Lüneburg. Ein Abend für die Geschichtsbücher: SVG-Volleyballer begeistern 2950 Zuschauer beim 3:2-Heimsieg gegen das italienische Spitzenteam.

Viel Zeit, diesen außergewöhnlichen Moment zu genießen, blieb dem Trainerteam und den Volleyballern der SVG Lüneburg nicht. Am nächsten Morgen stand wie gewohnt eine Trainingseinheit auf dem Programm, schon am Sonnabend wartet in München das nächste Bundesligaspiel. Aber man sah Trainer Stefan Hübner an, dass er den Augenblick genoss, man merkte es in seiner Mimik, in seinen Worten und daran, dass er sich – wie bei großen Erfolgen üblich – einen Rotwein gönnte. Dann sagte der 47-Jährige einen Satz, der er durchaus überschwänglicher hätte formulieren dürfen: „Dieses Spiel ist in den Büchern.“ In den Geschichtsbüchern, wäre wohl die treffende Beschreibung!

Denn das, was da am Mittwochabend in der LKH-Arena in Lüneburg abging, sucht in der SVG-Vereinsgeschichte vergeblich nach etwas Vergleichbarem. Ein Heimsieg des immer noch jungen Vereins gegen einen der größten Namen des Weltvolleyballs. Ein 3:2 (25:19, 26:28, 28:26, 18:25, 17:15) der SVG Lüneburg gegen Modena Volley aus Italien. Die 2950 Zuschauer, darunter 15 bis 20 Modena-Anhänger, hielt es ob des herausragenden Sports und der herausragenden Leistung ihrer Mannschaft schon lange nicht mehr auf den Sitzen.

Jubel nach fast zweieinhalb Stunden in der Verlängerung des Tiebreaks

Natürlich musste das Hinspiel um den Einzug ins Viertelfinale des europäischen CEV-Cups in einem Tiebreak gipfeln. Natürlich mussten die Gastgeber erst zwei Matchbälle der Italiener abwehren, bevor sie selbst ihren ersten verwandelten. Als nach fast zweieinhalb Stunden dann Modenas Tommaso Rinaldi einen Schmetterball ins Aus setzte, erbebte die LKH-Arena in ihren Grundfesten. Die Spieler wussten nicht wohin mit ihren Emotionen, die Fans ließen die Klatschpappen fliegen und jubelten euphorisch, einige Helferinnen am Rand lagen sich minutenlang mit Tränen in den Augen in den Armen. Welch ein Abend, welch Emotionen.

Nicht nur der Lüneblock, fast alle 2950 Zuschauer in der LKH-Arena waren
Nicht nur der Lüneblock, fast alle 2950 Zuschauer in der LKH-Arena waren "on fire". © HA | Markus Steinbrück

Durchatmen. Gewonnen ist damit noch nichts, es war erst das Hinspiel. Am Mittwoch, 25. Januar, im Rückspiel im norditalienischen Modena wird sich zeigen, was der Lüneburger Erfolg von Mittwochabend wert ist. Aber wie sagte Stefan Hübner so schön: „Dieser Sieg ist in den Büchern.“ Der Sieger dieses Duells zieht ein in das Viertelfinale des CEV-Cups, dem zweithöchsten europäischen Vereinswettbewerb. Als Gegner wartet ein Absteiger aus der Champions League, einer der vier besten Gruppendritten.

Vor dem Rückspiel am 25. Januar drei wichtige Bundesligaspiele

Vor dem Europapokal-Rückspiel absolviert die SVG drei wichtige Spiele in der Bundesliga: an diesem Sonnabend in München gegen Herrsching, am kommenden Mittwoch, 18. Januar, zu Hause gegen Königs Wusterhausen und am Sonnabend, 21. Januar, in Hildesheim gegen Giesen – alles unmittelbare Verfolger der aktuell viertplatzierten Lüneburger. „Unser Ziel ist, zum Abschluss der Hauptrunde unbedingt in den Top-4 zu stehen“, sagte Trainer Hübner.

Gegen das Team „Valsa Group Modena Volley“ waren die Volleyballer der SVG Lüneburg von Anfang an gut im Spiel. Selbst wenn auf der anderen Seite des Netzes Weltstars und Olympiasieger wie Zuspieler Bruno aus Brasilien und Außenangreifer Earvin Ngapeth aus Frankreich standen – keine Spur von Nervosität.

