Hamburg. Durch den Ausbau des Nahverkehrs bis 2030 sollen deutlich mehr Bürger das Auto stehen lassen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

90 Minuten pro Tag ist jeder Hamburger im Schnitt unterwegs. Dabei legt er 38 Kilometer zurück – zur Arbeit, zur Schule oder zur Ausbildung, für Erledigungen, Einkäufe und für Freizeitaktivitäten. Noch wird nach Ansicht des Hamburger Senats viel zu häufig das Auto als Verkehrsmittel gewählt, denn für 36 Prozent der Wege steigen die Hamburger in den Pkw. Die Daten der Verkehrsstatistik Modal Split für Hamburg (2017) liefern weitere interessante Beobachtungen: 27 Prozent der Wege werden zu Fuß erledigt, 15 Prozent mit dem Fahrrad und 22 Prozent im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Auch wenn sich diese Zahlen seit 2008 leicht verschoben haben – damals hatte der Autoverkehr noch einen Anteil von 42 Prozent – muss nach Ansicht von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in Hamburg dringend etwas passieren. Mit dem Hamburg-Takt soll die gesamte Stadt ein flächendeckendes ÖPNV-Angebot bekommen, um die Zahl der Fahrgäste in Bussen und Bahnen bis 2030 auf 30 Prozent zu steigern.

Umfassender Ausbau

Die Pläne für den umfassenden Ausbau sind Teil des gerade beschlossenen Klimaplans des Senats. Neben den bekannten Neubauprojekten der U-Bahn-Linien U 5 und U 4 sowie der S-Bahn-Linien S 21 und S 4 sollen vor allem Busse stärker zum Einsatz kommen, um Hamburgerinnen und Hamburger zum Umsteigen zu bewegen.

Das Busnetz muss dafür deutlich ausgebaut werden. Die Hamburger Verkehrsunternehmen sollen dafür 750 zusätzliche emissionsfreie Busse anschaffen – aktuell gibt es etwa 1500 Busse. Mehr als 600 Haltestellen müssen auf den neuen Buslinien gebaut werden. Neu sind etwa die sogenannten XpressBusse, die größere Distanzen ohne Stopps zurücklegen und mehr Sitzplätze bereithalten sollen. 18 neue dieser Linien sind geplant. 26 neue Linien soll es auch bei den Metrobussen geben – Fünf-Minuten-Takt-Garantie inklusive. Auf 13 neuen Linien sollen sogenannte QuartierBusse fahren, die in weniger erschlossenen Stadtteilen eingesetzt werden, denkbar sind dafür kleinere Fahrzeuge.

Zusätzliche Mitarbeiter

„Dieses neue umfassende öffentliche Nahverkehrssystem führt dazu, dass in Hamburg niemand mehr auf Fahrpläne achten muss, sondern dass man überall spontan, flexibel und ohne Wartezeit unterwegs sein kann. Hamburg wird dadurch klimafreundlicher, leiser und attraktiver“, sagte Bürgermeister Tschen­tscher. „In der gesamten Stadt soll man dann vom frühen Morgen bis in die Abendstunden innerhalb von fünf Minuten ein öffentliches Nahverkehrsangebot erreichen können.“ Damit solle die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr um 50 Prozent gesteigert werden. 2018 verzeichnete der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) 784,5 Millionen Fahrgäste.

Henrik Falk, Chef der Hamburger Hochbahn AG, geht davon aus, dass durch die Mobilitätsoffensive 2500 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden müssen. Probleme sieht er nicht: „Wir haben deutlich mehr Bewerber als wir einstellen.“ Auch bei der HADAG sind Verbesserungen geplant. Durch den Einsatz von vier Schiffsneubauten sollen die Takte der Fährlinien 62, 64 und 72 verdichtet werden.

Peter Tschentscher (l.) mit Hochbahn-Chef Henrik Falk bei der Eröffnung der Haltestelle Oldenfelde.
Peter Tschentscher (l.) mit Hochbahn-Chef Henrik Falk bei der Eröffnung der Haltestelle Oldenfelde. © dpa

Martin Bill, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, sagte zu den Plänen: „Eine schnelle Taktung der öffentlichen Verkehrsmittel ist die Grundlage für das Leben in einer modernen Metropole. Wir können aber nicht warten, bis die neuen Bahnlinien in Betrieb gehen – wir wollen die Menschen schon heute für den HVV begeistern! In dieser Legislaturperiode haben wir unsere HVV-Politik daher grundlegend geändert: Statt uns an der Nachfrage zu orientieren, setzen wir Anreize über kluge Angebote.“

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Marcus Weinberg, CDU-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl, kritisierte dagegen: „Die SPD bietet Antworten von gestern auf die Verkehrsprobleme von heute und morgen.“ Für eine echte Mobilitätswende seien Anreize und ein vernünftiger Mix von Verkehrsträgern nötig. „Dazu gehören für die CDU unter anderem das 365-Euro-Jahresticket, pünktlichere Busse und Bahnen sowie umweltfreundliche Verkehrsträger wie die MetroTram Altona.“

Wenig begeistert zeigte sich auch die Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Anna von Treuenfels-Frowein: „Mal wieder kündigt der Senat Großes an – auf die Umsetzung dürfen wir gespannt warten. Die Ankündigungen stehen auf wackeligen Füßen. Wenn Mehrbelastungen für die Bürger ausgeschlossen sein sollen, muss der Erste Bürgermeister zunächst ein solides Finanzkonzept vorlegen.“

Das sind die konkreten Ziele bis 2030:

  • U-Bahn: Taktverdichtungen (U 2/U 4 bis zu 2-Minuten-Takt, U 3: 2,5-Minuten-Takt, U 1: bis zu 2,5-Min.-Takt), mehr Fahrzeuge und eine Teilautomatisierung der U 2/U 4.
  • S-Bahn: Die heutigen Hauptverkehrszeit-Linien (S 2, S 11) sollen ganztags (außer sonntags) verkehren, die S 31 soll durchgängig nach Harburg fahren, die heutigen Ganztagslinien (S 1, S 21, S 3) sollen Mo–So von 5 bis 24 Uhr im 10-Minuten-Takt verkehren. Hinzu kommen 20 Prozent mehr Fahrzeuge sowie Stabilisierungsmaßnahmen für ein robustes S-Bahn-Netz.
  • Bus: Neuausrichtung des Bussystems: neue Busprodukte (XpressBus, QuartierBus), neue Linien, Linienverlängerungen, mehr Fahrzeuge, mehr Platz, Modernisierung der Infrastruktur.
  • New Mobility (On-Demand-Services): Kleinbus-Einsatz in der Fläche im HVV-Tarif als Ergänzung zu Schnellbahnen und Bussen.