Buchholz/Winsen. Laura Brakmann und Joris Grunwald gewinnen den Deutschland-Cup. Andernorts werden Wettkämpfe coronabedingt wieder abgesagt.
Wie im falschen Film muss sich Susanne Tidecks vorkommen. Und mit der Trainerin auch die Sportlerinnen aus dem Turn-Team Kiehn Group Lüneburg-Buchholz. Nach zwei deutlichen Siegen an den ersten beiden Wettkampftagen der 2. Bundesliga standen sie kurz vor dem Aufstieg ins Oberhaus der Deutschen Turn-Liga (DTL). Es hätte sehr viel schief gehen müssen, wenn die Turnerinnen aus der Nordheide ihre Tabellenführung am dritten und letzten Wettkampftag noch hätten verlieren sollen. Der große Aufstiegsjubel war für diesen Sonnabend, 13. November, in Waging am See angedacht. „Wir wollten die Saison mit dem Abschlusswettkampf in Waging am See vergolden. Daraus wird nun nichts“, sagte Tidecks, die auch alle organisatorischen Dinge regelt.
Inzidenz über 800er-Marke – letzter Wettkampf abgesagt
Corona machte dem Turn-Team einen Strich durch die Planungen. Der letzte Bundesliga-Wettkampf der Frauen – auch die die 1. Bundesliga hätte an die Geräte gehen sollen – ist am Dienstag abgesagt worden. Als Grund nennen der ausrichtende Verein und die DTL die außergewöhnlich hohen, weiter steigenden Inzidenzraten im Landkreis Traunstein. Diese hatten zu Wochenbeginn die 800er-Marke überschritten.
„Wir bedauern diese Entscheidung natürlich sehr. Wir mussten allerdings zwischen unserem unbedingten Willen, den dritten Wettkampftag durchzuführen und unserer Verantwortung den Athleten, Trainern, Kampfrichtern und Delegationen gegenüber abwägen“, erklärte DTL-Präsident Jens-Uwe Kunze. Auch die überwiegende Mehrheit der Vereine habe in einer Umfrage die Ansicht geteilt, dass die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben sei.
Deutsche Turn-Liga will zeitnah über Aufstiegsfrage entscheiden
Wie geht es nun weiter? Was passiert mit den Aufstiegsambitionen des Turn-Teams Lüneburg-Buchholz? Schon vor einem Jahr hatte die Saison in der 2. Frauen-Bundesliga coronabedingt nach dem zweiten Wettkampf abgebrochen werden müssen. Seinerzeit hielten die Verantwortlichen zwei Wettkämpfe für eine zu geringe Basis, um einen Verein in die 1. Bundesliga aufsteigen zu lassen. Die Turnerinnen aus Lüneburg, Buchholz und Umgebung lagen Ende 2020 „nur“ auf Rang fünf, mit dem Aufstieg hatten sie nichts zu tun.
In diesem Jahr allerdings ist es für die Niedersachsen von entscheidender Bedeutung, wie die Deutsche Turn-Liga die Aufstiegsfrage entscheidet. Die Ausgangslage ist die gleiche – doch kann und will es sich die DTL zum zweiten Mal in Folge erlauben, keine neue Frauen-Riege in die 1. Bundesliga aufzunehmen?! Noch darf das Turn-Team Kiehn Group Lüneburg-Buchholz auf eine salomonische Lösung hoffen. „Wir werden uns umgehend zusammensetzen und darüber diskutieren, welche Auswirkungen und Verfahrensweisen das Regelwerk durch die Absage entfaltet“, sagte Abteilungsleiterin Bettina Ländle vom TSV Waging.
