Harburg/Hanstedt. Über die Schwierigkeiten von Janina Lange aus Harburg, unter Corona-Bedingungen halbwegs vernünftig ihrem Sport nachgehen zu können.

Nein, mit einem Wettkampf in der Hallensaison hatte Janina Lange nicht mehr gerechnet. Die Landesmeisterschaften in Hamburg: abgesagt! Die Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften in Halle/Saale, bei denen die Leichtathletin aus Harburg im Vorjahr Silber gewonnen hatte: abgesagt! Die wenigen Hallenmeetings in Karlsruhe, Düsseldorf oder Berlin: ausschließlich für Bundeskaderathleten! Und dann schraubte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) noch die Qualifikationsnormen in die Höhe, um die Teilnehmerzahl bei den Deutschen Einzelmeisterschaften zu reduzieren. Für den Weitsprung der Frauen wurden 6,25 Meter gefordert, Langes Bestleistung steht bei 6,22 Meter. Für den Hochsprung wurden 1,82 Meter gefordert, Lange überwand bislang 1,81 Meter.

Richtig happy nach dem Anruf des Bundestrainers

„Mit einem Wettkampf hatte ich nicht mehr gerechnet. Das Training hatten wir schon wieder umgestellt“, erzählt die 23-Jährige, die aus der Turnerschaft Harburg hervorgegangen ist und seit einigen Jahren für den MTV Lübeck startet. Dann aber klingelte das Telefon, Weitsprung-Bundestrainer Ulrich Knapp war dran und teilte Janina Lange mit, dass sie als Nachrückerin bei der Hallen-DM in Dortmund dabei sein könne. Kurz danach kam das gleiche Angebot für den Hochsprung. „Ich war richtig happy, dass ich in der Halle starten darf. Es macht immer Spaß, bei einer deutschen Meisterschaft dabei zu sein“, erzählt sie.

Um eine Durchmischung von Athletinnen und Athleten mehrerer Disziplinen zu verhindern, erlaubte der DLV allerdings nur einen Start. Die Entscheidung für den Weit- und gegen den Hochsprung war nicht schwierig. „In einer normalen Sporthalle und ohne Spikes kann man Weitsprung etwas besser vorbereiten“, erzählt Janina Lange, die von Dirk Schulz, dem Landestrainer Schleswig-Holsteins, und dreimal pro Woche auch von Wolfgang Striezel (MTV Hanstedt) betreut wird.

Weitsprung-Training mit Mattenbahn und Weichböden

Weil Lange nur Mitglied im Landeskader ist, blieb ihr der Zugang zur Hamburger Leichtathletikhalle an der Krochmannstraße versperrt. Der war einzig und allein den zehn Bundeskaderathleten Hamburgs vorbehalten. Immerhin darf die Hanstedter Trainingsgruppe seit einigen Wochen die dortige Schulsporthalle nutzen. In jedem der drei Hallenfelder trainieren jeweils nur zwei Leichtathleten, in immer derselben Konstellation. Janina Lange bildete eine Mini-Trainingsgruppe mit Hochspringer Alexander Bai. „Da haben wir eine Mattenbahn und Weichböden aufgebaut, um den Absprung und die Landung anzudeuten“, beschreibt sie ihre DM-Vorbereitung. Ergänzend kamen zwei Trainingseinheiten in der Leichtathletikhalle in Malente dazu. Dort kann man zumindest mit Spikes trainieren.

Unter diesen Voraussetzungen waren die Erwartungen an die Deutschen Hallenmeisterschaften nicht allzu hoch. „Nur eine andere Springerin war wie ich nicht im Bundeskader. Alle anderen konnten durchtrainieren. Ganz fair ist das nicht“, sagte Janina Lange. In den ersten beiden Versuchen sprang sie 5,94 m und 5,86 m weit. Danach wurde der Anlauf unrhythmischer, die Weiten ließen nach. Letztlich belegte die Kauffrau für Versicherungen und Finanzen den achten Platz unter zehn Teilnehmerinnen. „Das ist völlig in Ordnung. Mein Ziel, den Endkampf, habe ich erreicht. Ich hätte mir eine stabilere Serie gewünscht und wäre gern über sechs Meter gekommen.“ Im vergangenen Winter hatte sie bei der Hallen-DM in Leipzig den zehnten Platz belegt.

