Hamburg. Wegfall eines Überwegs in Harburg alarmiert FDP: Sorgt Verkehrsberuhigung für das Aus der liebgewonnenen Querungen? Petition gestartet.
„Dickstrichkette“, „Fußgängerübergang“ „Zebrastreifen“ „Fußgängerüberweg“, sind allesamt gebräuchliche Namen für die schwarzweiße Markierung auf der Fahrbahn, die Autofahrern gebietet, Vorsicht walten zu lassen und Vorrang den Fußgängern zu gewähren. Die Harburger FDP sieht sie in ganz Hamburg gefährdet und will sie mit einer Petition retten.
Der Wegfall des „Fußgängerüberwegs“ – von den vier genannten ist dies die einzig amtliche Bezeichnung – am Eißendorfer Pferdeweg vor dem AK Harburg war für die FDP ein Warnsignal. Im Zuge des Veloroutenbaus und der Verkehrsberuhigung wurde dort die Höchstgeschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer reduziert und damit fällt der Zebrastreifen weg. Das hat bei Besuchern und Anwohnern der Klinik zu Protesten geführt.
Noch am Dienstag hatte die Bezirksversammlung einstimmig beschlossen, den Zebrastreifen von der Polizei zurückzufordern
Noch am Dienstag hatte die Bezirksversammlung einstimmig einen Antrag der oppositionellen CDU beschlossen, den Zebrastreifen von der Polizei – sie hatte seinen Wegfall angeordnet – zurückzufordern. Dass dies im Wege einer Ausnahmegenehmigung geschehen soll, zeigt aber schon das Problem: In der Regel sollen in Tempo-30-Zonen keine Zebrastreifen angeordnet werden können, findet die Hamburger Polizei, und sie ist in diesem Bundesland die Straßenverkehrsbehörde.
Ihr Argument: Der Sinn einer Tempo-30-Zone ist, dass Fußgänger und Radfahrer die Straßen jederzeit und an jeder Stelle gefahrlos queren können. Ein markierter Fußgängerüberweg würde Autofahrern vorgaukeln, dass sie zwar in diesem Bereich besonders vorsichtig sein sollen, fernab des Überwegs aber nicht.
Da es in Hamburg aber immer mehr Tempo-30-Zonen, also zusammenhängende Straßensysteme mit diesem einheitlichen Tempolimit, gibt, fallen immer mehr Fußgängerüberwege weg. „In Hamburg sterben die Zebrastreifen aus“, sagt der FDP-Bezirksabgeordnete Henrik Sander. „Bei der Einrichtung von Tempo 30 Zonen werden in Hamburg immer wieder Zebrastreifen entfernt, oftmals auch entlang von Schulwegen, vor Kitas, Altenheim oder Krankenhäusern.“
Sander und seine Mit-Kandidaten für die Bezirkswahl, Jacqueline Pannier und Kurt Duwe, haben aus diesem aktuellen Anlass auf der Internetplattform change.org die Petition „Rettet Hamburgs Zebrastreifen“ gestartet. „Der Rückbau von Zebrastreifen ist insbesondere für Kinder, für ältere und unsichere Verkehrsteilnehmer sowie für Blinde und Sehbehinderte ein gravierender Verlust an Sicherheit im Straßenverkehr - auch bei reduzierter Höchstgeschwindigkeit“, so Jacqueline Pannier.
Daher würden sich viele Institutionen und Verbände für den Erhalt der Zebrastreifen einsetzen. Die Arbeitsgruppe „Fußverkehrspolitik“ der Verkehrsministerkonferenz fordert sogar ausdrücklich die Einrichtung von Zebrastreifen in Tempo-30-Zonen.
„Rechtlich ist die Entfernung von Zebrastreifen nicht zwingend notwendig“, sagt Kurt Duwe. „Die entsprechende Richtlinie der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, FGÜ 2001, legt lediglich fest, dass Zebrastreifen in Tempo 30 Zonen ‚entbehrlich‘ sind.“
In anderen Bundesländern wird das auch anders gehandhabt. Im Grün-Schwarz regierten Baden-Württemberg etwa sind ganze Städte, inklusive der Bundesfernstraßen, die durch sie hindurchführen, Tempo-30-Zonen – auch das ist nach Auffassung der Hamburger Polizei übrigens unmöglich – und wie selbstverständlich gibt es auch in diesen Orten noch Fußgängerübergänge, die mit Dickstrichkette markiert sind.
Nach Hamburger Auffassung müsste auch der Beatles-Zebrastreifen in London verschwinden
Um allen Hamburgern die sichere Teilhabe am Verkehr zu ermöglichen, fordert die FDP Harburg den Senat auf, das bestehende Niveau an sicheren Querungsmöglichkeiten nicht zu verringern. Kurt Duwe bringt es auf den Punkt: „Wir fordern den Rot-Grünen Senat auf, ein Moratorium für bestehende Zebrastreifen in Tempo 30 Zonen zu erlassen.“
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„Wir hoffen auf eine stadtweite Unterstützung, da dieses Problem mit der zunehmenden Ausweisung von Tempo 30 Zonen im Rahmen der Mobilitätswende alle Stadtteile betrifft“, so Henrik Sander.
Würde die Hamburger Polizei auch in London das Sagen haben, wäre übrigens auch der berühmteste Zebrastreifen der Welt, vor den Londoner Abbey Road Studios, mittlerweile Geschichte. Gerade hat der Stadtrat von Großlondon den gesamten Bereich innerhalb des zweiten Straßenrings; ein Gebiet von zwei Dritteln der Fläche Hamburgs, aber mit doppelt so vielen Einwohnern; auf Tempo 20 beschränkt. Zwar Meilen pro Stunde, aber umgerechnet heißt das auch nur 32 km/h. Dennoch bleibt der Beatles-Übergang dort.
Eine Notiz in eigener Sache: In Hamburg heißt es, das Abendblatt habe den Zebrastreifen erfunden. Das ist leider nur eine Legende. Zeitungen machen keine Gesetze und sollten dies auch nicht tun. „Erfunden“, eher erarbeitet, hat den Zebrastreifen ein Komitee der Vereinten Nationen 1949. Die ersten Fußgängerüberwegsmarkierungen wurden wenig später in London aufgepinselt, zunächst bunt, dann schwarz-weiß. Seitdem heißen sie „Zebra crossings“- wörtlich „Zebra-Übergänge“. Die ersten Zebrastreifen in Deutschland gab es 1952 in Ost-Berlin und München. Nach Hamburg kamen die Dickstrichketten erst ein Jahr darauf.
Sie fanden allerdings kaum Beachtung bei den frisch entfesselten Wirtschaftswunderautomobilisten. Immer wieder kam es zu Unfällen. Hier kamen Axel Springer und sein Abendblatt ins Spiel: Im Rahmen der Aktion „Seid nett zueinander“ wurde mit der „Aktion Zebra“ („Zeichen eines besonders rücksichtsvollen Autofahrers“) 1954 Werbung für den Zebrastreifen gemacht und Aufmerksamkeit hergestellt.