Wilhelmsburg. Behörde teilt mit, dass sie Halle nicht erhalten will. Es gibt Interessenten für das Industrie-Grundstück. Was wird aus dem „Kulturkanal?“

Jahrelang wurde um den Erhalt der „Soulkitchen-Halle“, der „Zinnwerke“ und drei weiterer Industriegrundstücke am Wilhelmsburger Veringkanal debattiert. Von einem „Kulturkanal“ war die Rede. Der Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch hatte unlängst eingefordert, die Pläne langsam mal zu konkretisieren. Nun allerdings gibt es eine Stellungnahme zu seiner Forderung, die viele Wilhelmsburger Kulturfreunde ernüchtert: Die Soulkitchen-Halle wird abgerissen, die Fabrikhalle und die Werkstätten auf den drei anderen Grundstücken auch. Lediglich die „Zinnwerke“ sollen erhalten bleiben. Ist dies das Aus für den Kulturkanal?

Nachnutzer der Halle in Wilhelmsburg stellten sich gern als Rebellen und Spekulantenopfer dar

„Industriestraße 101-107“, das klingt nicht nach einer aufregenden Adresse. Auf dem Grundstück steht eine alte Lagerhalle, wie sie zwischen den Kriegen viel gebaut wurden: Stahlfachwerk gefüllt mit einfachem Mauerwerk. Die Halle verfällt. So weit, so banal. Allerdings hat Hamburgs Star-Regisseur Fatih Akin hier 2009 seinen Film „Soul Kitchen“ gedreht.

Schon in dem Film geht es darum, dass die Hauptfigur, Underdog Zinos, in der Halle ein Restaurant betreibt, das dem armen Stadtteil, der ihn umgibt, als Treffpunkt dient, und das gleichermaßen von Spekulanten bedroht wird. Nicht wenige Nutzer, die danach in die Halle zogen, um hier Kulturprojekte auszuprobieren, stellten sich zum Ende ihrer Projekte gern als Rebellen und Spekulantenopfer dar, als seien sie quasi Zinos. Nur, dass ihnen das Happy End verwehrt blieb. Dennoch hielt sich der Name „Soul-Kitchen-Halle“ für das Gebäude, das Jahrzehnte lang nur Lager und nur wenige Wochen ein Filmset war, seitdem.

Der Veringkanal sollte als „Kulturkanal“ die Wilhelmsburger an der Aufwertung teilhaben lassen

2013, die IBA war in Wilhelmsburg im vollen Gange, setzte die Stadt der kulturellen Nutzung ein Ende: Die Halle sei einsturzgefährdet, war die Begründung. Angesichts der Bausubstanz war das auch nicht abwegig. Allerdings mehrten sich die Stimmen, die für den Erhalt, die Sanierung und die weitere kulturelle Nutzung der „Soulkitchen-Halle“ plädierten. Der Veringkanal, an dessen Nordufer die Industriestraße verläuft, sollte als „Kulturkanal“ die Lebensqualität in Wilhelmsburg verbessern und die Wilhelmsburger an der Aufwertung ihres Stadtteils durch die IBA teilhaben lassen.

Damals war noch Leben in der Halle: Der Kulturschaffende Mathias Lintl in der Soulkitchen-Halle in Wilhelmsburg.
Damals war noch Leben in der Halle: Der Kulturschaffende Mathias Lintl in der Soulkitchen-Halle in Wilhelmsburg. © Anima Berten

Sind diese Pläne jetzt passé? „Der Kulturkanal war im alten Rot-Grünen Koalitionsvertrag des Bezirks Mitte festgeschrieben“, sagt die Vorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion Jennifer Jasberg. „Im aktuellen Koalitionsvertrag ist keine Rede mehr davon. Das ist schon ein Indiz.“

„Hamburg braucht dringend mehr kulturelle Flächen – und nicht deren Abriss! “

Norbert Hackbusch
Linken-Bürgerschaftsabgeordneter

Allerdings möchte Jasberg kulturelle Nutzungen des Soul-Kitchen-Geländes nicht ausschließen. In der Senats-Stellungnahme zu Hackbuschs Antrag, welche stark die Handschrift der Wirtschaftsbehörde trägt, wird zwar konstatiert, dass das Gelände laut Bebauungsplan in einem Industriegebiet liegt und man den Bebauungsplan nicht ändern will, aber der schmale Zuschnitt des Grundstücks lässt eine moderne industrielle Nutzung kaum zu. „Wenn also hier jemand einzieht, der gewerblich Kultur betreibt, wäre das ja auch eine plangerechte Nutzung“, so Jasberg.

Schlag ins Gesicht für Kulturschaffende in Wilhelmsburg?

Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher der Linken in der Bürgerschaft, ist in seiner Einschätzung weniger diplomatisch: „Vor zehn Jahren gab es das große Versprechen vom Kulturkanal – das ist dann jetzt wohl die Abwicklung dieser hehren Ziele“, sagt er. „Dabei muss uns allen doch klar sein: Hamburg braucht dringend mehr kulturelle Flächen – und nicht deren Abriss! Für die vielen Kulturaktiven in Wilhelmsburg ist das ein Schlag ins Gesicht und für Hamburgs Kulturpolitik ein Armutszeugnis.

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Selbst bei den Zinnwerken, deren Weiter-Existenz nunmehr gesichert zu sein scheint, verursacht die Senatsdrucksache Kopfschmerzen. „Wir stehen ja hinter der Idee des Kulturkanals“, sagt Marco Loredo, eines der Gesichter des Kreativzentrums, „und wir hatten eigentlich gehofft, dass unsere drei Nachbargrundstücke, die ja auch alte Zinnhütten-Hallen sind, sowie die Soulkitchen-Halle noch dazukommen!“