Hamburg. Manche sind aus Stein, zieren Fenster, Türen und Taufbecken: Der Fisch und seine Bedeutung im Christentum - im neuen „Himmel & Elbe“.

Als Jugendliche bekam ich von meiner Patentante eine Brosche in Form eines Fisches geschenkt. Sie brachte sie mir aus Israel mit. Aufgrund ihrer Familiengeschichte und ihres christlichen Glaubens bedeutete ihr dieses Land viel. So habe ich die Fisch-Brosche bis heute aufgehoben. Ich trage sie selten, aber sie ist mir lieb und teuer.

Manchmal nehme ich die Brosche mit in den Konfirmandenunterricht. Anhand des kleinen Fisches kann man eine ganze Landeskunde und urchristliche Glaubensgeschichte erzählen. Die Brosche ist in Silber gefasst, ein Edelmetall, das in Israel schon seit der Antike zu hochwertigen Schmuckstücken und Münzen verarbeitet wurde. Sie ist mosaikartig mit Splittern von farbigen Halbedelsteinen belegt, die zum Teil in Israel vorkommen und prägnante Farben der Landschaft spiegeln: Ocker, wie die Wüste Negev im Süden des Landes. Rotbraun, wie manche Felsen in der Roten Schlucht bei Eilat oder im Timna-Park am Rande der Negev.

Himmel und Elbe: Steinsplitter erinnern an Nachthimmel

Leuchtend grüne Splitter am Maul, an Brust- und Schwanzflosse, wie mitunter das Mittelmeer schimmern kann oder wie in den Wüsten-Oasen nach Regengüssen die Pflanzen aufschießen. In der Mitte sind vier schwarze Steinsplitter zu sehen. Sie erinnern mich an den dunklen Nachthimmel, an dem die Sterne umso heller leuchten, und auch an verborgene Höhlen und Verstecke im Gebirge.

Wenn ich den Fisch angucke, wie einen Boten aus dem Land Israel, denke ich an die Landschaft, in der Jesus, seine Familie, seine Jüngerinnen und Jünger, seine Freunde und Feinde vor 2000 Jahren gelebt und gearbeitet haben. Im Norden liegt der große See Genezareth, wo Jesus sich längere Zeit aufhielt und seine ersten Anhänger fand: die Brüderpaare Simon und Andreas sowie Jakobus und Johannes. Sie alle waren von Beruf Fischer.

Jesus als Menschenfischer

Im Neuen Testament wird erzählt, wie Jesus zu ihnen sagte: „Kommt, folgt mir! Ich mache euch zu Menschenfischern!“ (Markus 1,17) Und sie ließen sofort ihre Netze liegen und folgten ihm.„Menschenfischer“ – dieser biblische Begriff hat heute einen merkwürdigen Klang. Er kann einen an den Rattenfänger von Hameln erinnern, der mit seinem Flötenspiel nicht nur die Ratten, sondern auch die Kinder aus der Stadt weglockte. Furchtbar, den Begriff „Menschenfischer“ im Zusammenhang mit Verführung zu denken! Jesus selbst hat dabei wohl schlicht an das Handwerk der ersten Jünger gedacht. So, wie diese wussten, wann, wo und wie man am besten Fische fängt, sollten sie nun Menschen ansprechen und für die neue Jesus-Bewegung gewinnen.

Das Fischfenster in der katholischen Kirche Maria-Grün in Blankenese.
Das Fischfenster in der katholischen Kirche Maria-Grün in Blankenese. © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

Vom Fischfang, von Booten, Netzen, Fischen, Wind und Wellengang berichten viele Jesus-Geschichten. Sie gehörten damals, besonders rund um den See Genezareth, so alltäglich zur Arbeitswelt wie heute Büros, Computer, Video-Konferenzen oder Handys.

Der wundersame große Fischfang

Besonders gerne mag ich die Erzählung vom großen Fischzug: Eines Nachts fischten die Jünger vergeblich. Als sie morgens erschöpft und enttäuscht aufgeben wollten, riet Jesus ihnen, doch noch einmal hinauszurudern, dahin, wo es besonders tief ist. Das taten die Jünger und fingen so viele Fische, dass sie die übervollen Netze selbst mit vereinten Kräften kaum an Land ziehen konnten. (Lukas 5,1–11) – Bilder für unerwartete Schätze, die auch dann noch zu heben sind, wenn man innerlich schon die Flinte ins Korn geworfen hat. Hoffnungs- und Mutmach-Geschichten!

