Hanstedt. Alexander Bai vom MTV Hanstedt gewinnt bei deutschen U23-Meisterschaften Silber im Hochsprung – und gönnt seinem Kontrahenten den Sieg.
Von seinem größten Sprung weiß Alexander Bai nicht mehr viel. „Ich weiß nur, dass die Latte nicht gewackelt hat und ich vor Freude geschrien hab. Ansonsten kann ich mich an kaum etwas erinnern. Ich hatte wohl einen Blackout“, erzählt der 20 Jahre alte Hochspringer vom MTV Hanstedt. „Es muss alles ganz gut zusammengepasst haben“, fügt er mit einem Schmunzeln hinzu.
In der Tat: nach einem blitzsauberen Wettkampf, der im beschriebenen Flug über 2,12 Meter gipfelte, gewann Alexander Bai die Silbermedaille bei den deutschen Junioren-Meisterschaften in Wattenscheid. „Was macht der Junge nur für einen Wettkampf“, war auch der Sprecher im Lohrheidestadion begeistert.
Coronainfektion und weiterer Infekt machen ihm lange zu schaffen
Dabei hatte der Schützling von Trainer Wolfgang Striezel alles andere als einfache Wochen hinter sich. Die Freiluftsaison begann zwar vielversprechend Ende April in Tostedt (2,07 m) und dann mit der persönlichen Bestleistung von 2,08 Meter Mitte Mai in Hannover. Dann aber machten eine Coronainfektion und ein weiterer Infekt dem in Hittfeld wohnenden Bai zu schaffen. In Training und Wettkampf kam er nur noch selten über 1,90 Meter. Seine Premiere bei den deutschen Meisterschaften der Erwachsenen im Juni in Berlin endete mit einem Salto nullo – die Anfangshöhe von 2,00 m war zu hoch. Eine Woche später wurde er in Göttingen mit 1,99 m Niedersachsenmeister.
Anlaufverlängerung um zwei Schritte bringt die Sicherheit zurück
Enorm wichtig für den aktuellen Erfolg waren die vier Wochen danach. „In dieser Zeit habe ich fünf Klausuren geschrieben, konnte etwas Abstand von der Leichtathletik gewinnen und den Kopf frei bekommen“, erzählt der Maschinenbaustudent im zweiten Semester. Parallel lief es auch im Training immer besser.
„Wir haben an der Sprungkraft und Technik gearbeitet“, sagt Trainer Wolfgang Striezel. Bai absolvierte viele Grundlagensprünge, unter anderem mit einem Sprungseil. Dazu verlängerte das Erfolgsduo den Hochsprunganlauf um zwei auf zehn Schritte. „Damit habe ich mich gleich wohl gefühlt. Ich habe nun mehr Zeit, mich auf den Absprung vorzubereiten“, erzählt der Aktive.
Alexander Bai überspringt alle sechs Höhen im ersten Versuch
Für die Junioren-DM in Wattenscheid hatte er sich keine Höhe oder Platzierung vorgenommen. „Ich wusste, dass ich fit bin, wollte einfach mein Ding machen und gucken, was dabei rauskommt“, so Alexander Bai. Das Einspringen klappte überraschend gut, zwei Meter waren kein Problem, trotzdem wollte Bai bei der üblichen Anfangshöhe von 1,90 m einsteigen.
Alle Höhen meisterte der Athlet des MTV Hanstedt im ersten Versuch: nach 1,90 m auch 1,95 m, 2,00 m und 2,04 m. „Als ich dann im ersten Versuch über 2,08 m geflogen bin, hab ich das erste Mal geschrien“, berichtet der deutsche Vizemeister. Bis dahin lag Bai gleichauf mit Chima Ihenetu (LG Nord Berlin). Das sollte sich bei 2,12 m ändern: wie eingangs beschrieben, übersprang Alexander Bai seine neue persönliche Bestleistung, zugleich ein neuer Harburger Kreisrekord, ebenfalls im ersten Versuch. Bei Ihenetu fiel die Latte. Damit war klar, dass der Berliner mindestens 2,15 m springen musste, um noch an Alexander Bai vorbeizuziehen.
Der Titelverteidiger aus Berlin entreißt Bai die Goldmedaille
Der Titelverteidiger aus Berlin schaffte die 2,12 m im dritten Versuch und entriss Bai den greifbar nahen Meistertitel, indem er auch die 2,15 m im dritten Versuch schaffte. Bai selbst hatte einen sehr guten ersten Versuch über diese Höhe. „Das war richtig knapp. Alex lag schon auf der Matte, dann ist die Latte doch noch gefallen“, so Wolfgang Striezel. Traurig waren aber weder der Trainer noch der Aktive, dass es knapp nicht zur Goldmedaille reichte.
„Ich hab mich auch für Chima gefreut. Der Titel war für mich nicht wichtig. Wichtiger war die gute Leistung und dass ich bewiesen habe, auch bei großen Meisterschaften gut springen zu können“, sagte Alexander Bai fair. Seine beste Platzierung bei deutschen Meisterschaften war bisher Rang sechs bei der Jugend-Hallen-DM 2020 in Neubrandenburg gewesen.
Norddeutsche Meisterschaften in Rostock als letzter Jahreshöhepunkt
„Wer weiß, wofür das gut ist? Als Meister wäre Alex der Gejagte gewesen. So hat er noch einen Trumpf im Ärmel, zumal er ein weiteres Jahr in der U23 starten darf“, sagte Wolfgang Striezel. „Normalerweise gehe ich mit Lob sparsam um. Ich muss aber sagen, dass Alexander sehr konzentriert war und das wirklich toll gemacht hat.“
Dem erfahrenen Coach wäre es recht, wenn dieses Jahr keine weiteren Steigerungen folgen würden. „Klar ist, dass nicht jeder Wettkampf in dieser Region enden kann. Nächste Aufgabe ist es, die Leistung zwischen 2,05 m und 2,12 m zu stabilisieren.“ In Vorbereitung auf den letzten Jahreshöhepunkt, die norddeutschen Meisterschaften am 10. und 11. September in Rostock, wird Bai bei einem Abendsportfest in Oldenburg springen.
Zunächst hat er aber eine Woche trainingsfrei, unternimmt mit einem Freund einen Kurztrip nach Cuxhaven. Und vielleicht hellt sich in der guten Nordseeluft auch die Erinnerung an den besten Sprung seiner Karriere auf.