Harburg. 17-Jähriger von der Harburger RG fährt bei Cyclocross-WM aus vorletzter Startreihe auf Platz 23 vor. Mit welchen Schwierigkeiten er kämpfte.

Viel zu meckern gab es nicht, im Gegenteil. „Das ist eine Überraschung. Wir waren alle begeistert. Auch der Bundestrainer war super zufrieden“, sagte Trainer Frank Plambeck von der Harburger Radsport-Gemeinschaft (HRG). Die Rede ist von Max Oertzen und dessen Auftritt bei den Cyclocross-Weltmeisterschaften in Hoogerheide in den Niederlanden. Erstmals startete der 17-Jährige aus Moorburg bei einem Event dieser Dimension. Und dann lieferte er das beste Rennen der Saison 2022/2023 ab. Platz 23 unter den 71 besten Juniorenfahrern der Welt war der verdiente Lohn.

Im November Platz 36 bei der EM, jetzt auf Weltniveau weiter vorn

Die Voraussetzungen waren alles andere als günstig. „In den bisherigen Rennen ist immer etwas passiert“, sagte Plambeck. Im November hatte Oertzen die Farben des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) bei den Europameisterschaften in Belgien vertreten. Weil er nur die Nummer 70 der Weltrangliste und Nummer 34 des Europa-Rankings war, stand er in der Startaufstellung weit hinten und konnte sich nur mühsam nach vorn kämpfen. Am Ende war es Rang 36 – die angestrebten Top-25 verpasste Max Oertzen bei der EM.

Die größte Enttäuschung erlebte er drei Wochen zuvor bei den deutschen Cyclocross-Meisterschaften im Olympiapark München. Mit der erfolgreichen Titelverteidigung (zu Jahresbeginn 2022 noch in der U17) wollte der Moorburger das WM-Ticket lösen. Doch schon in der Startphase rutschte Max Oertzen bei einem kräftigen Antritt mit einem Schuh aus der Pedale, kam zu Fall, verletzte sich leicht und musste das Rennen vorzeitig beenden.

Kriterien nicht erfüllt, Bundestrainer nominiert „bestes Pferd“ dennoch

Obwohl er in der Juniorenklasse U19 als bester Deutscher gilt, stand somit ein Fragezeichen hinter der WM-Nominierung. „Weltcup, Bundesliga oder Deutsche Meisterschaft – nirgendwo hatte Max die Nominierungskriterien erfüllt“, erzählt Frank Plambeck rückblickend. Trotzdem nahm Bundestrainer Wolfgang Ruser aus Magstadt sein „bestes Pferd im Stall“ mit zur Cross-WM in die Niederlande. Im Nachhinein die absolut richtige Entscheidung.

Schwache Weltranglistenposition zieht vorletzte Startreihe nach sich

Allerdings bekam Max Oertzen einen schweren Rucksack umgeschnallt, im übertragenen Sinn. Durch die nicht sonderlich guten Ergebnisse der vergangenen Wochen waren ihm viele Punkte für die Weltrangliste verloren gegangen. Er war auf eine Position weit jenseits der 100 abgerutscht. Konsequenz: in der Startaufstellung des WM -Rennens durfte er sich nur in der achten von neun Reihen einsortieren. Diesmal erwies sich die Position als Glücksfall.

Freude über Platz 23 bei den Cyclocross-Weltmeisterschaften (von links): U19-Fahrer Max Oertzen, Yannick Mayer (Team Heizomat) und Vater Jürgen Ecks.
Freude über Platz 23 bei den Cyclocross-Weltmeisterschaften (von links): U19-Fahrer Max Oertzen, Yannick Mayer (Team Heizomat) und Vater Jürgen Ecks. © Harburger RG | Frank Plambeck

Harburgs Radsporttrainer Frank Plambeck erklärt: „Beim Cyclocross geben am Anfang immer alle Vollgas, um sich eine gute Ausgangsposition zu sichern. Überholen ist im Rennverlauf schwierig. Die meisten verausgaben sich zu Beginn so sehr, dass sie in den folgenden Runden kaum noch können.“ So war es auch in den Niederlanden.

Max Oertzen kann nach Massenstürzen viele Plätze gutmachen

Was Max Oertzen in die Karten spielte: 100 Meter nach dem Start ereignete sich ein Massensturz. Das HRG-Talent war noch weit genug entfernt, um den Überblick zu behalten, linksherum auszuweichen und mal eben 30 Plätze gutzumachen. Bei einem weiteren Sturz in der ersten Runde fuhr er an zehn weiteren U19-Konkurrenten vorbei und fand sich unerwartet auf dem 15. Platz wieder.

Diese Top-Platzierung konnte er in dem etwa 43 Minuten langen Rennen nicht ganz halten. „Peu á peu sind dann einige Fahrer von hinten gekommen“, so Heimtrainer Plambeck, der seinen Schützling vom Materialdepot aus betreute. Schließlich fand sich Max Oertzen in einer Gruppe wieder und belegte am Ende Rang 23 unter 71 Teilnehmern. Sein Rückstand auf den neuen Weltmeister Léo Bisiaux aus Frankreich betrug 1:44 Minuten.

Vor zwölf Jahren war ein anderer Harburger WM-Zwölfter geworden

So gut war seit mehreren Jahren kein deutschen Juniorenfahrer mehr gewesen. Der ebenfalls aus der Harburger RG hervorgegangene Julian Lehmann war bei der WM 2011 einmal Zwölfter geworden. Der zweite deutsche Teilnehmer 2023, Eike Behrens vom Harvestehuder RV, rollte auf Position 48 mit 3:28 Minuten Rückstand nach ganz vorn über den Zielstrich.

„Trotz der Startreihe und der Umstände ist das für Max ein super Ergebnis. Es war das absolut beste Rennen und sein größter internationaler Erfolg“, sagte Frank Plambeck. Vom BDR gibt es kaum Förderung für den Bereich Cyclocross. An ein Vorbereitungstrainingslager ist schon gar nicht zu denken. Ohne die Unterstützung durch Sponsoren und die Familie wäre Radsport auf diesem Niveau überhaupt nicht möglich.

Etwa 80.000 Zuschauer machen Cyclocross-WM zum Spektakel

In Nachbarländern hat die Sportart einen anderen Stellenwert: Etwa 80.000 Zuschauer verfolgten bei der WM in den Niederlanden wenige Stunden nach dem U19-Rennen die Entscheidung der Herren-Elite. Lokalmatador Mathieu van der Poel setzte sich im Sprint gegen den absolut ebenbürtigen Wout van Aert (Belgien) die WM-Krone auf. Der einzige deutsche Starter Marcel Meisen (Aachen) belegte den 32. Platz.

Nach kurzer Pause Trainingslager in Italien als Auftakt der Straßensaison

Max Oertzen legt nun eine kleine Pause ein, bevor es für den 17-Jährigen, der auch in der nächsten Cross-Saison des Winters 2023/2024 weiter in der U19 startberechtigt ist, Ende Februar nach Italien geht. Dort absolviert er als Mitglied im „Marco Brenner Nachwuchsteam“ ein Trainingslager in Vorbereitung auf die Straßensaison und fährt bei einem internationalen Etappenrennen mit. Sollten die ersten Ergebnisse sehr gut sein, winkt eine Nachnominierung für die Straßenrad-Nationalmannschaft, hat ihm Bundestrainer Ruser in Aussicht gestellt. Sollte es so kommen, gäbe es erneut nicht viel zu meckern.