Allen Grund zum Lächeln hat Trainer Stefan Hübner (rechts), hier neben Zuspieler Joe Worsley.
Allen Grund zum Lächeln hat Trainer Stefan Hübner (rechts), hier neben Zuspieler Joe Worsley. © HA | Markus Steinbrück

„Modena hat mit zwei oder drei Bankspielern angefangen. Unser Ziel war, möglichst schnell die großen Jungs aufs Feld zu bekommen“, so Hübner. Das gelang, Lüneburg führte 11:8 und 14:11. Bei 18:14 nahm Gästetrainer Andrea Giani seine zweite Auszeit. Die „großen Jungs“, sprich die Weltklassespieler, waren zu diesem Zeitpunkt längst eingewechselt. An der Richtung des Spiels änderte sich nichts.

Modena Volley wirkt von der Stärke Lüneburgs überrascht

„Es hat uns ein bisschen überrascht, dass wir auch gegen die erste Sechs so lange auf sehr hohem Niveau mithalten konnten“, sagte Co-Trainer Bernd Schlesinger. Die Gäste wirkten ob der Stärke der Lüneburger, die auf fast jede Aufschlag- und Angriffsvariante eine Antwort fanden, überrascht. Vor allem Lukas Maase (Diagonal) und Außenangreifer Colton Cowell spielten in einem überragenden ersten Satz (25:19) groß auf.

Gästetrainer Andrea Giani mit skeptischem Blick.
Gästetrainer Andrea Giani mit skeptischem Blick. © HA | Markus Steinbrück

Wer dachte, die Italiener würden nach dem Seitenwechsel einen Gang höher schalten und den 0:1-Satzrückstand locker wettmachen können, sah sich getäuscht. Eine wichtige Erkenntnis: die SVG Lüneburg bewegte sich absolut auf Augenhöhe. Beide Mannschaften boten den Fans erstklassigen Sport mit vielen spektakulären Ballwechseln. „Unfassbares Volleyball“, wie es einer der Hallensprecher formulierte.

28:26 – zweiter und dritter Satz gehen jeweils in die Verlängerung

Der zweite Satz ging in der Verlängerung mit 28:26 an die Italiener, der dritte erneut in der Verlängerung mit 28:26 an die Gastgeber. Nur im vierten Durchgang erlaubten sich die Lüneburger zu Beginn einen kleinen Hänger, da hieß es 1:5 und 4:9. Die SVG kämpfte verbissen, kam mehrfach auf zwei Punkte heran, konnte den Satz (18:25) aber nicht mehr auf ihre Seite ziehen.

Spieler der SVG Lüneburg beim Abklatschen mit den Fans nach dem historischen Sieg.
Spieler der SVG Lüneburg beim Abklatschen mit den Fans nach dem historischen Sieg. © HA | Markus Steinbrück

Nun gehörten auch Wortgefechte zwischen den Akteuren und Diskussionen mit den Schiedsrichtern aus Schweden und Griechenland dazu, Olympiasieger Bruno kassierte die gelbe Karte. „Im vierten Satz ging es richtig zur Sache. Das gehört auch dazu“, kommentierte Stefan Hübner. „umso wichtiger war es, gut in den fünften Satz zu starten.“

Olympiasieger Earvin Ngapeth dreht in der Schlussphase auf

Das gelang, Lüneburg führte im Tiebreak mit 6:3, 8:4 und 10:8. Nun zeigte sich allerdings die Klasse des französischen Außenangreifers Earvin Ngapeth, der seine beste Phase hatte, mehrere Punkte hintereinander erzielte und seiner Mannschaft beim 14:13 und 15:14 jeweils einen Matchball bescherte. Den ersten wehrte Colton Cowell ab, den zweiten Lukas Maase – 15:15. Dann punktete der eingewechselte Jordan Schnitzer per Block und der letzte Angriffsschlag Modenas landete hinter der Grundlinie – 17:15, 3:2-Sieg. Der Rest war unbändiger und auch ungläubiger Jubel.

Hübner: „Haben davon geträumt, in so einer Atmosphäre zu spielen“

„Es war eine unglaubliche Stimmung. Davon haben wir geträumt, in so einer Atmosphäre zu spielen. Das ist einzigartig“, sagte Trainer Stefan Hübner, der nicht nur die Zuschauer lobte: „Die Jungs haben das richtig gut gemacht. Wir wollten den Spielstand immer eng halten, weil dann irgendwann die Chancen kommen. Unsere Annahme konnten wir halten und im Angriff haben wir viele Spieler, die gute Lösungen haben.“ Gerade für die jungen Spieler sei ein solches Spiel und ein solcher Sieg enorm wichtig, so Hübner. „Dadurch werden sie stärker, größer und können daran wachsen.“

Top-Scorer des Play-off-Spiels war Modenas 2,11 Meter langer Adis Lagumdzija (27 Punkte) vor Earvin Ngapeth (18). Bei den Hausherren waren Jordan Ewert und Lukas Maase (beide 20 Punkte) und Colton Cowell (15) „on fire“.