Fladenbrot und Fisch, das waren nicht nur zu Jesu Zeiten gängige Lebensmittel in Israel. Sie sind es im Mittelmeerraum bis heute. Insofern steht der Fisch – neben dem Brot – symbolisch für das gemeinsame Essen, für Stärkung und Gemeinschaft.

Auch davon erzählt eine Geschichte: Als die Jünger eines Morgens müde vom nächtlichen Fischfang kommen, steht Jesus am Ufer und röstet auf einem Kohlenfeuer Fisch und Brot für sie. (Johannes 21,1–14). Ein schmackhaftes, stärkendes Frühstück nach einer langen Nacht!

Der Fisch als Geheimzeichen der Christen

Nach Jesu Tod und Auferstehung bekam der Fisch eine weitere Bedeutung. Er war das Geheimzeichen der ersten Christinnen und Christen, die verfolgt wurden und sich heimlich in Häusern zum Beten und gemeinsamen Essen trafen. Das altgriechische Wort für Fisch – ICHTHYS, in griechischen Buchstaben IXOYE – bildete zugleich ein kurzes Glaubensbekenntnis: Dabei stand das I für lesous (Jesus), das X für Christus, das O für Theou (Gottes), das Y für Yios (Sohn) und das E für Soter (Erlöser). Kurz gesagt: Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser. In der christlichen Ikonografie hat sich das Fisch-Symbol dennoch kaum durchgesetzt. In zahllosen Variationen sind – neben dem überragenden Symbol des Kreuzes – Brot (als Ähre oder Oblate) und Wein (als Weinstock, Traube oder Kelch) in Kirchenfenstern, auf Gemälden, Altar- oder Kanzelbehängen dargestellt.

Der Fisch ist viel seltener zu sehen! Im Sakrament des Abendmahls stehen Brot und Wein im Zentrum. Der Fisch, den Jesus mit seinen Freundinnen und Freunden ebenso alltäglich geteilt hat, wirkte vielleicht profaner – und er ließ sich für die Feier des Abendmahls auch nicht so gut konservieren.

Taufstein mit Fisch in der Jubilatekirche in Öjendorf
Taufstein mit Fisch in der Jubilatekirche in Öjendorf © Kirstin Faupel-Drevs | Kirstin Faupel-Drevs

Fisch bekam als Fastenspeise seine eigene Bedeutung. Seit dem frühen Mittelalter gab es viele kirchliche Fastenzeiten: im Advent, 40 Tage vor Ostern, an den Vorabenden der wichtigsten Heiligenfeste sowie jeden Freitag und Sonnabend. Dann waren Fleisch und aufwendige Gerichte verboten; Alkohol sollte eingeschränkt werden.

Lange war Freitag Fischtag

Alle pflanzlichen Speisen, Getreideprodukte und Fisch waren jedoch erlaubt. Noch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts war Freitag – der Tag der Kreuzigung Jesu – in Kantinen, Mensen und vielen Familien der Tag, an dem mittags Fisch auf den Tisch kam.

Als christliches Symbol ist der Fisch erst seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts populär geworden, ähnlich dem Regenbogen oder der Taube.

Der Fisch ziert heute Taufkerzen und Autos

Die Wiederentdeckung stand wohl einerseits im Zusammenhang mit der damaligen Ökologie- und Friedensbewegung, die von den christlichen Kirchen breit mitgetragen wurde. Andrerseits gab es den Wunsch, neben die teils düsteren älteren Symbole, wie die Dornenkrone oder abgeknickte Kornähren, lebensbejahende, fröhliche Zeichen für den Glauben zu setzen. Als Auto-Aufkleber bekam der Fisch dann seinen besonderen Auftritt!

Die beiden gekreuzten Bögen, die einen Fisch ergeben, waren früher das Geheimzeichen der Christen.
Die beiden gekreuzten Bögen, die einen Fisch ergeben, waren früher das Geheimzeichen der Christen. © imago images/Design Pics | Dean Muz via www.imago-images.de

Heute sehe ich den Fisch oft auf Taufkerzen. Zusammen mit angedeuteten Wellen oder Wassertropfen verweist er auf die Taufe. In der orthodoxen, der katholischen wie der evangelischen Kirche wird mit derselben Taufformel und mit Wasser getauft.

Zeichen für die Erneuerung und Lebendigkeit, die einem im Glauben an Jesus Christus geschenkt werden. Wie eine Miniatur steht dafür der Fisch: im Wasser glitzernd, beweglich und quicklebendig. Fast ein Geheimzeichen – voll schöner Bedeutungen.

Die Autorin ist Pastorin in der Kirchengemeinde St. Johannis-Harvestehude.