Klebeband für Weltmeisterin Malaika Mihambo

Zum vierten Mal in Folge Deutsche Meisterin wurde Weltmeisterin Malaika Mihambo. Zeit für ein persönliches Wort blieb nicht, dafür ist jede Athletin zu sehr auf ihren eigenen Wettkampf konzentriert, eben im berühmten Tunnel. „Sie hat mich aber gefragt, ob sie etwas von meinem Klebeband haben könnte“, erzählt Janina Lange. „Das habe ich ihr natürlich gegeben. Ich bin ja nett.“

Insgesamt blickt die Harburgerin auf ein ungewöhnliches Wintertraining zurück. Ohne Wettkämpfe und ohne geeignete Rahmenbedingungen, sprich eine Leichtathletikhalle, rückte das Technik- und Schnelligkeitstraining in den Hintergrund. „In Hanstedt haben wir viel Grundlagen trainiert. Zirkeltraining, sehr viel und sehr lang.“ Zu Hause arbeitete Janina Lange viel mit kleinen Geräten an der Rumpfstabilität. Und wenn sie ihre Eltern in Eißendorf besuchte, wurde das benachbarte Waldgebiet Haake zum Trainingsgelände. Intervalltraining mit Sekundenläufen, Berganläufe oder auch Mehrfachsprünge auf Waldboden standen dort im Fokus.

Hoffnung auf Beginn der Freiluftsaison im Mai

„Ohne festes Ziel ist es schwierig, die Motivation hoch zu halten“, sagt die Frau, die sechs Einheiten pro Woche trainiert. Umso glücklicher ist sie, dass es zumindest einen groben Wettkampfplan für die nahende Freiluftsaison gibt. „Wahrscheinlich im Mai werde ich den ersten Siebenkampf machen. Auch die Landes- und norddeutschen Meisterschaften sollen schon im Mai stattfinden“, blickt Janina Lange nach vorn. „Ich bin optimistisch, dass Wettkämpfe bald wieder möglich sind. 2020 im Sommer hat das auch gut geklappt.“ Bis dahin wird die 23-Jährige weiter fleißig trainieren: auf der Jahnkampfbahn am Hamburger Stadtpark, auf dem Sportplatz der Turnerschaft Harburg, wo sie Mitglied geblieben ist, und eben in Hanstedt.

Info: Zweimal deutsche Vizemeisterin im Mehrkampf

Zweimal in ihrer Karriere hat Janina Lange eine Silbermedaille bei deutschen Mehrkampf-Meisterschaften gewonnen: 2019 bei den U23-Juniorinnen und 2020 im Hallen-Fünfkampf der Frauen. Im Juli vergangenen Jahres steigerte sie ihre persönliche Bestleistung im Siebenkampf auf 5830 Punkte und rückte vor in die erweiterte nationale Spitze. In der DLV-Bestenliste 2020 wird sie an Position fünf geführt, bei der Mehrkampf-DM im August in Vaterstetten wurde sie Sechste.

Für die Saison 2021 hat sich Janina Lange vorgenommen, erneut eine gute DM-Platzierung zu erreichen und wie 2019 zum internationalen Mehrkampf-Meeting nach Ratingen eingeladen zu werden. Zudem möchte sie gern für den Thorpe-Cup, einem Mehrkampf-Länderkampf für Männer und Frauen zwischen den USA und Deutschland, nominiert werden. Das größte Potenzial für Verbesserungen sieht sie in ihrer Grundschnelligkeit. Über 200 Meter und 100 Meter Hürden lasse sie viele Punkte liegen.