Neuenfelde. Teilnehmer lieben besonderen Charakter beim Sommerturnier des Reit- und Fahrvereins Neuenfelde. Christofer Böttcher siegt im Stechen.
Es ist eine Art Ehrenloge, wie es sie wohl nur im Alten Land geben kann. Und eine, die es so ähnlich schon seit 100 Jahren in Neuenfelde gibt. An der Stirnseite des Turnierplatzes postieren die Organisatoren des Sommerturniers drei große, grüne Anhänger. Sie haben ein Dach und werden normalerweise gebraucht, um bei der Apfelernte die Kisten einzusammeln. Auf den Bänken, die auf den speziellen Anhängern aufgestellt sind, nehmen alle Jahre wieder vor allem die älteren Herrschaften des Dorfes Platz. Sie schauen den Reitern und Pferden zu und reden von den Enkeln und über Neuigkeiten aus der Nachbarschaft.
Diese besonderen Logenplätze sind auch ein Symbol für den traditionsreichen Aufgalopp am Arp-Schnitger-Stieg. Nicht nur, dass der gastgebende Reit- und Fahrverein Neuenfelde von 1898 einer der ältesten Reitvereine der Region ist. Auch sein Turnier war bereits populär, als die Großväter von heute junge Burschen waren und mit ihren Arbeitspferden über die Hindernisse setzten. „Als Junge hatte ich Alpe, eine kleine, dunkelbraune Stute“, erzählt der 83-jährige Hinrich Stehr von seinen ersten Pferden. „Mit deren Tochter Golap, einer wunderschönen Rappstute, hatte ich in der Dressur meine schönsten Erfolge.“ Das ist fast 70 Jahre her, aber der alte Herr erzählt von den Pferden seiner Jugend, als würden sie noch zu Hause im Stall stehen. In den 1960er-Jahren war Hinrich Stehr Vereinschef. Tochter Heidemarie Heinz ist heute eine der erfolgreichen Dressurreiterinnen in Neuenfelde.
Es sind aber nicht nur familiäre Bande über Generationen hinweg, die den 190 Mitglieder starken Traditionsverein und sein Sommerturnier prägen. „Im Wassergraben am Rande des Turnierplatzes habe ich mir vor 17 Jahren den Fuß gebrochen“, beginnt Yvonne Schepkowski, Richterin für Dressur und Springen aus Bergedorf, ihren persönlichen Rückblick. „Seit den 50er-Jahren komme ich hierher. Damals gab es noch keine Pferdetransporter. Die jungen Burschen kamen am Tag vorher auf ihren Pferden aus den Nachbardörfern. Meist schliefen sie im Heu beim Bauern, wenn überhaupt. Denn sonnabends gab´s den Reiterball. Als Richterin bin ich viel unterwegs“, fügt der Dauergast hinzu. „Das Schöne hier, Neuenfelde hat sich diese freundliche, dörfliche Atmosphäre bewahrt. Und die Frauen backen die besten Torten.“
„Der Regen an den ersten beiden Tagen hat uns behindert“, fasst Vorsitzender Reinhard Behrendt das Turnier mit 1350 Meldungen zusammen, „trotz der Hitze am letzten Tag hatten wir aber weniger Rückzieher als in den Jahren davor.“
Beim sportlichen Höhepunkt, dem Zwei-Sterne-M-Springen mit Siegerrunde, erleben die Besucher ein packendes Finale. Von den 20 Startern qualifizieren sich sieben fürs Stechen. Routinier Steffen Engfer (Reit- und Fahrsport Sieversen) setzt spielerisch mit Call Me Cera über das erste, das zweite und das dritte Hindernis. Nach dem vierten Sprung bekommen die beiden kaum die Kurve. Engfer reißt sein Pferd nach rechts herum und bleibt in 39,67 Sekunden als Erster fehlerfrei. Kann jemand schneller sein? Es ist Christofer Böttcher, der junge Reitkumpel aus Sieversen, der noch energischer aufs Tempo drückt. Mit Calandro ist Böttcher genau 14 Hundertstelsekunden eher im Ziel, aber noch nicht Sieger. Der letzte Angriff, wieder von Steffen Engfer, diesmal mit Catja. Teuflisch schnell sind die beiden. Aber wieder ein Strauchler nach Sprung vier, wieder bekommen sie gerade noch die Kurve. Dann ein leises Poltern. Um fast zwei Sekunden ist Steffen Engfer zwar schneller als Christofer Böttcher. Aber der eine Abwurf wirft ihn mit seinem zweiten Pferd auf Rang drei zurück.
Christofer Böttcher hatte zuvor schon mit Calandro ein M-Springen gewonnen. Die kombinierte M-Dressur ging an Andrea Müller (RC Hamburg-West) mit Forio vor Elisa Prigge (RFV Estetal) mit Mrs. Sporty`s Linus. Bei den Kreismeisterschaften holte Jette Ehlers vom Gastgeber den Juniorentitel in der Dressur. Pia-Luisa Klintworth (RV Harsefeld) gewann die Kreismeisterschaft im Springen der Junioren. Ines Spangenberg (ebenfalls Harsefeld) wurde Kreismeisterin aller Jahrgänge.
Zum Turnierabschluss in Neuenfelde darf das Zitronenrennen nicht fehlen. Auf dem Pferd, mit der Kutsche oder zu Fuß müssen die Teilnehmer eine halbe Runde auf dem Turnierplatz drehen. Die Zitrone, die in einem Wassereimer schwimmt, muss mit den Zähnen genommen und zurück über die Ziellinie gebracht werden. Es gab keinen Besucher, der diesen Spaß nicht bis zum letzten Teilnehmer lautstark gefeiert hätte. Den größten Applaus erhielt Julia Matthees, mit 38,51 sek. die Schnellste mit der Zitrone im Mund.