Hanstedt/Tostedt. Der 18 Jahre alte Alexander Bai vom MTV Hanstedt erfüllt sich bei seinen ersten deutschen Meisterschaften einen Traum.
„Bei seiner ersten deutschen Meisterschaft hat er sich wacker geschlagen. Großes Lob.“ Wer Wolfgang Striezel kennt, weiß, dass der Leichtathletiktrainer des MTV Hanstedt nicht gerade zu überschwänglichen Formulierungen neigt. Liest man zwischen den Zeilen, sind der Coach wie auch sein Aktiver sehr froh und stolz über das Abschneiden bei den deutschen Jugend-Hallen-Meisterschaften in Neubrandenburg. Hochspringer Alexander Bai belegte in der Entscheidung der männlichen U20-Jugend den sechsten Platz – zusammen mit dem Titel des Niedersachsenmeisters und Rang zwei bei den norddeutschen Meisterschaften der bislang größte Erfolg des 18-Jährigen.
Für die Teilnahme musste man 1,99 Meter gesprungen sein
Überhaupt nur zwölf Athleten hatten im Vorfeld die geforderte Qualifikationshöhe von 1,99 Meter geschafft. Der Traum von Alexander Bai war es, unter die besten Acht zu kommen. „Ich habe ihm versucht einzureden, dass er die ersten drei Höhen im ersten Versuch nehmen muss“, so Striezel. Haben mehrere Athleten die gleiche Höhe übersprungen, wird als nächstes Kriterium für die Reihenfolge herangezogen, in welchem Versuch diese Höhe geschafft wurde. Sollte auch das identisch sein, gilt als nächstes Kriterium die geringe Anzahl von Fehlversuchen über alle Höhen.
Auf jeden Fall glaubte Alexander Bai den Worten seines Trainers. Und er hatte seine Nerven gut im Griff. Das ist besonders erwähnenswert, weil der Auftritt in Neubrandenburg der erste Start bei einer deutschen Meisterschaft überhaupt für den Hittfelder, der für Hanstedt startet, war. „Da herrscht eine ganz andere Stimmung als bei Landes- oder norddeutschen Meisterschaften“, erzählte Wolfgang Striezel, „es war voll, es war laut, Musik wurde eingespielt und aus allen Ecken wurden Athletinnen und Athleten angefeuert. Das alles war Alexander nicht gewohnt.“
Die ungewohnte Atmosphäre störte den Hittfelder nicht
Ungewohnt war auch die Anfangshöhe, die immerhin bei 1,85 Meter lag. Danach folgten bis einschließlich zwei Meter Steigerungen um jeweils fünf Zentimeter. Alexander Bai legte bei 1,85 m, bei 1,90 m und auch bei 1,95 m bombensichere Versuche hin, überwand diese Höhen alle im ersten Versuch – wie gefordert. Der Sprung über 1,95 Meter war so gut, dass er vielleicht sogar für 2,00 Meter gereicht hätte.
Als die Latte dann auf diese Schallgrenze gelegt wurde – es wäre für Bai neue persönliche Bestleistung gewesen – waren die Sprünge nicht mehr ganz so gut, auch wenn der zweite nur knapp gerissen war. „Man kriegt die besten Sprünge halt nicht immer bei der richtigen Höhe hin“, weiß der Trainer. Als Sechstplatzierten ließ Alexander Bai auch Karl Scheffers (St. Peter-Ording) hinter sich, der ihm in Hannover den Nordtitel weggeschnappt hatte.
„Sein Traum war, unter die besten Acht zu kommen. Ich finde es schön, dass er das geschafft hat“, lobte der Hanstedter Trainer seinen Schützling, der in den vergangenen Monaten kräftig gewachsen ist und mittlerweile 1,95 Meter misst – just die Höhe, die er bei der Jugend-DM übersprang. Für den Sommer hat sich der Zwölftklässler des Gymnasiums Hittfeld vorgenommen, gesund zu bleiben und die Zwei-Meter-Marke zu knacken. In den nächsten Tagen geht es im Training etwas ruhiger zu. Denn Alexander Bai hat ein anderes großes Ziel: der HSV-Fan möchte seinen Lieblingsclub unbedingt zum Derbysieg gegen den FC St. Pauli schreien.
Lucy Seute vom MTV Tostedt stürzte kurz vor dem Ziel
Schreien können hätte auch die zweite Teilnehmerin aus dem Landkreis Harburg nach ihrem Wettkampf in Neubrandenburg – vermutlich eine Mischung aus Wut, Enttäuschung und Schmerz. Dabei sah es bis wenige Meter vor dem ziel sehr gut aus für Lucy Seute im ersten Vorlauf über 60 Meter Hürden. Ein Platz unter den ersten dreien hätte gereicht, um direkt den Einzug in den Zwischenlauf zu schaffen. Und die Sprinterin vom MTV Tostedt setzte ihre überraschend starke Performance der gesamten Wintersaison fort, lag quasi mit der Jahresschnellsten gleichauf und war auf einem sehr guten Weg, ihre Bestzeit von 8,85 Sekunden zu verbessern.
Was dann aber nach der letzten Hürde passierte, konnte sie sich selbst nicht erklären. Trainerin Angela Schirner versuchte es zumindest. „Dann hat Lucy wohl angefangen, zu denken, sie müsste gleichauf mit den anderen ins Ziel laufen. Wer aber denkt, kann nicht schnell laufen“, so Schirner. Jedenfalls bekam Lucy Seute zu viel Vorlage, geriet ins Stolpern und stürzte kurz vor der Ziellinie auf die Kunststoffbahn. Etwa sechs Sekunden nach den anderen schleppte sich die 18-Jährige aus Heidenau ins Ziel – für den Zwischenlauf reichte das natürlich nicht.
Jennifer Soetebier blieb etwas unter ihren Möglichkeiten
„Sie hat sich das rechte Knie aufgeschürft und es gab viele Tränen“, erzählt Angela Schirner, „auf der Rückfahrt hat sich Lucy aber wieder gefangen und schon motiviert auf die Sommersaison geguckt.“ Mit etwas Abstand wird die Schülerin der IGS Buchholz stolz auf ihre Hallensaison sein. Sie war Landesmeisterin der Frauen und norddeutsche Vizemeisterin in der U20-Jugend geworden und hatte ihren Hausrekord aus dem vergangenen Winter um fast eine halbe Sekunde verbessert. Das kam umso überraschender, weil Seute im Sommer 2019 nur ein einziges Rennen hatte bestreiten können. Erst laborierte sie an den Folgen eines Trainingssturzes, dann zog sie sich einen Bänderriss im Sprunggelenk zu. Aufgrund der Verletzung musste sich auch auf die Fahrt zu den deutschen Jugendmeisterschaften in Ulm verzichten.
„Lucy arbeitet im Training sehr fokussiert und fleißig“, sagt die Trainerin über die derzeit erfolgreichste Leichtathletin des MTV Tostedt. Regelmäßig fahren die beiden in die Leichtathletikhalle nach Hamburg, um mit Spikes und aus „vernünftigem Startblock“ wettkampfnah trainieren zu können. In der normalen Sporthalle in Tostedt ist das kaum möglich.
Etwas unter den eigenen Erwartungen lieb die dritte Kreisathletin. Jennifer Soetebier von der LG Nordheide überwand im Hochsprung der weiblichen U20-Jugend 1,68 Meter und belegte den 14. Rang. Im Sommer war die von Wilfried Oppermann trainierte 17-Jährige bereits 1,76 Meter hoch gesprungen. Damit hätte sie in Neubrandenburg in den Medaillenkampf eingreifen können.