Harburg/Hanstedt. Größter Erfolg ihrer Karriere: Die 23-Jährige aus Eißendorf gewinnt Silber bei den deutschen Mehrkampf-Meisterschaften der Frauen.
Wenn sie Autogrammkarten hätte, würde dieser Erfolg ganz oben stehen: „Deutsche Vizemeisterin im Siebenkampf der Frauen“. Da Janina Lange ebensolche Karten aber (noch) nicht hat, ist der jüngste und größte Erfolg ihrer Leichtathletik-Karriere vor allem einer, der ihr ein gutes Gefühl und Bestätigung gibt für all das, was sie investiert, und jede Menge Motivation für die kommenden Jahre. Die 23-Jährige aus dem Harburger Stadtteil Eißendorf, die mittlerweile in Uhlenhorst wohnt und für den MTV Lübeck startet, hatte zuvor schon zweimal Silber bei deutschen Meisterschaften gewonnen: 2019 im Siebenkampf der U23-Juniorinnen und 2020 im Hallen-Fünfkampf der Frauen.
Nur EM-Starterin Mareike Arndt aus Leverkusen war noch besser
Deutsche Vizemeisterin im Siebenkampf der offenen Frauenklasse ist aber etwas, das auch beim nicht sonderlich sportaffinen Betrachter hängen bleibt. Da spielt es eine untergeordnete Rolle, dass mit Carolin Schäfer und Vanessa Grimm beide deutschen Olympiastarterinnen nicht in Wesel antraten und weitere Athletinnen verzichteten. Noch besser als die 5613 Punkte von Janina Lange war nur Mareike Arndt (TSV Bayer 04 Leverkusen/5705), die bei den Europameisterschaften 2018 in Berlin dabei gewesen war.
„Vor den 800 Metern lag ich auf dem zweiten Platz und war sehr nervös. Ich wollte unbedingt eine Medaille gewinnen“, erzählt Janina Lange, die drei- bis viermal pro Woche auch bei Wolfgang Striezel in Hanstedt trainiert. Für das Medaillenziel musste Lange den 800-Meter-Lauf vor den nur wenige Punkte hinter ihr lauernden Anna-Lena Obermaier und Isabel Mayer (beide Regensburg) beenden. „Wie schon häufiger, habe ich mich an Laura Voß gehängt und aufgepasst, dass keine an mir vorbeizieht“, erzählt die Kauffrau für Versicherungen und Finanzen.
Silber auch in der Mannschaftswertung mit Schleswig-Holstein-Rekord
Ein Plan, der aufging, und ihr neben Silber in der Einzelwertung auch Silber mit der Mannschaft des MTV Lübeck bescherte. Das Team mit U23-Vizemeisterin Paula de Boer und Katharina Kemp stellte einen neuen Landesrekord für Schleswig-Holstein auf und landete nur 73 Punkte hinter dem deutschen Meister Leverkusen.
Janina Lange verfehlte ihre persönliche Siebenkampf-Bestleistung aus dem Vorjahr um etwa 200 Punkte. „Im Hoch- und Weitsprung habe ich viele Punkte liegen lassen. Auch mit der Kugel wollte es diesmal nicht klappen“, sagt die sympathische Athletin. Aufgrund des langen Lockdowns fehlen ihr vor allem in den Sprungdisziplinen die Technikeinheiten. In der Hamburger Leichtathletikhalle durfte sie als Landeskaderathletin Schleswig-Holsteins nicht trainieren, eindreiviertel Stunden Fahrt zum Training nach Malente waren ihr zu viel Aufwand, da blieb nur das wenig wettkampfnahe Training mit normalen Sportschuhen auf normalem Hallenboden in Hanstedt.
Fehlende Technikeinheiten machen sich im Hochsprung bemerkbar
Und auf diesem Niveau holt man die fehlende Routine eben nicht in drei oder vier Monaten auf. „Hochsprung war zuletzt mein Sorgenkind. Die Sprünge in Wesel waren die ersten, die sich wieder gut anfühlten“, sagt Lange. Trotzdem ist sie bereits zehn Zentimeter höher als die aktuellen 1,71 Meter gesprungen.
Bei den deutschen Mehrkampf-Meisterschaften wurde Janina Lange von Mutter und Vater, ihrem Freund und ihren beiden Trainern Dirk Schulz und Wolfgang Striezel begleitet. „Auch weil keine Zuschauer im Stadion sein durften, war es schön, eine so große Gruppe um mich zu haben.“ Allerdings musste sich die Gruppe eine ganze Zeit mit der Rückfahrt vom Niederrhein in den Norden gedulden. Die Harburgerin wurde für die Anti-Doping-Kontrolle ausgelost. Gerade nach einem anstrengenden 800-Meter-Lauf mit hohem Flüssigkeitsverlust kein leichtes Unterfangen, eine Urinprobe abzugeben. „Aber ich steigere mich“, sagte Janina Lange schmunzelnd. „Letztes Mal hat es drei Stunden gedauert, diesmal nur zwei.“
Vielleicht noch ein kleiner Wettkampf, dann geht es in den Urlaub
Für die Regeneration gönnt sich die deutsche Vizemeisterin nun eine trainingsfreie Woche. Anschließend wird sie eventuell noch einen oder zwei kleinere Wettkämpfe bestreiten. Klar ist, dass spätestens Mitte September die einmonatige Saisonpause beginnt und sie in den Urlaub fährt. „Ich brauche Sonne und Strand“, sagt Janina Lange. Und vielleicht denkt sie dann tatsächlich mal über Autogrammkarten nach.
Alle Leistungen: 100 Meter Hürden (14,34 sek.), Hochsprung (1,71 m), Kugelstoß (11,14 m), 200 Meter (25,15 sek.); Weitsprung (5,89 m), Speerwurf (38,59 m), 800 Meter (2:15,73 min.) = 5613 Siebenkampf-Punkte