Jork-Königreich. Iris Berben, Milan Peschel und andere bekannte Schauspieler wirken in dem Zweiteiler zu Dörte Hansens Geschichte mit. Besuch am Set.
Hier soll jedes Detail stimmen: An Holzklammern aufgehängte Wäsche flattert zwischen den Bäumen, auf der Einfahrt dampft ein Haufen Mist und über das Kopfsteinpflaster rumpelt ein perfekt restauriertes DKW-Cabrio. Der „Harmshof“ in Jork-Königreich gilt eh schon als eine der wohl am besten erhaltenen alten Hofstellen im Alten Land.
In diesen Tagen aber wandelt er sich bis in solche Kleinigkeiten in ein Abbild der 50er Jahre und geht dann weiter auf eine Art Zeitreise bis in die Gegenwart. Das pittoreske Fachwerk-Ensemble ist noch bis Juni einer der Hauptdrehorte für eine UFA-Produktion, bei der für das ZDF ein aufwendiger Zweiteiler gedreht wird. Vorlage ist der Erfolgsroman „Altes Land“ der Autorin Dörte Hansen.
Originalschauplätze waren ein Muss
„Uns war klar, dass wir das nur an Originalschauplätzen machen können, der Roman ist dazu einfach zu sehr mit dieser Region verwoben“, sagt UFA-Produzent Benjamin Benedict, der schon mehrfach preisgekrönte Produktionen mit Familiengeschichten realisiert hat, etwa 2013 das Kriegsdrama „Unsere Mütter, unsere Väter“ oder auch „Der Turm“ nach dem gleichnamigen Roman von Uwe Tellkamp.
Und auch bei dem Bestseller von Dörte Hansen geht es um verschiedene Zeitebenen, die im Alten Land aber auch im Hamburger Stadtteil Ottensen spielen. Zwar wird dabei auch an anderen Orten im Alten Land gedreht, etwa am Lüheanleger oder auf dem Friedhof in Twielenfleth – doch der Harmshof dürfte als Schauplatz die zentrale Rolle spielen: Drei Frauen und drei Generationen leben dort; als Flüchtlingskind aus Ostpreußen kommt die junge Vera mit ihrer Mutter dorthin, wird aber nie ganz zugehörig zur Dorfgemeinschaft und dem im Alten Land verwurzelten Menschen sein. Gespielt wird sie von der 26 Jahre alten Schauspielerin Maria Ehrich und als ältere Frau von Iris Berben.
Autorin Hansen wohnte selbst im Alten Land
Nur der im Krieg schwer traumatisierte Hoferbe Karl Eckhoff (gespielt von Milan Peschel) wird für sie zu einer Art Anker und macht sie später zur Hoferbin. Aber Vera ist eigenwillig und verteidigt ihren Hof gegen Veränderungen. Schließlich taucht Anne, die Tochter ihrer Halbschwester Marlene mit ihren vierjährigen Sohn Leon dort auf. Auch sie ist eine Art Flüchtling.
Geflüchtet ist sie allerdings von ihrem Mann, der sie betrogen und hat, und noch mehr von den „Ottenser-Übermüttern“, die zwischen Pekip-Gruppen und musikalischer Früherziehung ebenfalls ein sehr angepasstes Leben führen, was Hansen sehr nett beschreibt. Die 1964 geborene Autorin wuchs in einem nordfriesischen Dorf auf und lernte Hochdeutsch erst in der Grundschule, wie es ihrem Wikipedia-Eintrag heißt. Später arbeitete sie als Journalistin beim NDR und wohnte mit Familie lange in Steinkirchen im Alten Land.
Sie kennt also beides: Stadt- und Landleben - wobei die Sehnsucht des Städters nach dem angeblichen Landidyll eines ihrer zentralen Themen ist. Auch bei ihrem zweiten, 2018 erschienen Roman „Mittagsstunde“, der ebenfalls viel Lob von Kritikern bekam. Dabei geht es um den Wandel eines Dorfes im Laufe der Zeit, fein beobachtet – ohne das Landleben zu idealisieren oder auch irgendwie vorzuführen.
Tourismusverein freut sich über Werbung
Die Figuren werden so geschildert, dass man ihre Beweggründe versteht, sagt Produzent Benedict, der vor gut drei Jahren bereits Kontakt zu Hansen aufgenommen hatte. Ein langer Weg war es dann bis zur tatsächlichen Verfilmung, die mit 55 Drehtagen angesetzt ist. Mehr als 100 Leute gehören zu dem Team, das derzeit hauptsächlich in den Ferienwohnungen des Alten Landes untergebracht ist.
Bei der Suche nach geeigneten Drehorten hatte die Produktionsfirma unter anderem auch den örtlichen Tourismusverein angeschrieben. Dort unterstützte man gerne, wie Vereinssprecherin Handan Gök sagt. Viel bessere Werbung für die Region als mit einem großen TV-Zweiteiler lässt sich wohl auch kaum vorstellen. Schon der Roman habe zu einer starken Nachfrage bei Tagesbesuchern und Touristen geführt. Und auch diesmal dürfte es so sein, dass viele sich die Originalschauplätze ansehen werden, vermutet sie. Ein Sendetermin steht allerdings noch nicht fest.
Doch auch der Harmshof mit seinem Hofcafé dürfte von den zahlreichen Verwandlungen durch die Filmleute profitieren.
Für den Hofbesitzer ist es ein „16-Stunden-Tag“
Doch zunächst einmal bedeutet der Dreh für Hofbesitzer Heinrich Stölken viel Arbeit. „Das ist ein 16-Stunden-Tag“, sagt er. Dann müsse jenes hingestellt werden, dann das wieder weg – nur, um das Bild der jeweils gedrehten Zeit nicht zu gefährden. Um die unmittelbaren Jahre nach dem Krieg darzustellen, ließ die Produktionsfirma beispielsweise die komplette, lange Kopfsteinpflastereinfahrt mit Vlies bedecken, um dann schwarze Erde darauf zu schaufeln: alles nur um einen originalen Matsch-Hofweg dieser Zeit zeigen zu können.
Und auch der plattdeutsche Spruch über dem Dieleneingang wurde nach Romanvorlage so montiert, als sei er schon immer dort gewesen: „Dit Hus is mien und doch nicht mien, de no mi kummt nennt’t ook noch sien“, heißt es dort – was durchaus als eine Art Fazit der Geschichte zu verstehen ist. Im Roman wie im Film.