Hamburg. Ein Zaun soll nun einen sicheren Ort für die bedrohte Vogelart schaffen – mit einem erstaunlichen Nebeneffekt.

Vor einigen Jahren machte das heutige Neubaugebiet Vogelkamp in Neugraben Schlagzeilen, weil eigens ein sogenannter Katzengraben angelegt wurde, um den streng geschützten Wiesenbrüter Wachtelkönig vor Haustieren der künftigen Bewohner zu schützen.

Nun haben der Bezirk Harburg, die städtische Planungsgesellschaft IBA in Zusammenarbeit mit der örtlichen Naturschutzorganisation Nabu erneut eine Schutzmaßnahme dort entwickelt, die einen anderen sehr selten gewordenen Vogel ähnlich vor ungewollten Besuchern schützen soll. Ein etwa 1000 mal 200 Meter breiter Wiesenstreifen zwischen den neuen Häusern und dem Moorgürtel wurde dazu jetzt eingezäunt, um Rebhühnern einen sicheren Lebensraum zu bieten.

Neugrabener Neubaugebiet: „Rettungsinsel“ für Rebhühner

Rund 7000 Euro kostete der Rebhuhn-Schutzzaun von Neugraben. „Es ist so etwas wie eine Rettungsinsel für Rebhühner“, sagt Nabu-Mann Frederik Schawaller. Denn anders als manche denken, die sich noch an Jagdgeschichten über Rebhühner erinnern, ist auch dieser Vogel sehr selten geworden in Deutschland: Seit 1980 ist der Bestand dem Nabu zufolge um 91 Prozent eingebrochen.

Der „typische Feldvogel“ brauche vor allem ungemähte und ungespritzte Flächen, wo die Weibchen gut versteckt vor Räubern und Füchsen brüten können. Naturschützer machen daher vor allem die moderne Agrarwirtschaft für den dramatischen Rückgang verantwortlich. In Hamburg gab es daher nur noch ein registriertes Vorkommen in Altengamme. Und jetzt eben ein zweites in Neugraben: „Das hat uns sehr überrascht“, so Nabu-Mitglied Schawaller.

Die Vögel kamen sogar bis in die Gärten

Anwohner hatten die so seltenen Rebhühner entdeckt, manche der Vögel waren sogar bis in die Gärten gekommen. Folge dieses neu entdeckten Vorkommens sei nun eine Veränderung bei der Bewirtschaftung der Wiese – was zudem eine verblüffende Selbstregulierung der Natur zeigen konnte. Eigentlich war der Wiesenstreifen zwischen Moor und neuen Häusern als Ausgleich für den Verlust von bewirtschafteten Wiesen geplant gewesen.

Im Auftrag des Bezirks mähte daher in regelmäßigen Abständen ein Landwirt und bewirtschaftete die Fläche so auf alte extensive Art. Doch dort wächst auch das gefürchtete und giftige Jakobskreuzkraut, so dass die Mahd schlecht als Futter genutzt werden konnte. Zuletzt habe man keinen Landwirt mehr gefunden, der diese Ausgleichsfläche bewirtschaften wollte, berichtet Bezirksmitarbeiterin Gisela Speitel.

Rebhühner sind in Hamburg selten geworden

Und dann tauchten plötzlich die ersten Rebhuhn-Fotos aus dem Gebiet auf. „Dort konnten sich trotz des Baufortschritts ganz unerwartet zwei bis drei Paare in ihrem angestammten Gebiet halten“, sagt Nabu-Mann Schawaller.

Um dieses unerwartete, zweite Rebhuhn-Vorkommen zu schützen, entwickelten schließlich Bezirk, Nabu und städtische Planungsgesellschaft IBA das neue Schutzkonzept mit dem Zaun. Gemäht wird dort aus Rücksicht auf brütende Rebhühner nun viel später als auf bewirtschaften Flächen, wo frühes Mähen das Vorkommen des Jakobskreuzkrauts möglichst frühzeitig niedrig halten soll.

Erstaunlicher Effekt der Natur

Doch nun zeigte sich ein neuer erstaunlicher Effekt, wie die Nabu-Leute dort beobachteten: Zwar breitete sich das giftige Kraut aus – aber auch die Raupe des Schmetterlings „Blut- oder Karminbär“, der seinen Namen durch seine intensive rote Farbe erhalten hat. Diese Raupen fressen ausschließlich das gelbblühende und meist sehr dominante Giftkraut und halten es so klein.

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Geniale Natur: Die Pflanze enthält so viele Bitterstoffe, dass diese auf sie spezialisierten Raupen dadurch sich quasi selbst schützen, weil kein Vogel sie fressen will. Die Natur hält, wenn man so will, sich selbst in Schach. Man muss sie nur in Ruhe lassen. Im Zweifel durch einen Zaun.