Brüder zu erkennen. Sie würden ihre vermeintlichen "Geschwister in Deutschland" in ihren Hass-Videos zu Selbstmordattentaten auffordern: "Kommt und sterbt den Tod der Ehre!" Weiter heiße es, die Dschihadisten in Afghanistan würden es genießen, "im Kugelhagel der Nato und unter den Tornado-Flugzeugen der Deutschen" zu stehen.
Das israelische International Institute for Counter Terrorism will im Vorfeld der Bundestagswahl einen regelrechten Trend des auf Deutschland bezogenen Internet-Dschihadismus ausgemacht haben. In der Tat hat Innenstaatssekretär August Hanning bereits im April von einer anwachsenden Dschihad-Propaganda gegen Deutschland gesprochen. Man habe "in jüngster Zeit festgestellt", so Hanning, "dass weitere Personen aus Deutschland in die Terrorcamps reisen und dort ausgebildet werden". Das sei primär eine Bedrohung für die Bundeswehr in Afghanistan, "aber auch für uns in Deutschland".