Harburg. Offiziell werden die 17 Fahrzeuge Ende April präsentiert – einige fahren aber schon zur Probe. Alle Informationen und erste Reaktionen.
Sven Behnke kommt mit einem zufriedenen Lächeln und einem 12 Meter langen Auto auf den Hof gerollt, nahezu lautlos, obwohl der Antrieb seines Busses 320 Pferdestärken leistet, verteilt auf zwei Motoren. Auch Abgase riecht man nicht. Der Bus, den Behnke gerade auf den Hochbahn-Betriebshof „Harburg 2“ an der Hannoverschen Straße lenkt, fährt elektrisch. Damit ist – gut 65 Jahre, nachdem der letzte Oberleitungsbus zum Schrott gebracht wurde – die Elektromobilität zurück im Harburger Busverkehr.
E-Busse in Harburg: Probebetrieb auf allen Linien
Offizieller Start des E-Bus-Verkehrs ist erst Ende April. Am Montag begann allerdings eine Erprobungsphase Sieben Elektrobusse, davon vier „E-Citaro“, 12 Meter „kurz“, wie der, den Sven Behnke gerade zum Ladepunkt fährt; und drei 18 Meter lange „E-Citaro-G“-Gelenkbusse. „Sie werden im ganz normalen Linienbetrieb eingesetzt, wie die Dieselbusse auch“, sagt Kerstin Vedder Leiterin der Harburger Betriebshöfe der Hamburger Hochbahn AG (HHA).
Dabei geht es nicht so sehr darum, die Busse auszuprobieren. Diese sind bereits in anderen Hamburger Revieren betriebserbrobt. Vielmehr geht es darum, die frisch installierte Ladetechnik im Realbetrieb zu testen und darum, herauszufinden, ob die neue, auf E-Bus-Bedürfnisse erweiterte Software in der Bus-Einsatzplanung, das sogenannte Betriebshofmanagementsystem (BHM) reibungslos funktioniert, oder ob man irgendwo nachbessern muss. Schließlich will man immer einen reibungslosen Busverkehr hinbekommen.
Ein bisschen werden aber auch die Busse getestet, denn Bedingungen, wie in Harburg, wo Steigungen und Gefälle zum Alltag gehören, sind auf den nordelbischen Hochbahnbusstrecken eher selten. Die „Bergstrecken“ am Blankeneser Elbhang oder in Bergedorf werden vom Schwesterunternehmen VHH bedient. „Testpilot“ Sven Behnke lächelt unter anderem deshalb so zufrieden. „So leicht bin ich den Schwarzenberg noch nie heraufgekommen“, sagt er. „Einen Dieselbus muss man auf der Steigung schon etwas quälen. Dieser hier fährt einfach hoch!“
Ein neuer, dann rein elektrischer Betriebshof in Neuland ist in Planung
17 Busse sollen ab Ende April zur regulären Harburger Flotte gehören. Für 20 sind Ladekabel in der großen, gerüstartigen E-Bus-Anlage installiert, die sechs der 15 „Stränge“ genannten Spuren überspannt, auf denen Busse nachts und zur Pause abgestellt werden. 200 Busse insgesamt sind für die Hochbahn im Hamburger Süden unterwegs. Bis Anfang der 2030er-Jahre sollen alle elektrisch fahren.
Dafür muss noch einiges investiert werden, so wie in ganz Hamburg. Ein neuer, dann rein elektrischer, Betriebshof in Neuland ist ebenso in Planung, wie die Bedienung einiger Harburger und vieler Wilhelmsburger E-Bus-Linien vom Veddeler Mega-Betriebshof „Zusammenhub“ – ein Wortspiel aus „zusammen etwas stemmen und dem englischen „Hub“ für „Knotenpunkt“. Eine neue Zentralwerkstatt für E-Busse im Hamburger Süden soll auf der alten Landesgrenze am Wilhelmsburger Stenzelring entstehen.
Emissionsfrei bis Anfang der 30er-Jahre: Kraftakt für Hochbahn und VHH
Als Letztes ist der Süden übrigens nicht dran: Der gesamte Bereich Wandsbek wartet noch auf die Elektrifizierung alter und den Bau neuer Betriebshöfe. Das ist nicht mal eben so getan: Außer Ladesteckern oder Dachladestationen für die Busse braucht man auch eine ausreichende Stromversorgung am Betriebshof. Die muss oft extra gelegt werden. Seit der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) 2016 die Marschroute ausgab, dass Hamburg ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anschafft, müssen die Hochbahn und die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) einen kleinen Kraftakt leisten.
„Harburg 2“ ist erst der vierte E-Bus-taugliche Betriebshof der Hochbahn. Die Ladeanlage ist zwar bereits funktionstüchtig, aber bis sie ganz fertig ist, müssen noch einige Schönheitsarbeiten erfolgen. Ein Bus mit leeren Akkus ist hier innerhalb von zweieinhalb Stunden wieder auf 100 Prozent. Dabei rechnen die Hochbahner aber gar nicht damit, einen Bus komplett laden zu müssen.
„Wir verbrauchen in einer Schicht zwischen 30 und 40 Prozent und kommen auch nach einem ganzen Betriebstag noch mit reichlich Reserve auf den Hof“, sagt Sven Behnke. „Interessant wird es, wenn im Sommer die Klimaanlage oder im Winter die Heizung noch Strom ziehen. Aber auch tagsüber werden die Busse ja auf dem Hof geladen.“
Fahrgäste bemerken als erstes, wie leise der Bus ist
Spricht‘s und steckt den Ladestecker in die Steuerbordseite des Citaro. Das große blaue Ladelicht über dem Bus und das kleine direkt am Steckpunkt signalisieren, dass der Strom fließt. 90 Prozent der Harburger Fahrerinnen und Fahrer haben bereits die E-Bus-Schulung absolviert und freuen sich darauf, demnächst auch mal zum Zuge zu kommen.
„Wir sind in Harburg in der komfortablen Lage, auf die Erfahrungen der anderen drei E-Betriebshöfe zurückgreifen zu können und freuen uns, jetzt selbst Erfahrung zu sammeln und wieder beisteuern zu können“, sagt Betriebshofchefin Kerstin Vedder.
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Und die Fahrgäste? Was sagen sie zum neuen E-Bus? „Die meisten bekommen es erst einmal gar nicht mit“, sagt Sven Behnke. „Der Bus sieht auch nur ein bisschen anders aus, als die aktuellen Diesel-Citaros. Wenn sie etwas bemerken, dann das sanfte Anfahren und die leise Fahrt. Darauf werde ich angesprochen.“
„Emissionsfrei“ bezieht sich eben nicht nur auf Abgase. Es heißt auch: keine Motorgeräusche. Das war vor 70 Jahren beim O-Bus übrigens noch anders, wenn man Zeit- und Ohrenzeugen glauben mag.