Nur zwei Nachwuchsturner pro Bundesland waren erlaubt
Mehr Glück hatten einige junge Turnerinnen und Turner aus dem Landkreis Harburg. Sie hatten sich als Nummer eins oder zwei ihres Landesverbandes für den Deutschland-Cup qualifiziert. Weil die Inzidenzen in Paderborn in Ostwestfalen nicht so hoch waren wie in Oberbayern, konnten sie wie geplant an die olympischen Turngeräte gehen. Die Auftritte von Laura Brakmann (KTG Lüneburger Heide) und Joris Grunwald (TSV Buchholz 08) gelangen derart gut, dass sie in der Altersklasse (AK) 14/15 jeweils die Einzelwertung des Deutschland-Cups gewannen. Jedes Bundesland darf nur zwei Turnerinnen bzw. Turner pro Doppeljahrgang entsenden, was bereits die Teilnahme zum Erfolg macht.
Von der Kunstturngemeinschaft (KTG) Lüneburger Heide aus Winsen hatten sich mit Laura Brakmann und Zoe Hiller zwei 13 Jahre alte Talente, jeweils Mitglied im MTV Pattensen, online qualifiziert. Am Sprung zeigte Brakmann einen Yurtschenko, den wenige Turnerinnen ihres Alters im Repertoire haben. Ein Yurtschenko ist eine Radwende aufs Sprungbrett; dann geht es mit einem Flick-Flack rückwärts über den Sprungtisch, gefolgt von einem anderthalbfachen Salto rückwärts. Brakmann brachte diese komplizierte Übung in gehockter Ausführung souverän in den Stand.
Zweite KTG-Starterin Zoe Hiller wird Elfte von 28 Turnerinnen
Auch ihre Barrenübung mit dem neu gelernten Unterschwung mit Salto vorwärts und einer halben Schraube bekam die höchste Wertung des Wettkampfes. Die Übungen am Schwebebalken und Boden gelangen fehlerfrei und gewohnt elegant. So konnte die 13 Jahre alte Laura Brakmann, die erst am 1. Dezember ihren 14. Geburtstag feiert, den Wettkampf der Altersklasse 14/15 mit starken 50,70 Punkten gewinnen. Ihr Vorsprung auf Yara Berlinger (TV Muggensturm) betrugt erstaunliche 1,4 Punkte.
Freundin und Teamkameradin Zoe Hiller turnte ebenfalls einen guten Wettkampf mit neuen Elementen und der zweitbesten Stufenbarrenübung der AK 12/13. Durch einen Sturz am Schwebebalken büßte sie allerdings Punkte ein und belegte letztlich den guten elften Platz unter 28 Teilnehmerinnen.
Joris Grunwald ist auch an drei Einzelgeräten der Beste
Auf ein wahrlich erfolgreiches Jahr blicken die Turner des TSV Buchholz 08 zurück. Joris Grunwald fügte der Erfolgsgeschichte mit dem Gewinn des Deutschland-Cups ein weiteres Kapitel hinzu. Der 15-Jährige absolvierte in Paderborn einen Kürwettkampf an den sechs olympischen Turngeräten. Nach einem durchweg guten Wettkampf wurde der Ausnahmeathlet zu den Klängen der deutschen Nationalhymne als Sieger der Altersklasse 14/15 geehrt.
Grunwald siegt mit 72,05 Punkten vor Lennart Schulz (MSV Duisburg/70,85). In sechs Gerätefinals erturnte sich der Buchholzer fünf weitere Platzierungen auf dem Siegertreppchen. Mit ersten Plätzen an den Ringen, am Barren und am Reck sowie zweiten Plätzen am Boden und Sprung sahnte der Gymnasiast groß ab.
Premiere auf Bundesebene für Birla Mecke von Buchholz 08
Joris Grunwald war nicht der einzige Teilnehmer des TSV Buchholz 08, auch zwei Turnerinnen hatten sich als Vertreterinnen des Niedersächsischen Turnerbundes (NTB) qualifiziert. Bei ihrer Premiere auf Bundesebene erreichte die 16-jährige Birla Mecke einen bemerkenswerten neunten Platz unter 29 Starterinnen der AK 16/17 (48,50 Punkte). Und bei den Frauen war es die erfahrene Merle Danisch, die im Startfeld der 30 besten Frauen im Mittelfeld landete. Mit dem Vierkampfresultat von 47,40 Punkten belegte die 23-Jährige Rang 15.