Altes Land. Den Menschen wollen die Obstbauern nicht auf die Nerven gehen – doch der Frust sei groß. Und der Diesel gar nicht so wichtig.
- Die Bauern aus dem Alten Land stoßen immer wieder auf Unverständnis für die Proteste
- Sie wollen besser erklären, worum es ihnen geht – und sich von Aussagen mancher Landwirte distanzieren
- Auf die Politik seien sie nicht hauptsächlich wegen der Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen sauer
Die Bauernproteste der vergangenen Wochen haben für Aufmerksamkeit gesorgt, aber auch für Verärgerung. Nicht alle Landwirte und Gärtner der Region haben sich beteiligt. Einige auch nur eine Zeit lang. Sauer sind die meisten trotzdem. Die Besteuerung des Agrardiesels ist dabei nur der Auslöser gewesen. Die Unzufriedenheit gärt schon lange. Das Abendblatt sprach mit Obstbauern aus dem Alten Land.
„Ich habe keine Lust, Leuten auf den Senkel zu gehen, die nichts damit zu tun haben“, sagt Hendrik Benitt, Obstbauer aus Francop. „Aber der Frust ist groß. Wenn ich jedoch auf den Wochenmärkten meine Äpfel verkaufe, stoße ich immer wieder auf Unverständnis für die Aktionen, zumal einige Kollegen dabei auch noch politische Aussagen treffen, die nichts zur Sache tun und auch nicht die Meinung aller sind. Ich muss meinen Kunden dann immer viel erklären. Und vielleicht ist erklären der bessere Weg, auf unsere Situation aufmerksam zu machen.“
Proteste: Bauern im Alten Land wünschen sich verlässliche Vorgaben
In Benitts Küche sitzen vier Kollegen und nicken: Christian Plaaß aus Jork, Arne Busch und Florian Dierks aus Neunfelde sowie Lars Heitmann aus Rübke. „Der Diesel ist für uns im Obstbau nicht der wichtigste Faktor“, sagt Christian Plaß, „aber die Art, wie das über Nacht beschlossen und verkündet wurde, ohne mit der Landwirtschaft Rücksprache zu nehmen, ist typisch für den Umgang mit uns und das war bei vielen der Auslöser, zu protestieren.“
„Was wir wollen, sind verlässliche Rahmenbedingungen“, sagt Hendrik Benitt. „Gut sind sie ja schon lange nicht mehr. Aber wir sollten planen können!“
Lars Heitmann nennt ein Beispiel: „Unser Mehrwertsteuersatz soll geändert werden, und zwar rückwirkend zum Jahresbeginn. Bis heute ist aber noch nicht endgültig festgelegt, wie hoch der neue tatsächlich ist. Wir müssen jetzt die ersten Rechnungen schreiben, den alten Satz berechnen und die Rechnungen dann später noch einmal korrigieren. Was für ein Aufwand!“
Altländer Obstbau im Spannungsfeld Umweltpolitik und Agrarpolitik
Alle fünf sehen ihren Berufsstand im Spannungsfeld zwischen deutscher Umweltpolitik und europäischer Agrarpolitik benachteiligt. „Wir haben hier Auflagen, die unsere Konkurrenz in Südeuropa nicht hat und damit haben wir auch höhere Kosten“, sagt Busch. „Im Alten Land haben wir ganz bestimmt keinen Wassermangel und müssen trotzdem jeden Tropfen, den wir zum Bewässern nehmen, dokumentieren und rechtfertigen. Gleichzeitig ziehen unsere Kollegen in Andalusien Wasser aus Landschafts- und Naturschutzgebieten, ohne dass dort der Staat eingreift. Auch das müssen sich die Menschen mal klarmachen, wenn sie mitten im Winter billige Kulturheidelbeeren im Supermarkt kaufen.“
„Wir sollen gute, gesunde Lebensmittel produzieren, gute Löhne zahlen, wenig Pflanzenschutzmittel verwenden, aber unsere Ware möglichst günstig anbieten“, sagt Florian Dierks. „Das geht nicht auf!“
Umweltschädlich? Wie der Verzicht auf Unkrautvernichter CO₂ freisetzt
Lars Heitmann erklärt das am Beispiel der Herbizide: „Wir sollen keinen Unkrautvernichter spritzen. EU-weit ist das Verbot gekippt, in Deutschland gilt es trotzdem noch. Das bedeutet, dass wir zur Unkrautbekämpfung in der Plantage mehrmals im Jahr den Boden mit der maschinellen Hacke aufbrechen müssen. Dabei zersetzt sich Humus und setzt CO₂ frei. Mit Pflanzenschutzmittel würde sich sogar noch Humus bilden können und mehr CO₂ binden. Durch das Aufbrechen werden auch Lebensräume zerstört: 80 Prozent der Biodiversität in unseren Plantagen befinden sich in den oberen Bodenschichten.“
Der Humusverlust ist nicht nur ökologisch ein Problem. „Wir sind auf gute Böden angewiesen, um produzieren zu können“, sagt Florian Dierks, „und selbst wenn jemand seinen Betrieb aufgibt, kann er anderen Betrieben ja nur Land mit gutem Boden verkaufen. Für schlechten Boden bekommt er viel weniger Geld.“
„Das Problem ist, dass wir mit den Behörden oft aneinander vorbeireden“, sagt Hendrik Benitt. „Auf der Verwaltungsebene sitzen häufig Beamte, die kaum Ahnung davon haben, was wir eigentlich machen, und auf der höheren Ebene, in den Landes- und Bundesministerien kommen die politischen Beamten mittlerweile sehr häufig aus den Umweltverbänden und haben eine ganz andere Agenda, als wir.“
„Es ist ja nicht, dass wir gegen Umweltschutz sind. Im Gegenteil, wir betreiben aktiven Umweltschutz. Nirgendwo in Norddeutschland gibt es eine größere Biotop- und Artenvielfalt, als in den Obstbaugebieten“, sagt Christian Plaaß, „aber das dankt uns niemand. Im Gegenteil: Wenn wir in Vorleistung gehen, wird immer noch eine Forderung draufgelegt.“
- Obstbau-Fachmesse im Alten Land beginnt
- Nur wenig Zulauf zu grünen Berufen
- Apfelbauern im Alten Land sammeln jetzt Daten
Bauernproteste: Altländer monieren bürokratische Schickanen
Einige Forderungen sind für die Gärtner und Landwirte im Obstbau auch schlicht nicht nachvollziehbar: „Wenn wir Pflanzenschutz ausbringen, müssen wir genau dokumentieren, welche Wetterbedingungen herrschten“, sagt Lars Heitmann. „Die Aktion dauert zehn Stunden. Im Formular ist nur ein Feld. Da steht nicht, ob ich Temperatur, Windrichtung und Windstärke morgens, mittags oder abends eintragen soll. Und warum muss ich das machen? Man kann das längst über Wetterdaten im Internet orts- und zeitgenau nachprüfen und das sogar für jede Stunde einzeln!“
Die fünf jungen Obstbauern haben sich in der vergangenen Woche an dem leuchtenden Protestherz in Eilendorf beteiligt. „Wir wollen niemandem auf den Keks gehen“, wiederholt Hendrik Benitt, „aber wir müssen unsere Sorgen auch mal öffentlich machen!“